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HWK des Saarlandes | November 2025
Meistervorbereitungskurs Teil III: Wirtschaft und Recht
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"Das Handwerk lebt mit einer reichen Tradition, die es zu bewahren und auszugestalten gilt", sagt Rolf Stober zum 125. Jubiläum der Selbstverwaltung im Handwerk. (Foto: © Oleg Dudko/123RF.com)
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November 2025
Im Interview spricht Prof. Dr. Dr. Rolf Stober über die Selbstverwaltung des Handwerks. Er blickt zurück, ordnet aktuelle Herausforderungen ein und wagt einen Blick in die Zukunft.
Vor 125 Jahren entstand die Selbstverwaltung des Handwerks. Seitdem begleiten die Handwerkskammern seine Entwicklung – als Interessenvertretung, Dienstleister und Partner der Betriebe. Prof. Dr. Dr. Rolf Stober hat sich intensiv mit dem Kammersystem auseinandergesetzt. Im Gespräch blickt er zurück, ordnet aktuelle Herausforderungen ein und wagt einen Blick in die Zukunft des Handwerks und seiner Selbstverwaltung.
DHB: Das Jahr 2025 markiert das 125. Jubiläum der Selbstverwaltung im Handwerk. Welche Bedeutung hat es für die Institutionen des Handwerks und besonders für die Kammern?
Stober: Das Handwerk lebt mit einer reichen Tradition, die es zu bewahren und auszugestalten gilt. Man denke nur an die erfolgreiche Rückvermeisterung im Jahre 2021, die mit dem Schutz des handwerklichen Kulturgutes begründet wurde. Das Handwerk unterscheidet sich erheblich von anderen Gewerben, weil es zwischen Industrie und Dienstleistung angesiedelt ist seine Kraft aus einer gewaltigen Kreativität bezieht. Warum habe ich mich bei den Handwerkskammern immer wohl gefühlt? Das Handwerk ist offen, Meister und Gesellen wirken einvernehmlich zusammen und die Atmosphäre ist bei diesem sozialen Marktwirtschaftsmodell anders als bei anderen organisierten Berufen.
DHB: Wenn Sie auf die vergangenen 20 Jahre zurückblicken: Wie hat sich das Kammersystem aus Ihrer Sicht entwickelt?
Stober: Das Kammersystem hat sich positiv entwickelt. Ich bin immer erstaunt, wie sehr es dem Handwerk im Unterschied zu anderen Gesamtinteressenvertretungen gelingt, seine sorgfältig vorgetragenen Positionen geräuschlos in die Politik zu transportieren und in Gesetze zu gießen. Insofern sind die Handwerksorganisationen vorbildhaft auch bei der Etablierung zukunftsfähiger Berufsbilder, wie die Novelle der Handwerksordnung zeigt. Vor diesem Hintergrund bin ich überzeugt, dass die Handwerkskammern Transformationen besser und schneller bewältigen als andere Berufsfelder.
DHB: Sie haben einmal gesagt: "Wenn es die Kammern nicht gäbe, müsste man sie erfinden." – Gilt diese Aussage auch heute noch unverändert?
Stober: Diese Aussage gilt heute unverändert, vor allem wenn man in das Ausland schaut. Dort wird das Handwerk nicht so sehr geschätzt wie bei uns. Ich erinnere nur an die großartigen Leistungen des Handwerks im Bereich der beruflichen Aus- und Fortbildung. Deshalb verwundert es nicht, dass die duale Berufsbildung ein Exportschlager ist.
DHB: Sie betonen oft die Rolle der Kammern als Mittler zwischen Staat und Wirtschaft. Welche aktuellen Herausforderungen sehen Sie in dieser Vermittlerfunktion?
Stober: Die von mir geprägte Formulierung der Mittlerrolle hat erfreulicherweise Eingang in die höchstrichterliche Rechtsprechung gefunden. Diese zentrale Funktion muss im Interesse einer umfassenden Gesamtinteressenvertretung des Handwerks auf allen politischen Ebenen gestärkt werden. Insbesondere geht es darum, dass das Handwerk noch mehr Einfluss auf die EU-Gesetzgebung gewinnt, um zahlreiche bürokratische Hürden für Handwerksbetriebe zu beseitigen und zu verringern.
DHB: Die Pflichtmitgliedschaft ist ein zentrales Element der Kammerstruktur. Welche Argumente halten Sie heute für die wichtigsten, um sie weiterhin zu rechtfertigen?
Stober: Die Pflichtmitgliedschaft darf nicht isoliert betrachtet werden. Sie ist im Zusammenhang mit dem Gesamtkonzept der Verfassungsordnung zu sehen. Pflichtmitgliedschaft gibt es nicht nur bei den Kammern, sondern auch für die Bürger der EU, der Bundesrepublik und der Kommunen. Ohne Pflichtmitgliedschaft mit entsprechenden Belastungen der Bürger und Unternehmen würden staatliche Organisationen und Selbstverwaltungskörperschaften nicht funktionieren. Wie hat sich ein Kammermitglied gegenüber mir einmal geäußert: "Die Kammer sorgt dafür, dass alles läuft." Die Pflichtmitgliedschaft kann damit gerechtfertigt werden, dass es zum Ausgleich die Option einer demokratischen Mitwirkung durch Wahlen sowie aktive Mitgestaltung in Vollversammlungen, Ausschüssen und bei Prüfungen gibt. Die Kammern verfügen über zahlreiche, im Laufe der Zeit gewachsene, Alleinstellungsmerkmale in Gestalt von Kompetenzen, die eine unternehmens- und ortsnahe Erledigung garantieren. Insofern mäßigt die Selbstverwaltung Staatsgewalt und verringert den Abstand zwischen Normgeber und Normadressat.
DHB: Sie haben die Kammern stets aufgefordert, ihre Leistungen besser darzustellen. Was sind für Sie die überzeugendsten Wege, dies gegenüber der Öffentlichkeit und den Betrieben sichtbar zu machen?
Stober: Die Kammern haben, soweit ersichtlich, ein Image- und Performanceproblem. Sie wuchern gegenüber den Mitgliedern nicht mit den Pfunden, die sie tatsächlich verkörpern. Zur Verbesserung der Ausgangslage empfehle ich die Mitgliederöffentlichkeit von Vollversammlungen einschließlich einer Digitalisierung sowie ein bei der Hauptgeschäftsführung angesiedeltes konsequentes Beschwerde-, Petitions- und Compliancemanagement. Nur diese Instrumente können sicherstellen, dass die Mitglieder ihre Informations-, Transparenz- und Kontrollfunktion angemessen wahrnehmen können.
DHB: Viele Betriebe fragen: "Was bringt mir die Kammer?" – Wie würden Sie einem jungen Handwerksmeister die Vorteile erklären?
Stober: Ich würde jungen Handwerksmeisterinnen und Handwerksmeistern empfehlen, einmal bei der Kammer vorbeizuschauen und sich über die Vielfalt der Beratungs-, Förderungs-, Fortbildungs-, Krisenvermeidungs- und Streitbeilegungsangebote zu informieren und persönlichen oder digitalen Kontakt mit einzelnen Abteilungen aufzunehmen. Dann werden Start-ups sehr schnell merken, wie wichtig und sinnvoll die Unterstützung der Kammern für die tägliche Arbeit ist.
DHB: Wie können Kammern ihre Rolle als Dienstleister für die Betriebe noch stärker ausfüllen?
Stober: Im Kern geht es darum, die Handwerksbetriebe zu entlasten, damit sie sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können. Davon sind wir noch weit entfernt, obwohl die Kammern der gewerblichen Wirtschaft zutreffend als Servicestellen und Rathäuser der Wirtschaft bezeichnet werden. Wie ist die Realität? Theoretisch besteht aufgrund der bundesrechtlichen Gesetzeslage schon heute die Möglichkeit, dass Handwerker Anzeigen, Anträge usw. bei den Kammern abgeben können, die dann an die zuständigen Stellen weitergeleitet werden. Aber selbst dieser erste Entlastungsschritt funktioniert nicht optimal. Denn das Land NRW hat diese sogenannte "einheitliche Stelle" nicht bei den Handwerkskammern eingerichtet, sondern bei der Bezirksregierung Detmold zentralisiert. Diese Konzentration widerspricht der Idee der ortsnahen und probelmnahen Selbstverwaltung. Hinzu kommt, dass überregional tätige Betriebe in anderen Bundesländern abweichende Lösungen vorfinden. Es besteht also ein Flickenteppich, der einen zusätzlichen Informationsaufwand seitens der Handwerksbetreibe erfordert. Viel wichtiger wäre aber eine Verschlankung und Konzentrierung des Genehmigungsmanagements. An dieser Umsetzung sollten die Handwerkskammern arbeiten, um ihren Mitgliedern einen wirksamen Dienst zu erbringen, der die Kammerzufriedenheit sicherlich fördert.
DHB: Welche Risiken sehen Sie, wenn die Selbstverwaltung der Wirtschaft geschwächt oder gar abgeschafft würde?
Stober: Kammern sind zwar nicht verfassungsrechtlich garantiert und werden auch auf der EU-Ebene nur vage angesprochen. Sie haben sich aber in der Vergangenheit bewährt und sind ein Zukunftsmodell. Deshalb werden den Kammern immer mehr Aufgaben zur Erledigung übertragen, die den Staat entlasten und den Betrieben vor Ort nutzen. Kammern sind deshalb heute systemrelevant. Ihre Schwächung oder Abschaffung würde vor allem dazu führen, dass die Fachexpertise des handwerklichen Ehrenamtes verloren ginge. Das würde eine zusätzliche staatliche Bürokratisierung und mehr Kosten verursachen.
DHB: Was bedeutet für Sie eine "zukunftsfähige Kammer" – und welche Kernaufgaben müssen dabei im Vordergrund stehen?
Stober: Zukunftsfähigkeit bedeutet, dass sich die Selbstverwaltung neuen Aufgaben mutig stellen und die Handwerksbetriebe dabei unterstützen muss, neue Herausforderungen zu meistern. Dazu bedarf es einer großen Portion an Kreativität, die aber ohnehin ein klassisches Merkmal meisterlicher Beherrschung von traditioneller und moderner Technik ist. Ich mache mir überhaupt keine Sorgen, dass das Handwerk bei guter Zusammenarbeit zwischen Haupt- und Ehrenamt, Meistern, Gesellen aus Auszubildenden neue Aufgaben mit Bravour bewerkstelligen wird.
DHB: Was erwarten Sie von Kammern, wenn es um die Interessenvertretung gegenüber der Politik geht?
Stober: Ich habe bereits betont, dass das Handwerk das Ohr der Politik hat. Aber bekanntlich wird Rechts- und Handwerkspolitik heute zunehmend in Brüssel, Straßburg und Luxemburg gemacht. Deshalb reicht es nicht aus, dass die Handwerksorganisationen dort ihre Vertretungen haben. Es fehlen durchsetzbare Anhörungs-, Beratungs- und Mitwirkungsrechte. Zwar müssen die Kammern loyal EU-Recht umsetzen. Das ist aber eine Einbahnstraße, auf der die Gesamtinteressen des Handwerks zu kurz kommen. Deshalb muss das bereits seit 2001 existierende Konzept der EU-KO-Regulierung endlich wirksam umgesetzt werden.
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