Pflichtpraktikum im Handwerk angeregt
Betonbauer statt Bachelor: Angesichts des sich verschärfenden Fachkräftemangels spricht sich die IG BAU dafür aus, an weiterführenden Schulen stärker als bisher für Handwerksberufe zu werben.
"Denkbar ist eine Empfehlung der Kultusministerkonferenz, was die Pflichtpraktika in der Sekundarstufe I und II angeht. Beim Betriebspraktikum sollten Schüler wenigstens einmal Erfahrungen in einem Handwerksbetrieb sammeln können", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), Dietmar Schäfers zum Auftakt der Internationalen Handwerksmesse in München.
Pflichtpraktikum zwischen der siebten und zwölften Klasse
Eine Möglichkeit sei ein verpflichtendes Kurzpraktikum im Handwerk zwischen der siebten und zwölften Klasse, so Schäfers. Zugleich ließe sich die Dauer oder Zahl der Praktika erhöhen, damit während der Schulzeit wenigstens eine Station im Handwerk in Frage komme. Die Vorgaben für die Betriebspraktika legen die Bundesländer fest. In einer Empfehlung der Kultusministerkonferenz aus dem Jahr 2017 sei nur allgemein von einer Stärkung der Berufsorientierung die Rede.
Jugendliche wissen zu wenig über Bauberufe
"Der Bedarf an Fachleuten wird immer dramatischer – und zwar auch, weil viele Jugendliche zu wenig über die betriebliche Wirklichkeit beim Dachdeckerbetrieb, Maurer- oder Malermeister wissen." Die Zuwanderung aus dem Ausland allein könne den Bedarf künftig kaum decken. Während zuletzt mehr als jeder zweite Schulabgänger ein Studium begann, sank die Zahl der Gesellenprüfungen nach Angaben des Zentralverbands des Deutschen Handwerks allein zwischen 2007 und 2017 um 27 Prozent. Insbesondere das Baugewerbe sei nach einer Analyse der Bundesagentur für Arbeit immer stärker vom Fachkräftemangel betroffen. Im vergangenen Jahr konnten etwa Berufe im Kanal- und Tunnelbau durchschnittlich 215 Tage lang nicht besetzt werden.
Hervorragende Aufstiegschancen am Bau
Eine Quote fürs Handwerk beim Schulpraktikum könne einen Beitrag dazu leisten, die Berufe bekannter zu machen und mehr Schulabgänger für eine Ausbildung zu gewinnen, so Schäfers. Viele Handwerksbereiche hätten sich in den letzten Jahren stark gewandelt. "Bau-Azubis sind heute die bestbezahlten Lehrlinge. Die Aufstiegschancen sind hervorragend. Und auch die Digitalisierung ist auf der Baustelle längst angekommen. Vom Grundriss auf dem Tablet bis hin zum Bauen per Roboter – die Jobs sind anspruchsvoller und für Jugendliche attraktiver geworden." Neben Dachdeckern und Gerüstbauern sei im Handwerk zunehmend das IT-Know-how gefragt. "Wer in der Schule einmal dem Polier zugeschaut hat, den zieht es später vielleicht eher auf die Baustelle."
Das Gewinnen von Nachwuchs sei jedoch das eine – ihn zu halten das andere, so der IG BAU-Vize. "Handwerksbetriebe, die ihre Mitarbeiter schlecht bezahlen, brauchen sich über das teils negative Image der Branche nicht zu wundern. Nur wer sich zur Innungsmitgliedschaft und zu Tarifverträgen bekennt, wird in Zukunft Fachleute finden."
Text:
Rainer Fröhlich /
handwerksblatt.de
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