Sechs Handwerker erhalten Preis für angewandte Kunst und Design
NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur hat in Dortmund den Staatspreis Manufactum NRW für angewandte Kunst und Design im Handwerk für sechs herausragende Leistungen für handwerkliche Kunst und Design verliehen.
Alle zwei Jahre vergibt das Land Nordrhein-Westfalen den Staatspreis Manufactum NRW für angewandte Kunst und Design im Handwerk. NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) ehrte in diesem Jahr sechs Preisträger in verschiedenen Kategorien im Dortmunder Rathaus. In ihrer Laudatio würdigte sie die Perfektion, die gestalterische Präzision und den innovativen Charakter der Arbeiten. Besonders hob sie die handwerkliche Fähigkeit hervor, den gesamten Entstehungsprozess – von der ersten Idee bis zum fertigen Objekt – eigenverantwortlich so zu planen, zu gestalten und umzusetzen, dass dabei neue Lösungen entstehen.
"Handwerk heißt nicht nur, geschickt mit Werkzeugen umzugehen – es geht um Ideen, Weitblick und echte Leidenschaft", so Neubaur. Die Preisträger zeigten, wie innovativ und spannend Handwerk sein kann. "Das ist Handwerkskunst made in NRW – bodenständig, klug und zukunftsorientiert." Berthold Schröder, Präsident des Westdeutschen Handwerkskammertags (WHKT) ergänzte: "Allen Staatspreisträgerinnen und Staatspreisträgern sowie Ausstellenden gratuliere ich mit voller Begeisterung und kann nur empfehlen, sich die Ausstellung anzuschauen."
Die diesjährigen Preisträger sind:
Berthold Schröder, Julian Braun, Mona Neubaur (v. l.) Foto: © RG / WHKTKategorie Bild- & Druckmedien: Julian Braun aus Köln
Werkstück: Dunkel War's
Begründung der Jury: Die Arbeit besteht aus einer im Buchbindehandwerk gebauten und mit Buchbindeleinen bezogenen Grafikmappe zur Aufbewahrung der innenliegenden, im Sieb- und Hochdruckverfahren hergestellten Originaldruckgrafiken. In der Mappe befinden sich die Textabschnitte zum Gedicht "Dunkel war‘s, der Mond schien helle" in 15 Einzelblättern, eine weitere Fassung in Heftform sowie die originale, geschnittene Linoldruckplatte des Titelblattes. Die Jury überzeugte vor allem der experimentelle, textbezogene Umgang mit Schrift und die Komposition der einzelnen Blätter in ihrer typografischen Vielfalt. Die als Typografiken bezeichneten Drucke machen den hohen Stellenwert von Schriftgestaltung in dieser Arbeit qualitativ und gestalterisch sensibel erfahrbar. Durch den intensiven, analogen Entstehungsprozess jedes einzelnen Blattes intensiviert sich die Auseinandersetzung mit dem Geschriebenen. Durch die beigefügte Druckplatte wird der Prozess für Betrachtende nachvollziehbar.
Berthold Schröder, Gabi Mett, Mona Neubaur (v. l.) Foto: © RG / WHKTKategorie Kleidung & Textil: Gabi Mett aus Essen
Werkstück: B 51°23´19.123´´ L7° 0´57.843´´
Begründung der Jury: Die Arbeit "B 51°23´19.123´´ L7° 0´57.843´´" besticht durch die Symbiose von Bildmotiv, Material und handwerklicher Ausführung. Die Methode, regionale Erdpigmente mit Sojamilch nach altem japanischem Rezept zu binden, wurde von Gabi Mett in vielen Schritten weiterentwickelt, sodass sie licht- und waschecht ist und professionell eingesetzt werden kann. Die Landschaft, aus der die Erden stammen, dient als abstraktes Motiv. Auf subtile Weise wird mit Erdpigmenten auf feinem, mit Sojamilch präpariertem Baumwollgrund gemalt, gedruckt und abgeformt. Sehr feinsinnig reagiert Gabi Mett anschließend mit Stickerei und Applikation auf ihre eigene Pigmentmalerei mit Schraffuren, Linien und Konturen. Die Arbeit überzeugte die Jury durch einen ebenso hohen Qualitätsanspruch an den künstlerischen Ausdruck wie an die handwerkliche Umsetzung unter besonderer Berücksichtigung der persönlichen Materialentwicklung.
Berthold Schröder, Paul Vietz, Mona Neubaur (v. l.) Foto: © RG / WHKTKategorie Möbel: Paul Vietz aus Aachen
Werkstück: Fleco II
Begründung der Jury: "Fleco II" ist ein frei im Raum stehendes Regalmöbel, das auch als Raumteiler dienen kann. Es zeigt seine Konstruktion selbstbewusst. Die leimfreie Konstruktion kommt beim Aufbau ohne zusätzliche Verbindungsmittel und völlig werkzeugfrei aus. Senkrecht durch die Zargen gespannte Beine erzeugen eine verblüffende Stabilität. Durch eine ausgeklügelte Klemmverbindung halten sich Beine und Zargen. Die eingesteckten Quertraversen halten die Regalböden aus MDF in Position. Das ideal für diesen Zweck ausgewählte Holz Esche ermöglicht den Einsatz einer minimalen Materialstärke. Senkrechte und horizontale Linien strahlen Ruhe aus und bieten Raum für allerlei Dinge des Alltags. Die Leichtigkeit der Konstruktion, eine sorgfältig abgestimmte Materialwahl und vor allem die innovative Verbindung dieses Regals überzeugten die Jury.
Berthold Schröder, Anke Wolf, Mona Neubaur (v. l.) Foto: © RG / WHKTKategorie Objekt & Skulptur: Anke Wolf aus Stolberg
Werkstück: Stillleben
Begründung der Jury: Vergänglichkeit, Zerbrechlichkeit und der natürliche Alterungsprozess sind wesentliche Merkmale der dreiteiligen Glas-Objektserie "Fallobst-Äpfel". Sie wurde in der alten pâte-de- verre-Technik gefertigt, die vor allem aus dem Jugendstil bekannt ist. Der Arbeitsprozess besteht aus mehreren Schritten. Nach dem Erstellen der Grundform wird diese mit einem Gemisch aus Gips, Quarzmehl und Schamott in drei bis vier Schichten abgegossen. In der Abgussform wird das pâte-de-verre-Gekröse verteilt, verdichtet und nach der Trocknung bei 820 Grad Celsius gebrannt und langsam abgekühlt. Die gewünschte Fragilität, Farbigkeit und Löchrigkeit – um den Alterungsprozess durch diese spezielle Technik darzustellen – wird durch die Materialauswahl besonders gut zum Ausdruck gebracht. Sie nimmt die Ästhetik des Verfalls auf und bewahrt die Schönheit des Vergänglichen. Der Jury gefiel besonders die Verbundenheit von Materialauswahl und Motiv. Sie zeigt sich durch den eher ungewöhnlichen Wunsch des Nicht-Berühren-Wollens – weder faulendes Fallobst noch zerbrechliches Glas möchte man anfassen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.
Berthold Schröder, Uta K. Becker, Mona Neubaur (v. l) Foto: © RG / WHKTKategorie Wohnen & Außenbereich: Uta K. Becker aus Hoffnungsthal
Werkstück: Dual
Begründung der Jury: Die Arbeit "Dual" besteht aus zwei Gefäßen, die jeweils zwei verschiedene Funktionen vereinen. Die perfekt gebauten Gefäße greifen Dualitäten wie glasiert/unglasiert, rau/geglättet auf und spielen mit diesen Gegensätzen. Gefertigt in der Raku-Brenntechnik, bei der es zumeist um zufällige Brenn- und Farbeffekte geht, erreicht Uta K. Becker eine Perfektion, die es ihr erlaubt, gezielt durch eine starke Nachreduktion ein tiefes, metallisch schimmerndes Schwarz zu erzeugen, das im Gegensatz zu den weiß-grauen, glasierten Flächen steht. In der Reduktion von Form und Farbe entsteht eine Komposition von großer Klarheit, ein Spiel von Gegensätzen mit der Einladung, die Gefäße in unterschiedlicher Weise zueinander in Beziehung zu setzen. Die Jury beeindruckte besonders die souveräne Beherrschung der Raku-Brenntechnik sowie die formal perfekte Ausführung der keramischen Formen.
Berthold Schröder, Zohair Zouirech, Mona Neubaur (v. l.) Foto: © RG / WHKTSonderpreis in der Kategorie Objekt & Skulptur: Zohair Zouirech aus Düsseldorf
Werkstück: Ornament zwischen Hoffnung und Verbrechen
Begründung der Jury: Ausgangspunkt der Arbeit von Zohair Zouirech ist das Ornament in der islamischen Kunst und die Auseinandersetzung mit der ornamentlosen Ästhetik Europas zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Papier dient dabei als zentrales Medium. Präzise Faltungen und feine Einschnitte erzeugen ein vielschichtiges Spiel von Licht und Schatten. So gewinnt die Installation eine lebendige, räumliche Tiefe und wirkt zugleich fragil und kraftvoll. Die freistehende Struktur entfaltet sich als ein offener, inspirierender Raum – ein Ort der Begegnung und des Dialogs, groß genug, damit Menschen darin verweilen, sich bewegen und miteinander in Kontakt treten können. Die Jury überzeugte insbesondere die eindrucksvolle räumliche Wirkung, die durch das Falten und Einschneiden von Papier erzielt wurde. Das fein durchdachte Muster, sensibel entwickelt und sorgfältig ausgewählt, verleiht dem Werk eine stille Poesie. Aus dem scheinbar einfachen Material Papier und reduzierten geometrischen Formen entsteht ein architektonischer Raum – ein Möglichkeitsraum für Begegnung, für bewusstes Wahrnehmen der Umwelt, für ein inspiriertes Durchschreiten.
Schirmherr des Staatspreises ist NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Er sendete Glückwünsche an die Preisträger: "Vielfalt in Kunst und Kultur ist so typisch für unser Land Nordrhein-Westfalen. Das zeigen auch die zahlreichen Werke, die zum Wettbewerb für den Staatspreis Manufactum NRW eingereicht wurden. So vielfältig sie auch sind, sie alle verbindet ein modernes Design und traditionelle Handwerkskunst. Allen Künstlerinnen und Künstlern danke ich mit großem Respekt dafür, dass sie uns an ihrem Können und ihren Ideen teilhaben lassen – ihre Werke sind Ausdruck der lebendigen Handwerkskunst unseres Landes und inspirieren Kunstbegeisterte weit über Nordrhein-Westfalen hinaus."
AusstellungBis zum 21. September 2025 kann die Ausstellung Manufactum im Museum für Kunst und Kulturgeschichte in Dortmund besucht werden.
Öffnungszeiten:
Mittwoch und Donnerstag: 11:00–20:00 Uhr
Freitag bis Sonntag: 11:00–18:00 Uhr
Montag und Dienstag: geschlossen
Ein digitaler Ausstellungskatalog mit allen Exponaten ist unter staatspreis-manufactum.de abrufbar. Während der Ausstellungszeit können neben den öffentlich angebotenen Führungen auch individuelle Führungen gebucht werden. Alle Infos sowie das gesamte Begleitprogramm zur Ausstellung finden Sie auf der Website des Museums und bei Manufactum.
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Text:
Lars Otten /
handwerksblatt.de
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