Neben dem technischen Aspekt von Standards will die EU-Kommission sie nun auch als "zentrales Element der EU-Politik" nutzen, auch um die Autonomie Europas zu wahren.

Neben dem technischen Aspekt von Standards will die EU-Kommission sie nun auch als "zentrales Element der EU-Politik" nutzen, auch um die Autonomie Europas zu wahren. (Foto: © alexandersikov/123RF.com)

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EU-Kommission stellt neue Normungsstrategie vor

Handwerkspolitik

Mit einer neuen Normungsstrategie will die EU-Kommission das Normungssystem flexibilisieren und Standards schneller festlegen. Das Handwerk betont vor allem die Rolle der Wirtschaft bei der Entwicklung von Normen.

Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union auf globaler Ebene, Unterstützung der Transformation der europäischen Wirtschaft mit Blick auf Klimaschutz und Digitalisierung und die Verankerung demokratischer Werte in Technologieanwendungen. Das sind die Ziele, die die Europäische Kommission mit ihren Vorschlägen für eine neue Normungsstrategie erreichen will. Die Wettbewerbsfähigkeit der EU hänge auch davon ab, ob es gelingt, technische Standards in Europa zu "globalen Benchmarks" zu machen, erklärt Binnenmarktkommissar Thierry Breton.

So könnten Abhängigkeiten verhindert und die Werte der EU geschützt werden. "Wir ergreifen Maßnahmen, um die Integrität des europäischen Normungsprozesses zu wahren und die europäischen kleinen und mittleren Unternehmen sowie europäische Interessen in den Mittelpunkt zu stellen“, so Breton weiter. Normen erleichtern es Betrieben im Idealfall Produkte nicht nur auf dem heimischen Markt, sondern auch auf dem euopäischen Binnenmarkt zu verkaufen. Ein Hindernis sind sie dann, wenn Produkte für eine grenzüberschreitende Vermarktung angepasst werden müssen.

Europaweite Vermarktung erleichtern

Die Kommission versteht unter europäischen harmonisierten Normen Standards, "die im Auftrag der Kommission von einer der europäischen Normungsorganisationen mit Blick auf die Anwendung der Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union entwickelt wurde". Darin festgelegt sind die technischen Spezifikationen eines Produkts, die es braucht, um dem EU-Recht zu entsprechen. Die damit vorgegebene Konformität soll Unternehmen den Zugang zum europäischen Binnenmarkt ermöglichen. Das heißt: Gelten für ein Produkt europaweit die gleichen Regeln, lässt es sich einfacher europaweit verkaufen.

Wie funktioniert Normung in der EU?Das europäische Normungssystem beruht auf einer öffentlich-privaten Partnerschaft zwischen der Kommission und der Normungsgemeinschaft, die strukturell aus privaten gemeinnützigen Organisationen besteht, nämlich dem Europäischen Komitee für Normung (CEN), dem Europäischen Komitee für elektrotechnische Normung (Cenelec) und dem Europäischen Institut für Normung im Bereich der Telekommunikation (ETSI). Europäische Normen zur Unterstützung von Rechtsvorschriften und politischen Maßnahmen der EU werden ausschließlich durch eine dieser Organisationen erarbeitet.

Die Normungstätigkeiten in diesen Organisationen beruhen auf dem Konsens, der zwischen verschiedenen Akteuren (Industrie, KMU, Handelsorganisationen und andere private, gesellschaftliche und öffentliche Interessenträger) herbeigeführt wird. Die Kommission ist dafür zuständig, eine Bewertung der harmonisierten europäischen Normen, die zur Unterstützung des EU-Rechts entwickelt wurden, vorzunehmen und die Referenzen der Normen im EU-Amtsblatt zu veröffentlichen.

Mit der Aufnahme der Referenz in das Amtsblatt wird eine Norm als Teil des EU-Rechts betrachtet. Die Kommission stellt den drei europäischen Normungsorganisationen finanzielle Mittel für ihre Arbeiten zur Unterstützung der Rechtsvorschriften und der politischen Maßnahmen der EU zur Verfügung.
Quelle: EU-Kommission

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Neben dem technischen Aspekt der Normen will die EU-Kommission sie nun auch als "zentrales Element der EU-Politik" nutzen, auch um die Autonomie Europas zu wahren. "Drittländer treten auf dem Gebiet der Normung entschlossener auf und setzen sich im Wege von Fachausschüssen für Normung vehement für ihre technologischen Lösungen ein." Die EU ist entschlossen, hier die Führungsrolle zu übernehmen. "Hierfür sind in der Strategie zunächst Maßnahmen vorgesehen, die darauf abzielen, die Flexibilität und Governance des europäischen Normungssystems zu verbessern und die für die Entwicklung europäischer Normen erforderliche Zeit zu verkürzen."

Fünf Maßnahmenbündel

Dazu schlägt die Kommission fünf Maßnahmenbündel vor. Es geht darum, Normungsbedarf schneller zu erkennen und die Prozesse zu beschleunigen. Aufträge, die den europäischen Normungsorganisationen von der Kommission erteilt werden, sollen von den nationalen Normungsgremien, der EU und den Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) bearbeitet werden. Einflussnahme von Akteuren außerhalb der EU und des EWR soll so ausgeschlossen werden.

Die Kommission betont, dass sie auch die Interessen der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) im Auge behalten will und gemeinsam mit den Mitgliedstaaten KMU-freundliche Bedingungen im Bereich der Normung schaffen will. Diesen Aspekt betont auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks: "Um Normen möglichst praxisgerecht auszugestalten ist es wichtig, Expertinnen und Experten aus dem Handwerk an der Normensetzung zu beteiligen", erklärt ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke. "Wir begrüßen daher, dass sich die EU-Kommission ausdrücklich zum partizipativen Prinzip der europäischen Normung bekennt."

Die Wirtschaft einbeziehen

Normen müssten weiterhin selbstständig von der Wirtschaft unter Beteiligung von KMU-Vertretern erarbeitet werden. Dieser bewährte Grundsatz gerate im Wettbewerb mit Ländern wie China und den USA, aber auch Großunternehmen aus der Privatwirtschaft, zunehmend unter Druck. Wenn der Normungsprozess "zum politischen Spielball" wird, verzögere das die Entwicklung dringend benötigter Normen. Schwannecke blickt deswegen auch mit Sorge auf die Pläne der EU-Kommission: "Standards sollten vor allem als technische Regeln verstanden werden, die erst in zweiter Linie dazu dienen, den Binnenmarkt zu stärken oder Normen europaweit zu vereinheitlichen." 

Die fünf vorgeschlagenen MaßnahmenbündelDen Normungsbedarf in strategischen Bereichen antizipieren, priorisieren und bewältigen: Normen müssen binnen kürzerer Zeit vorliegen und mit der europäischen Innovations- und Politikagenda im Einklang stehen. Die Kommission hat im Normungsbereich Notsituationen ermittelt, die die Produktion von COVID-19-Impfstoffen und -Arzneimitteln, das Recycling kritischer Rohstoffe, die Wertschöpfungskette für sauberen Wasserstoff, CO2-armen Zement, die Zertifizierung von Chips und Datenstandards betreffen. Ab diesem Jahr werden die Normungsprioritäten klar festgelegt, beginnend mit dem jährlichen Arbeitsprogramm der Union für europäische Normung für das Jahr 2022. Es wird ein Forum eingerichtet, das Impulse für künftige Prioritäten im Bereich der Normung geben soll. Die Kommission wird die Funktion eines leitenden Normungsbeauftragten schaffen, der in der gesamten Kommission auf hoher Ebene Leitlinien für Normungstätigkeiten vorgibt und von einem EU-Exzellenzzentrum für Normen unterstützt wird, das sich aus Vertretern von Dienststellen der Kommission zusammensetzt.

Verbesserung von Governance und Integrität des europäischen Normungssystems: Über europäische Normen, die die Politik und die Rechtsvorschriften der EU unterstützen, müssen europäische Akteure entscheiden. Die Kommission schlägt eine Änderung der Verordnung über die Normung vor, mit der die Governance des europäischen Normungssystems verbessert wird. Zwar wird das europäische System offen, transparent, inklusiv und unparteiisch bleiben, doch sieht der Vorschlag vor, dass Aufträge, die den europäischen Normungsorganisationen von der Kommission erteilt werden, von den nationalen Delegierten – den nationalen Normungsgremien – der EU- und EWR-Mitgliedstaaten zu bearbeiten sind. Dadurch wird jegliche unangemessene Einflussnahme von Akteuren aus Ländern außerhalb der EU und des EWR auf die Entscheidungsprozesse bei der Entwicklung von Normen für Schlüsselbereiche wie Cybersicherheit oder Wasserstoff ausgeschlossen. Die Kommission wird der Inklusivität des Systems bzw. der Rolle der KMU und der Zivilgesellschaft weiterhin besondere Aufmerksamkeit widmen. Sie fordert die europäischen Normungsorganisationen auf, ihre Governance-Strukturen zu modernisieren, und wird ein Peer-Review-Verfahren mit den Mitgliedstaaten und den nationalen Normungsorganisationen auf den Weg bringen, das auf mehr Inklusivität, auch zugunsten von Zivilgesellschaft und Nutzern, und KMU-freundliche Bedingungen im Bereich der Normung abzielt. Gleichzeitig wird die Kommission die Bewertung der Verordnung über die Normung auf den Weg bringen.

Stärkere Führungsrolle Europas bei globalen Normen: Die Kommission wird im Rahmen des Forums gemeinsam mit den EU-Mitgliedstaaten und den nationalen Normungsgremien einen neuen Mechanismus einrichten, um Informationen auszutauschen und den europäischen Ansatz für die internationale Normung zu koordinieren und zu stärken. Sie strebt auch eine stärkere Koordinierung zwischen den EU-Mitgliedstaaten und gleich gesinnten Partnern an. Die EU wird Normungsprojekte in afrikanischen Ländern und in den Nachbarschaftsländern finanzieren.

Förderung der Innovation: Die Kommission schlägt vor, das Potenzial der EU-finanzierten Forschung besser auszuschöpfen, um Innovationsprojekte durch Normungstätigkeiten aufzuwerten und den Normungsbedarf frühzeitig zu antizipieren. Es wird ein "Standardisation Booster" eingerichtet, um Forschende im Rahmen von Horizont 2020 und Horizont Europa dabei zu unterstützen, die Relevanz ihrer Ergebnisse für die Normung zu testen. Bis Mitte 2022 soll ein europäischer Verhaltenskodex für Forschende im Bereich Normung ausgearbeitet werden, um Normung und Forschung/Innovation im Wege des Europäischen Forschungsraums (EFR) stärker miteinander zu verknüpfen.

Den Generationenwechsel bei den Sachverständigen erleichtern: Normung ist auf die besten Sachverständigen angewiesen, und Europa steht vor einem Generationenwechsel. Die Kommission wird akademische Kreise stärker für Normen sensibilisieren und dafür zum Beispiel künftig EU-Hochschultage und Ausbildungsmaßnahmen für Forschende organisieren.
Quelle: EU-Kommission

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Text: / handwerksblatt.de

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