Sturz während einer Ausbildungsfahrt ist ein Arbeitsunfall
Was während einer Ausbildungsmaßnahme stattfindet und mit der Ausbildung zusammenhängt, ist unfallversichert. Auch ein Sturz, bei dem der Azubi sich beschwipst unvernünftig verhalten hat.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Arbeitsunfälle und die Folgen
Ein Auszubildender fiel vom Dach einer Jugendherberge, in der er während einer Ausbildungsfahrt wohnte. Das ist als ein Arbeitsunfall zu werten, stellte das Landessozialgericht Baden-Württemberg klar.
Der Fall
Ein 17-Jähriger absolvierte eine von der Bundesagentur für Arbeit geförderten Ausbildung zum Fachpraktiker Hauswirtschaft. Später organisierte die Bundesagentur eine dreitägige Einführungsveranstaltung für Azubis. Elf Jugendliche aus verschiedenen Bereichen nahmen daran teil. Am Abend schickten ihn die Betreuer in leicht beschwipstem Zustand aus dem Mädchenzimmer weg. Anschließend versuchte der 17-Jährige, über das Dach zurückzukommen. Dabei stürzte aus acht Metern Höhe zu Boden und verletzte sich schwer. Sein linker Arm ist seither nur noch eingeschränkt beweglich.
Von der Berufsgenossenschaft als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung verlangte der Azubi die Übernahme der Heilbehandlungskosten und Verletztengeld.
Zuerst erkannte die Versicherung den Sturz als Arbeitsunfall an, später verlangte sie aber das Geld zurück. Sie argumentierte: Zwar habe es sich hier um eine Ausbildungsfahrt zu einem Einführungsseminar der Bundesagentur für Arbeit gehandelt, die im Prinzip unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehe. Dass aber der Auszubildende versucht habe, betrunken über das Dach ins Mädchenzimmer zu klettern, hänge nicht mit der Ausbildung zusammen. Diese Aktion sei rein privat motiviert gewesen und nicht unfallversichert.
Das Urteil
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg gab dem Azubi recht und sah hier einen Arbeitsunfall. Alles, was während einer von der Bundesagentur geförderten Ausbildungsmaßnahme stattfinde und mit der Ausbildung zusammenhänge, sei unfallversichert. Dazu gehöre auch die Kletteraktion, auch wenn sich der Auszubildende äußerst unvernünftig und riskant verhalten habe. Diese Aktion und damit auch der Sturz sei auf jugendliche Unreife zurückzuführen und auf einen gruppendynamischen Prozess, der für Auszubildende in diesem Alter typisch sei.
Auch der geringfügige Alkoholkonsum ändere nichts an dieser Einschätzung. Alkoholkonsum sei zwar in Jugendherbergen verboten. So ein Bagatellverstoß lasse aber nicht den Versicherungsschutz entfallen, zumal der Junge nur leicht angetrunken gewesen sei und keine Ausfallerscheinungen zeigte.
Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 14. Dezember 2021, Az. L 9 U 180/20
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Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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