Die Abdichtung erfolgte durch zweilagige Bitumen-Dickbeschichtungen mit einer Gewebeeinlage. Sie war mangelfrei, sagt das OLG Hamm. (Foto: © Volodymyr Plysiuk/123RF.com)

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Richtig verklebt ist nicht automatisch mangelfrei

Manchmal macht der Hersteller eines Baumaterials Vorgaben. Diese müssen aber mindestens den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen, sonst hat der Handwerker ein Problem.

Handwerksbetriebe müssen ein mangelfreies Werk herstellen, sagt das Werkvertragsrecht. Mangelhaft ist ein Werk in der Regel dann, wenn die sogenannte Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit abweicht. Ob das zu Gunsten oder zu Ungunsten des Auftraggebers ausfällt, ist überraschenderweise egal.

Im Bauvertragsrecht kommt noch hinzu, dass das Werk auch den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen muss, um mangelfrei zu sein. Nur was gilt, wenn der Handwerker die Vorgaben des Herstellers zwar eingehalten hat, es aber dennoch Schäden am Bauwerk gibt? Ist sein Werk dann mangelhaft? Das musste das Oberlandesgericht Hamm in einem aktuellen Fall entscheiden.

Was ist passiert?

Ein Unternehmer sollte diverse Bauleistungen für seinen Kunden erledigen. Dazu gehörte unter anderem, dass er den Keller abdichtet. Die Abdichtung sollte durch zweilagige Bitumen-Dickbeschichtungen mit einer Gewebeeinlage erfolgen. Diese setzte der Auftragnehmer nach den Vorgaben des Herstellers um. Nachdem das Gebäude bezogen war, zeigte sich allerdings Feuchtigkeit im Kellergeschoss. Hieraufhin machte der Kunde Mängelrechte gegen den Unternehmer geltend.

Wie lautet das Urteil?

Das Oberlandesgericht Hamm (Az. I-12 U 20/18) wies die Mängelansprüche des Auftraggebers zurück. Es begründete dies damit, dass der Bauunternehmer die allgemein anerkannten Regeln der Technik eingehalten habe. Er hatte die Perimeterdämmung auf der gewebearmierten Bitumen-Dickbeschichtung, die eine kunststoffmodifizierte Beschichtung aufwies, punktuell verklebt. Diese punktuelle Verklebung hat auch den Vorgaben des Herstellers entsprochen. Die Herstellervorgaben verwiesen auf die einschlägige DIN 18195 und empfahlen sogar eine Verklebung ausdrücklich.

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Dass sich der Auftragnehmer an diese Herstellervorgaben gehalten habe, mache sein Werk nicht mangelhaft. Da auch die allgemein anerkannten Regeln der Technik keinen höheren Standard erforderten, sei die Leistung insgesamt mangelfrei, erklärte das Gericht.

Praxistipp:

Ein Auftragnehmer muss sein Werk mangelfrei herstellen. Das ist grundsätzlich dann der Fall, wenn das Werk einerseits die vereinbarte Beschaffenheit aufweist und andererseits den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht – und zwar zum Zeitpunkt der Abnahme.

Manchmal gibt es Vorgaben der Hersteller, dann gelten diese als vereinbarte Beschaffenheit des Werkes. Bei einem VOB/B Vertrag müssen aber nach Paragraf 13 Abs. 1 VOB/B auch die allgemein anerkannten Regeln der Technik eingehalten werden. Unterschreiten die Herstellervorgaben jedoch die allgemein anerkannten Regeln, kann sich Auftragnehmer nicht auf Mangelfreiheit berufen, weil er (nur) die Herstellervorgaben beachtet hat. Das Werk ist dann trotzdem mangelhaft.

Für Auftragnehmer heißt das, dass sie immer prüfen müssen, ob die Herstellervorgaben mindestens den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen. Liegen die Vorgaben des Herstellers darunter, muss der Auftragnehmer unbedingt seine Bedenken anzeigen.

Welches Fazit ergibt sich daraus ?

Ein Werk ist dann mangelfrei, wenn der Auftragnehmer die Herstellervorgaben und außerdem die allgemein anerkannten Regeln der Technik einhält. Die Vorgaben gelten dann in der Regel als vereinbarte Beschaffenheit und müssen im Minimum den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen. Ist dies der Fall und hat der Auftragnehmer entsprechend geleistet, kann der Auftraggeber keine Mängelrechte geltend machen.

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 9. November 2018, Az. I-12 U 20/18

Die Autorin Anna Rehfeldt ist Rechtsanwältin und LL.M. in Berlin

 

Hintergrund

Anerkannte Regeln der Technik sind bautechnische Regeln, die von der Wissenschaft als theoretisch richtig belegt wurden und sich dann, von Bauexperten in der Praxis erfolgreich angewandt, durchgesetzt haben. Manche dieser Regeln münden in eine DIN-Norm, andere werden in weitere Regelwerke übernommen. Als allgemein anerkannte Regeln der Technik gelten dabei sämtliche Vorschriften und Bestimmungen, die sich in der Theorie als richtig erwiesen und in der Praxis bewährt haben. Entspricht das Werk nicht diesen Regeln, so ist die Leistung meistens mangelhaft. 

Was sagt die Rechtsprechung noch zu den anerkannten Regeln der Technik bei der Abnahme? → Hier klicken und weiterlesen!

Text: / handwerksblatt.de

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