Deutschland-Pakt: "Das Tempo macht der Mittelstand"
Der deutsche Mittelstand ist besser als erwartet durch die Krisen gekommen. Es gibt allerdings sichtbare Risse im Fundament - etwa in der Bauwirtschaft und in der Gastronomie - so DSGV-Präsident Helmut Schleweis bei der Vorstellung des S-Mittelstands-Fitnessindex.
Der deutsche Mittelstand hat in den zurückliegenden krisenhaften Monaten einmal mehr seine Stärke und Flexibilität bewiesen. Laut einer aktuellen Umfrage des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes DSGV sind 2022 die Umsätze als auch die Gewinne der Mehrheit der mittelständischen Unternehmen im Branchendurchschnitt noch einmal gewachsen. Die Umsätze um 14 Prozent, die Gewinne sogar um 17 Prozent. Das sei angesichts der gesamtwirtschaftlich schwierigen Lage sehr bemerkenswert, sagte DSGV-Präsident Helmut Schleweis bei der Vorstellung des S-Mittelstands-Fitnessindex. Die immensen Preissteigerungen hätten durch Einsparungen, aber auch durch höhere Verkaufspreise mehr als kompensiert werden können. Kehrseite der Medaille: Die hohen Verbraucherpreise und die Inflation.
Kapital zur Finanzierung der Transformation steht dem Mittelstand ebenfalls zur Verfügung. Die Eigenkapitalquote liegt im Schnitt bei rund 38 Prozent. "Die Mittelständler sind robust aufgestellt", betonte Schleweis vor der Presse. "Wenn dieser Tage der Eindruck vermittelt wird, nichts in Deutschland funktioniere mehr, halte ich entgegen: Der Mittelstand funktioniert. Er ist das starke wirtschaftliche Fundament unseres Landes." Aber auch dieses Fundament dürfe nicht überlastet werden, mahnte der DSGV-Präsident.
"Ich traue dem Mittelstand sehr viel zu", sagte Schleweis. Er gehe auch davon aus, dass das BIP 2024 wieder steigt. Bei Prognosen müsse man momentan allerdings vorsichtig sein.
Senkungen bei der Stromsteuer, Reform der Netzentgelte
Es sei momentan viel von einem "Deutschland-Tempo" und "Deutschland-Pakt" die Rede. Tempo würden aber vor allem die mittelständischen Unternehmen machen. "Es wäre schon viel geholfen, wenn der Staat sie nicht weiter durch zu viel bürokratische Auflagen und Meldepflichten bremsen würde, so Schleweis weiter. Dass sich die Bundesregierung in ihren "Meseberger Beschlüssen" Bürokratieabbau vorgenommen habe, sei gut. Jetzt zähle allerdings die Tat.
Schleweis forderte die Politik auf, ebenfalls Tempo zu machen. Und zwar bei Energie, Digitalisierung und einem durch Bildung und Zuwanderung erweiterten Arbeitskräfteangebot. Am drängendsten sei der Faktor Energie. Dieser spiele für die deutsche Wettbewerbsfähigkeit eine zentrale Rolle. "Wir brauchen für eine begrenzte Zeit die pragmatische Nutzung aller verfügbaren Energien und eine schnellere Wende hin zu regenerativen Energien. Anstatt neue Subventionen wie einen Industriestrompreis zu etablieren, sind Senkungen bei der Stromsteuer und eine Reform der Netzentgelte sehr viel schneller und wirksamer. Davon profitieren nicht nur wenige Großunternehmen, sondern auch mittelständische Betriebe", sagte Schleweis. Andernfalls sei die Gefahr, dass Unternehmen in Länder mit günstigerer Energie abwandern, akut.
Wohnungsbau bleibt das "Sorgenkind"
Foto: © ahfotobox/123RF.comNicht abwandern können das Handwerk, das Baugewerbe der lokale Einzelhandel oder die Gastronomie, die auf günstige Rahmenbedingungen im eigenen Land angewiesen sind. Dass es dem Mittelstand im Durchschnitt gut gehe, ändere nichts daran, dass einzelne Branchen momentan große Probleme hätten. Vor allem bei der Bauwirtschaft, der Gastronomie und dem Einzelhandel gebe es bereits Risse im Fundament. Die Insolvenzen in diesen Branchen seien noch auf einem niedrigen Niveau, würden aber steigen.
Die Konsumbranchen würden, so Schleweis, unter den gestiegenen Einkaufspreisen und der Preissensibilität ihrer Kunden leiden. Die geplante Rückkehr zur Mehrwertsteuer von 19 Prozent im Gastgewerbe (aktuell gilt der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent auf Speisen) hält der Sparkassen-Präsident für den falschen Weg. "Das wird die Preise zusätzlich treiben. Das ist für diese Branche eine erhebliche Belastung, die noch einmal viele Unternehmen an die Belastungsgrenze bringen wird."
Die Baubranche wiederum, jahrelang der Konjunkturmotor im Mittelstand, leidet momentan massiv unter schwachen Auftragseingängen. Diese würden auf dem Niveau von 2016 liegen. Hoffnung bestehe zumindest auf eine kurz- bis mindestens mittelfristig hohe Nachfrage nach Bauleistungen im Ausbau und Tiefbau aufgrund der Energiewende. Das Sorgenkind bleibe aber auch weiterhin der Wohnungsbau.
Die hohen Vorgaben etwa bei der Energieeffizienzklasse 40 würden dazu beitragen, dass die Baukosten weiter deutlich steigen. Die geplanten Sonderabschreibungen seien ein Schritt in die richtige Richtung, würden aber keine Trendwende bringen. "Mehr Standardisierungen im Baurecht und weniger bürokratische Auflagen könnten die Baukosten spürbar senken", sagt Schleweis.
Er plädiert dafür, für selbst genutztes Wohneigentum die Grunderwerbsteuer abzuschaffen. In vielen Bundesländern gehe das angesparte Eigenkapital Bauwilliger mit der Grunderwerbsteuer fast vollständig an den Staat.
Wohnungsbau: Nur etwa 100 Anträge bundesweit für die neue KfW-Förderung
Ein echter Ladenhüter scheint die neue Wohnungsbauförderung für Familien zu sein. Bei der Wohnungsbauförderung sei die Einkommensgrenze von 60.000 Euro für den Bau oder Erwerb eines Hauses mit dem Energiestandard 40 auch unrealistisch gering, kritisiert der DSGV-Präsident. Er fordert eine Ausweitung der Kreditsumme, eine Erhöhung der Einkommensgrenze und eine Verlängerung der Zinsbindung von zehn auf 20 Jahre.
212 Förderungen bewilligt Laut der Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage des baupolitischen Sprechers der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jan-Marco Luczak, zum Förderprogramm Wohneigentum für Familien (WEF), haben zum 31. August 2023 erst 212 Familien eine Förderung bewilligt bekommen. Das Förderprogramm war am 1. Juni 2023 gestartet.
"Um in der Breite insbesondere den Bau von Mietwohnungen wieder in Schwung zu bringen, wäre ein Förderprogramm notwendig, das soziale Aspekte wie altersgerechtes Bauen sowie niedrige Baukosten als Fördervoraussetzung berücksichtigt. Also den Förderstandard 55 als Basis mit sozialen Aspekten kombiniert", schlägt Schleweis vor.
Was ist der DSGV? Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) ist der Dachverband der Sparkassen-Finanzgruppe. Dazu gehören 353 Sparkassen, sechs Landesbanken-Konzerne, die DekaBank, acht Landesbausparkassen, neun Erstversicherergruppen der Sparkassen und weitere Finanzdienstleistungsunternehmen.
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Text:
Kirsten Freund /
handwerksblatt.de
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