Schrank nach Maß: Kein Widerrufsrecht für Kunden
Wer beim Schreiner einen maßgefertigten Schrank bestellt, hat kein Widerrufsrecht. Denn hier war eine individuelle Anfertigung vereinbart, urteilte das Amtsgericht München.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Widerrufsrecht des Kunden: Daumenschraube für Handwerker?
Verbraucher haben bei Verträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden, ein Widerrufsrecht. Dieses Recht erlischt aber, wenn das Werk auf die persönlichen Verhältnisse des Kunden zugeschnitten ist. Das galt auch in einem Fall des Amtsgerichts München: Eine Kundin hatte einen Schrank nach Maß bestellt und musste dem Schreiner am Ende alle Leistungen bezahlen. Ihren Widerruf beurteilte das Gericht als unwirksam.
Der Fall
Eine Münchnerin kontaktierte eine Schreinerei aus Oberbayern wegen der Herstellung eines Schlafzimmerschranks. Bei einem Termin in der Wohnung nahm ein Mitarbeiter Maß und besprach mit ihr Ausführung und Größe des Schranks, die Zahl der Türen, eine Fernseheinfassung, die Fernsehanschlüsse, Verblendung bis zur Decke und Ausschnitt des Teppichbodens. Dabei erstellte er ein Angebot mit Entwürfen. Anfang 7. Mai 2024 beauftragte die Kundin die Schreinerei per Mail mit der Herstellung und Montage des Schrankes, der Preis betrug 4.149 Euro netto.
Am 20. Mai 2024 stornierte die Frau den Auftrag. Die Schreinerei stellte daraufhin die erbrachten Leistungen mit 3.004,86 Euro netto in Rechnung. Die Kundin verweigerte die Zahlung und bestand auf einem vermeintlichen Widerrufsrecht. Der Schreiner klagte vor dem Amtsgericht München seinen Werklohn ein.
Das Urteil
Das Gericht stellte sich auf die Seite des Handwerkers und verurteilte die Kundin zur Zahlung. Denn sie habe kein Recht zum Widerruf gehabt. Dieses sei nach § 312 g Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ausgeschlossen gewesen.
Zwar liege hier ein Vertrag vor, der außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurde, nämlich in der Wohnung der Kundin und per E-Mail. In solchen Fällen hätten Verbraucher regelmäßig nach § 312 b BGB ein 14-tätgiges Recht zum Widerruf.
Das Widerrufsrecht sei aber ausgeschlossen bei Verträgen über Waren, für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Verhältnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind. Ein solcher Fall sei hier der maßgefertigte Schrank der Kundin.
Individuell angefertigt
"Entscheidend ist, ob nach dem Vertrag eine Individualanfertigung vorliegt, was vorliegend der Fall ist", so das Urteil wörtlich. "Ausweislich des Auftrags (…) war eine individuelle Anfertigung auf Basis des Aufmaßes vereinbart." Aus den Angaben des Zeugen ergebe sich, dass keine vorgefertigten, standardisierten Teile verwendet wurden. Vielmehr habe es mehrere Versionen und Entwürfe gegeben mit unterschiedlichen Maßen und Schrägen, sowie einer Türöffnung per Tipp-On-Funktion.
Nach § 648 BGB kann der Besteller bis zur Vollendung des Werkes jederzeit den Vertrag kündigen. In diesem Fall kann der Unternehmer die vereinbarte Vergütung verlangen. Der Schreiner habe hier seine Stundenabrechnung vorgelegt, aus der sich seine erbrachten Leistungen ergaben. Er könne somit den Werklohn für diese Arbeitsstunden verlangen.
Amtsgericht München, Urteil vom 26. Februar 2025, Az. 271 C 21680/24, rechtskräftig
PRAXISTIPP
Handwerker finden kostenlose Informationen und Musterformulare für Widerrufsbelehrungen > beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH).Widerrufsrecht
Seit 2014 haben Privatkunden ein 14-tägiges Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen und bei Verträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurden (AGV).
Beispiel für einen AGV: Der Handwerker nimmt Aufmaß vor Ort und schließt anschließend beim Kunden direkt einen mündlichen Vertrag. In solchen Situationen müssen Betriebe Verbraucher rechtzeitig und umfassend über ihr Widerrufsrecht belehren. Ab diesem Zeitpunkt kann der Kunde 14 Tage lang den Vertrag widerrufen, ohne Angabe von Gründen.
Achtung: Falls die Belehrung über das Widerrufsrecht fehlt, falsch oder unvollständig ist, verlängert sich das Recht auf 12 Monate und 14 Tage! Beginnt der Handwerker mit seiner Arbeit auf ausdrücklichen Wunsch des Kunden vor Ablauf der 14-tägigen Frist, sollte er auf keinen Fall die Belehrung vergessen! Denn nur dann muss der Kunde bei einem Widerruf die bereits erbrachten Leistungen bezahlen. Ohne ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung geht der Handwerker in solchen Fällen leer aus!
Neue Regeln für die Widerrufsbelehrung seit dem 28. Mai 2022:
- Seit dem 28. Mai 2002 muss keine Faxnummer mehr genannt werden – weder in der Widerrufsbelehrung noch im -formular! Eine freiwillige Angabe ist weiterhin möglich.
- Die Telefonnummer muss ab dem 28. Mai 2022 in der Widerrufsbelehrung stehen (Achtung: nicht im Widerrufsformular!).
- Die E-Mail-Adresse muss in beiden angegeben sein, also auch im Widerrufsformular.
- Die Widerrufsbelehrung muss die Verbraucher auch über die Umstände, unter denen sie ein zunächst bestehendes Widerrufsrecht verlieren, informieren.
- Neu ist auch, dass dem Verbraucher eine Bestätigung zur Verfügung gestellt werden muss. Dazu muss der Unternehmer dem Verbraucher ein Dokument (als Papier, Mail, SMS etc.) zukommen lassen, in dem bestätigt wird, dass der Kunde ausdrücklich der Ausführung des Vertrags vor Ablauf der Widerrufsfrist zugestimmt und seine Kenntnis vom damit einhergehenden Verlust des Widerrufsrechts mit Vertragsausführung bestätigt hat. Auch über diesen Umstand ist der Kunde zu informieren.
KEIN Widerrufsrecht bei Notfalleinsätzen
In Einzelfällen hat der Kunde kein Widerrufsrecht, selbst wenn der Vertrag außerhalb der Geschäftsräume geschlossen wurde. Solche Ausnahmen sind zum Beispiel "Notfalleinsätze" wie dringende Reparaturen und Instandhaltungsmaßnahmen, zu denen der Verbraucher den Handwerker ausdrücklich angefordert hat. Das kann etwa ein Rohrbruch sein oder die Beseitigung von Sturm- oder Hagelschäden. Achtung: Die Ausnahmen gelten nicht automatisch. Vielmehr muss der Handwerker den Verbraucher darüber belehren, dass ihm hier kein Widerrufsrecht zusteht.
Widerrufsrecht Kunde widerruft Haustürgeschäft, Handwerker guckt in die Röhre > Hier mehr lesen!Die Berater in den Handwerkskammern helfen Ihnen bei Rechtsfragen gerne weiter!
Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
Kommentar schreiben