Die Leitung des Familienbetriebs hat Thomas Truckenbrod bereits an seine Tochter Carolin übergeben. Anlass waren das 100-jährige Jubiläum, sein nahender 60. Geburtstag und dass sich der Leipziger gerne mehr um seine beiden Enkel kümmern möchte. Nun sucht er auch noch einen Nachfolger für den Posten beim Zentralverband der Augenoptiker und Optometristen (ZVA). Auf dem Verbandstag in Dresden wird er zwar für weitere drei Jahre als Präsident kandidieren, doch danach ist Schluss. Stellt sich die Frage: Wäre es nicht an der Zeit, dass auch im Ehrenamt eine Frau den Job an der Spitze des ZVA übernimmt?
DHB: Truckenbrod Augenoptik ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Wie hat sich der Wechsel vollzogen?
Carolin Truckenbrod: Ich bin Ende 2013 in die GbR unter der Leitung meines Vaters eingestiegen. Seit dem 1. Juni 2019 führe ich den Betrieb. Natürlich bleiben wir weiterhin gleichberechtigte Partner, aber ich trage nun stärker die fachliche Verantwortung.
Thomas Truckenbrod: Das war auch schon bei mir und meinem Vater so. Diese Politik des sanften Übergangs hat sich bewährt, weil die Kunden keinen starken Bruch spüren. Das ist wie beim Abendprogramm im Radio: Der eine Musiktitel klingt sachte aus und blendet in das neue Lied über.
DHB: Ist Ihnen die Entscheidung, in den Familienbetrieb einzusteigen, leichtgefallen?
Carolin Truckenbrod: Nachdem ich in England den Master in Augenheilkunde gemacht habe, bin ich 2013 nach Leipzig zurückgekehrt und habe kurze Zeit an der Uni unterrichtet. Es hat mir richtig viel Spaß gemacht, Lehrerin und Optikerin zu sein. Ich bin froh, dass zu dieser Zeit auch die Frage meines Vaters im Raum stand, ob ich ins Geschäft einsteigen will. Ich habe mich dann sehr bewusst für den Betrieb und damit gegen ein gutes Angebot der Uni entschieden. Allerdings bin ich nicht ganz raus aus der Lehre. In unserem Schulungsraum gebe ich Seminare für Optiker.
DHB: Worum geht es darin?
Carolin Truckenbrod: Zurzeit sind die Konditionen für Kredite günstig. Viele Optiker kaufen sich mit dem Geld alle möglichen Geräte. Damit kann man zwar vieles messen, aber man muss diese Daten auch mit den Problemen der Kunden verknüpfen können. Daran hapert es nach meiner Erfahrung häufig. In den Vorträgen zeige ich, dass man kein teures Equipment braucht, sondern sein Fachwissen vertiefen und verfeinern sollte.
DHB: Wie sind die Aufgaben innerhalb des Betriebs nun verteilt?
Carolin Truckenbrod: Mein Vater kümmert sich um die Betriebswirtschaft und als ZVA-Präsident um die Berufspolitik. Meine Mutter organisiert den Einkauf der Brillenfassungen und die Dienstplanung. Ich konzentriere mich eher auf die medizinische Seite. In England durchlaufen die Augenoptiker beim Master-Studium gemeinsam mit den angehenden Augenärzten zwei Jahre der Facharztausbildung. Dieses Wissen kann ich nun an unsere Kunden weitergeben.
DHB: Wie werden Entscheidungen getroffen?
Thomas Truckenbrod: Wir besprechen weiterhin alles gemeinsam. Aber wenn Carolin sagt, dass wir das jetzt in Rot machen, dann machen wir das auch in Rot.
DHB: Sie spielen auf die farbliche Gestaltung des Ladens an. War das Ihr erster Akzent?
Carolin Truckenbrod: Genau. Das war auch so ein sanfter Übergang. Unser Geschäft war jahrelang in Blau gehalten. Als ich in unseren Betrieb eingestiegen bin, war für meine vielen optometrischen Geräte aber kein Platz. Zum Glück ist dann nebenan ein Laden frei geworden, der aber nicht mit unserem Geschäft verbunden gewesen ist. Diesen separaten Raum haben wir schon im neuen, roten Design gestaltet. Vorigen Sommer haben wir beides zusammengeführt und die Corporate Identity angepasst.
DHB: Welchen Tipp haben Sie für die Übergabe des Betriebs innerhalb der eigenen Familie?
Thomas Truckenbrod: Man muss es von sich aus wollen und den Betrieb nicht nur übernehmen, um seinen Eltern einen Gefallen zu tun.
Carolin Truckenbrod: Jeder sollte sein eigenes Arbeitsgebiet haben. Bei mir waren das die optometrischen Messungen.
DHB: Demnächst steht erneut eine wichtige Entscheidung an. Im März wird das Präsidium des ZVA neu gewählt. Wie geht es im Verband für Sie weiter?
Thomas Truckenbrod: Ich werde mich in Dresden erneut für drei Jahre zur Wahl stellen, aber es wird meine letzte Amtszeit sein. Ich suche schon eine ganze Weile nach einem potenziellen Nachfolger, bin allerdings noch nicht fündig geworden.
DHB: 70 Prozent der Auszubildenden im Augenoptikerhandwerk sind weiblich. Ähnlich dürfte die Quote bei den Beschäftigten sein. Wann gibt es im ZVA die erste Präsidentin?
Thomas Truckenbrod: Das weiß ich leider nicht, aber es wäre schön, wenn wir eine Frau an der Spitze des Verbandes hätten.
DHB: Eine Übergabe haben Sie doch gerade sehr gut gemeistert. Was läge also näher, als dass Ihre Tochter den Posten übernimmt?
Thomas Truckenbrod (lacht): Wir sind doch nicht in Nordkorea!
Carolin Truckenbrod: Außerdem ist es momentan unmöglich. Ich arbeite im Betrieb, halte nebenher Vorträge und gehöre zum Innovationskreis des ZVA. Mehr ist mit zwei kleinen Kindern nicht drin. Eine Frauenquote in solchen Positionen zu fordern, ist ja gut und schön, aber es will ja keiner wahrhaben, dass das gar nicht so einfach ist. Wenn man drei Jahre lang jede Nacht nur maximal fünf Stunden geschlafen hat, dann hält sich die Begeisterung, auch noch ein Ehrenamt zu übernehmen, sehr in Grenzen. Leider hat auch mein Tag nur 24 Stunden.
DHB: Aber die Kinder werden auch mal erwachsen ...
Carolin Truckenbrod: Ich bin ja prinzipiell nicht abgeneigt, aber momentan bleibt nur Zeit, mich um das Fachliche zu kümmern, das mir sehr am Herzen liegt. Es ist aber nicht auszuschließen, dass man darüber später in die Berufspolitik rutscht.
DHB: Als Ihr Vater begonnen hat, sich in der Innung Nordwestsachsen zu engagieren, waren Sie fünf. Hatten Sie den Eindruck, dass er deshalb weniger Zeit für Sie hatte?
Carolin Truckenbrod: Mein Vater war immer für mich und meinen jüngeren Bruder da. Er ist ein Mensch, der sich zu 100 Prozent auf eine Sache konzentriert und alles andere ausblendet. Wenn er eine Augenprüfung macht, macht er sie perfekt. Wenn er beim ZVA ist, wird alles direkt erledigt. Dass bei all dem auch viel Zeit für die Familie blieb, ist vor allem das Verdienst meiner Mutter. Sie hat alles koordiniert.
Thomas Truckenbrod: Ich habe keine Lust, abends mit jedem Einzelnen die Verbandspolitik am Tresen auszuhandeln. Deshalb gibt es für mich ein Grundprinzip: Wenn wir im Verband einmal zusammensitzen, dann wird es dort auch ausdiskutiert. Ich hatte in all den Jahren aber auch das Glück, dass Haupt- und Ehrenamt super zusammengearbeitet haben.
DHB: Wie erklären Sie sich das nachlassende Interesse am Ehrenamt?
Carolin Truckenbrod: Die Politik fordert sehr viel von den Betrieben. Wenn ich etwa eine Verfahrensdokumentation für die Krankenkassen erstellen muss, mache ich nichts am Kunden und verdiene auch kein Geld damit. Insofern kann ich verstehen, wenn Kollegen so beschäftigt sind, dass sie sich nicht in einer Innung oder einem Verband engagieren können.
DHB: Aber das ist doch kontraproduktiv! Je mehr die Betriebe mit Bürokratie belastet werden, desto stärker müsste sich doch Widerstand formieren – etwa durch Innungen und Verbände.
Thomas Truckenbrod: Das stimmt. Im Ehrenamt kann man viel erreichen. Der beste Beweis ist unser Erfolg bei der Hilfsmittelrichtlinie. Wäre es nach dem Gemeinsamen Bundesausschuss gegangen, hätte man uns bei der Folgeversorgung systematisch benachteiligt. Durch eine konzertierte Aktion haben wir das Bundesgesundheitsministerium davon überzeugt, die Regelung zu unseren Gunsten zu kippen. Es ist also gar nicht so schlecht, eine Interessenvertretung wie den ZVA zu haben.
DHB: Wie kann man sich einbringen?
Thomas Truckenbrod: Ich kann nur jedem dazu raten, einfach in einer Innung oder einem Verband anzufangen. Wir freuen uns über jedes neue Gesicht und über jede neue Idee.
Text:
Bernd Lorenz /
handwerksblatt.de
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