Als Gastgeber in Münster begrüßten Hauptgeschäftsführer Thomas Banasiewicz (HWK, l.) und Präsident Volker Kaiser (Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe, 2. v. r.) den IFK-Vorsitzenden Prof. Dr. Winfried Kluth (r.) und den Wirtschaftsrechtswissenschaftler Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Rolf Stober (2. v. l.).

Als Gastgeber in Münster begrüßten Hauptgeschäftsführer Thomas Banasiewicz (HWK, l.) und Präsident Volker Kaiser (Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe, 2. v. r.) den IFK-Vorsitzenden Prof. Dr. Winfried Kluth (r.) und den Wirtschaftsrechtswissenschaftler Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Rolf Stober (2. v. l.). (Foto: © HWK Münster)

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Kammerrechtstag Münster: Bürokratische Herausforderungen

Betriebsführung

Wir haben den Kipppunkt erreicht." So erklärte Prof. Dr. Winfried Kluth die Auswirkungen von Bürokratie­lasten auf dem diesjährigen Kammerrechtstag in der Handwerkskammer Münster.

Das Institut für Kammerrecht (IFK) aus Halle an der Saale hatte zum diesjährigen Kammerrechtstag in der Handwerkskammer Münster eingeladen. Mit zehn weiteren Experten und Teilnehmern aus ganz Deutsch­land wurden aktuelle Herausforderungen und Grundsatzfragen für die ­Arbeit von Wirtschafts- und Berufskammern erörtert.

Bürokratie als Existenzbedrohung für Unternehmen

Bürokratie sei für viele Unternehmen längst zur existenziellen Belastung geworden – mit Folgen wie sinkenden Investitionen, Resignation und Betriebsschließungen, weiß Kluth, der die von ihm verfasste Studie "Bürokratiefilter für den Gesetzgeber" der Stiftung Familienunternehmen vorstellte. Statt Entlastung erlebten die Betriebe in der Praxis das Gegenteil: "Ein Gesetz fällt weg, drei neue kommen hinzu", so Kluth. Bereits 1914 sei Bürokratieabbau Thema gewesen. Max Weber habe Bürokratie als "Machtmittel ersten Ranges" bezeichnet. Heute sei die Regelungsdichte so groß wie nie. Besonders kleine und mittlere Unternehmen spürten die Auswirkungen – ihnen bleibe weniger Personal für die eigentliche Produktion.

Ein wesentlicher Treiber sei die Verwaltungspraxis. Aus Angst vor Fehlern würden Spielräume nicht genutzt. "Bürokratie ist immer auch ein Ausdruck von Misstrauen", so Kluth. Häufig seien Behörden darauf bedacht, sich abzusichern, was die Belastungen zusätzlich verschärfe. Kluth nahm bei der Untersuchung, wo und wann Bürokratie entstehe, auch Kammern nicht aus. Er ermunterte zur Nutzung von Spielräumen und zur Reflexion: Wann ist die Verwaltung strenger als das Gesetz?

Um gegenzusteuern, forderte Kluth einen grundlegenden Wandel im Gesetzgebungsprozess. Ministerien müssten Kapazitäten schaffen, um Stellungnahmen von Verbänden einzuholen. Gesetzesvorhaben sollten regelmäßig durch Praxischecks geprüft werden, die von einem Netzwerk von Unternehmen begleitet ­würden. Der Nationale Normenkontrollrat könne diese Rolle nicht übernehmen; stattdessen brauche es quali­fiziertes Personal in den Ressorts. Bürokratie­abbau sei "Chefsache". Zudem sollten Experimentierklauseln gesetzlich verankert werden, um neue Regelungen vor ihrer Verbindlichkeit zu testen.

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"Zeit für Qualität" bei Gesetzen und Verträgen


Darüber hinaus sei ein Mentalitätswandel erforderlich. Bürokratieabbau müsse als positive Kraft verstanden werden, die Ressourcen für Innovation und Transformation freisetzt. "Zeit für Qualität" sei entscheidend – nicht nur bei Gesetzen, sondern auch bei Koalitionsverträgen. Wenn diese in kurzer Zeit mit wenig Sachverstand zu detaillierten Arbeitsprogrammen verdichtet würden, entstünden langfristig schädliche Regelungen.


Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Rolf Stober aus Münster ordnete die Kammern in eine "Sandwichposition" ­zwischen Gesetzgeber, Aufsicht, Rechtsprechung und Mitgliedern ein. Gerade diese Rolle mache sie unverzichtbar für das Funktionieren des Systems. Der Berliner Politikwissenschaftler Dr. Holger Kolb beleuchtete die Rolle der Kammern bei der Fachkräfteeinwanderung. Sie seien zentrale Partner bei der Gleichwertigkeitsfeststellung ausländischer Berufsabschlüsse und könnten Behörden künftig auch bei der Bewertung von Berufserfahrung unterstützen.

Cem Sentürk vom Zen­trum für Türkeistudien und Integrationsforschung (­Essen) stellte eine Studie zur stärkeren Beteiligung von Migrantinnen und Migranten in Kammergremien vor. Beispielsweise seien 2018 bereits 39 Prozent der Unternehmensgründungen in NRW von ausländischen Staatsbürgern initiiert worden – ein Potenzial, das stärker in die Selbstverwaltung eingebunden werden solle. Dass die Mitwirkung im Ehrenamt auch mit Pflichten verbunden sei, betonte Dr. Patrick Kosney vom Ludwig-Fröhler-Institut (München) bei der Präsentation seiner Promotion zum Rechtsrahmen des Ehrenamtes in Kammern.

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Text: / handwerksblatt.de

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