Derzeit zahlen viele Handwerker trotz Selbstständigkeit in die gesetzliche Rentenkasse ein, der ZDH möchte das ändern.

Derzeit zahlen viele Handwerker trotz Selbstständigkeit in die gesetzliche Rentenkasse ein, der ZDH möchte das ändern. (Foto: © Tatiana Popova/123RF.com)

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Pflichtversicherung nicht mehr zeitgemäß

Sie hat bereits 75 Jahre auf dem Buckel: Bereits 1938 wurde die Handwerkerrenten-Pflichtversicherung eingeführt. 18 Jahre müssen viele Handwerker deshalb in die gesetzliche Rentenkasse einzahlen.

Die Gründe erläutert ZDH-Experte Jörg Hagedorn:

DHB:Derzeit müssen viele Handwerker trotz Selbstständigkeit in die gesetzliche Rentenkasse einzahlen, zumindest 18 Jahre lang. Der ZDH will das ändern. Warum?
Hagedorn:
Die 1938 eingeführte Handwerkerrentenversicherungspflicht ist heute nicht mehr zeitgemäß und stellt aus Sicht der Betroffenen eine Benachteiligung dar. Sie gilt für Betriebsinhaber der Anlage A-Gewerke der Handwerksordnung, nicht aber für die meisten anderen Selbstständigen in Deutschland. Die selbstständigen Handwerker sind jedoch gerade nicht besonders schutzbedürftig. Im Gegenteil: Sie verfügen aufgrund ihrer umfassenden Aus- und Weiterbildung über eine besondere Qualifikation, um ihre Selbstständigkeit zu organisieren und damit auch ausreichende Eigenvorsorge zu betreiben. Objektiv betrachtet sind in Deutschland zahlreiche andere Selbstständige weitaus schutzbedürftiger, zum Beispiel Kioskbesitzer. Obendrein können auch Handwerker die Versicherungspflicht umgehen, wenn sie eine Kapitalgesellschaft gründen. Früher war das nicht so einfach möglich, weil man da zur Gründung einer GmbH mindestens 25.000 Euro brauchte. Heute reicht dazu ein Euro Startkapital. Dass man allein mit dieser Rechtsform die Versicherungspflicht umgehen kann, hat damit jegliche Plausibilität eingebüßt.

DHB: Das Bundesarbeitsministerium will künftig alle Selbstständigen verpflichten, fürs Alter vorzusorgen. Allerdings sollen sie selbst über das Wie entscheiden. Brächte das Kostenvorteile für Handwerksbetriebe?
Hagedorn: Der monatliche Beitrag würde sich im Vergleich zum Regelbeitrag der Handwerker-Rentenversicherung, der derzeit in den alten Bundesländern bei rund 510 Euro liegt, ungefähr halbieren. Dafür gäbe es aber keine Befreiungsmöglichkeit mehr nach 18 Jahren. Die Kosten sind aber nicht der entscheidende Aspekt. Wichtiger ist, dass für alle Selbstständigen eine Wahlfreiheit zwischen der gesetzlichen und privaten Rentenversicherung besteht, so dass jeder entsprechend seinen Bedürfnissen vorsorgen kann.

DHB:Die Anbieter kapitalgedeckter Renten- und Lebensversicherungen leiden derzeit unter den niedrigen Zinsen. Ist vor diesem Hintergrund ein Verzicht auf die gesetzliche Rente wirklich empfehlenswert?
Hagedorn: Der Fokus sollte nicht nur auf der Zinsentwicklung liegen, sondern auch auf dem Umfang der Absicherung. Wünscht sich ein Unternehmer die Einbeziehung auch des Erwerbsminderungsrisikos, Rehabilitations- und Hinterbliebenenleistungen, so könnte die gesetzliche Rentenversicherung durchaus weiterhin attraktiv für ihn sein. Wünscht er dagegen eine reine Altersvorsorge, so dürfte trotz der derzeitigen Niedrigzinsen der Abschluss einer kapitalgedeckten Renten- bzw. Lebensversicherung sinnvoller und attraktiver sein. Die Möglichkeit, weiter in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen, bleibt ja bestehen. In jedem Fall sollte der Selbstständige sich vorab umfassend informieren und beraten lassen.

DHB:Seit einem ersten Vorschlag im vergangenen Jahr sind die Pläne der Regierung nicht weiter vorangekommen. Wie zuversichtlich sind Sie, dass die Handwerkerrentenpflichtversicherung tatsächlich abgeschafft wird?
Hagedorn: Der ZDH setzt sich weiterhin für die Abschaffung der Handwerkerrentenversicherungspflicht ein. Dass dies noch in dieser Legislaturperiode passiert, halte ich inzwischen aber für unwahrscheinlich.

DHB: Aber Sie glauben, es wird passieren?
Hagedorn: Wohl nicht mehr in diesem Jahr. Aber ich kann mir schon vorstellen, dass zumindest mittel- bis langfristig die Handwerkerpflichtversicherung in ihrer gegenwärtigen Form nicht mehr aufrechterhalten werden kann, weil sie aus den erwähnten Gründen nicht mehr schlüssig ist. 

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Das Interview führte Barbara Schäder  

Jörg Hagedorn ist Rechtsanwalt und Diplom-Verwaltungswirt mit Schwerpunkt im Arbeits- und Sozialrecht. Der 47-Jährige leitet beim ZDH die Abteilung Soziale Sicherung, dazu gehören die Themen gesetzliche, betriebliche und private Altersvorsorge, Kranken- und Pflegeversicherung, Unfallversicherung und Arbeitsschutz sowie allgemeines Sozialversicherungsrecht.

Text: / handwerksblatt.de

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