Volker Schmitt nimmt das Projekt Unternehmensnachfolge nicht auf die leichte Schulter. Schon mit Mitte 50 hat der heute 60-Jährige erstmals darüber nachgedacht, wie die Zukunft seines Familienbetriebs einmal aussehen wird. DieSchmitt Bauunternehmung ist mit über 60 Mitarbeitenden – darunter Architekten, Ingenieure, Meister, Gesellen und aktuell sechs Auszubildende – einer der größten Arbeitgeber im Umkreis der 400-Seelen-Gemeinde Liebshausen im Hunsrück. Die Geschäftsführung trägt Verantwortung auch für viele Familien in der Region. In diesem Jahr feiert das 1932 gegründete Unternehmen sein 90-jähriges Bestehen.
Zunächst sollte ein externer Geschäftsführer einsteigen
Vor zwei Jahren hat sich Volker Schmitt eine einwöchige Auszeit in den Bergen genommen. "Verkaufen, schließen oder weitermachen – ich habe alle Varianten in Gedanken zigmal durchgespielt und war nach allen Seiten offen", erzählt er.
Er kam zu dem Entschluss, dass sein Unternehmen in der Familie bleiben soll. Ein zweiter Geschäftsführer sollte seine Tochter unterstützen, damit die Verantwortung künftig auf mehrere Schultern verteilt wird. Er engagiert einen Headhunter für die Suche nach einem externen Kandidaten.
Das Team der Bauplus GmbH Consulting rund um Gründer und Geschäftsführer Dr. Michael Rheindorf (3.v.l.) mit Bürohund Ella.. Foto: © Bauplus GmbH ConsultingWeil ihn das Vorhaben aber emotional und auch gesundheitlich an die Grenzen brachte, holte Schmitt sich Rat bei der BauPlus GmbH Consulting, eine auf die Baubranche spezialisierte Unternehmensberatung in Wesseling bei Köln, die auch eng mit den Innungen und Handwerkskammern zusammenarbeitet, wie Geschäftsführer Dr. Michael Rheindorf betont.
Nach einigen Gesprächen schlug der Berater vor, einen internen Mitarbeiter für die Position des zweiten Geschäftsführers zu suchen. Gemeinsam mit dem Berater fanden sie schnell einen Kandidaten im Unternehmen, der zu hundert Prozent ins Profil und zu den Anforderungen passte und willens war, die Herausforderung anzunehmen.
Ein Jahr dauerte der Übergabeprozess
Seit 1. April führt Christin Mähringer –Volker Schmitts jüngere Tochter – nun offiziell als kaufmännische Geschäftsführerin das von ihrem Urgroßvater gegründete Bauunternehmen in vierter Generation. Die 31-Jährige hat BWL und Bauwirtschaftsingenieurwesen studiert und arbeitet seit 2017 im elterlichen Betrieb. Auch ihre ältere Schwester Anna-Lena Schmitt ist im Unternehmen, wollte aber lieber angestellt bleiben.
Christin Mähringer zur Seite steht Fliesenlegermeister Thomas Liesenfeld als neuer technischer Geschäftsführer. Der 41-Jährige hat 1996 im Unternehmen gelernt, dort seinen Meister gemacht und war zuletzt als Bauleiter tätig. Zwischendurch arbeitete er acht Jahre lang in einem anderen großen Unternehmen. "Was mir für den Schritt sehr geholfen hat", berichtet Liesenfeld. Die Akzeptanz im Kollegenkreis sowohl im Büro als auch bei den Kollegen auf dem Bau sei sofort dagewesen.
Der Seniorchef wird die nächsten zwei Jahre seinen Nachfolgern als Gesellschafter zur Seite stehen, bis er 2024 nicht nur die operativen Aufgaben, sondern auch die Geschäftsanteile abgibt. Ein Jahr lang dauerte der Übergabeprozess mit der BauPlus Consulting. Er sollte für alle Beschäftigten von Anfang an möglichst transparent sein.
Alle Mitarbeiter wurden früh ins Boot geholt
Alle Mitarbeiter des Bauunternehmens wurden in den Übergabeprozess einbezogen. Foto: © Bauunternehmung SchmittBerater Michael Rheindorf betont: "So ein Prozess muss von viel gegenseitiger Wertschätzung geprägt sein. Wir haben alle Mitarbeiter früh ins Boot geholt. Wir haben in gemeinsamen Workshops die Betriebsabwicklung bis ins Detail analysiert und zum Teil auch neu strukturiert. Das hat zu einem enormen Push geführt."
Auf diese Weise wurde ein Prozessleitfaden für das tägliche Arbeiten erarbeitet. Zudem gibt es ein Organigramm, in dem genau festgelegt ist, wer künftig welche Aufgabenbereiche übernehmen wird und zu welchem Zeitpunkt diese an die neue Generation übergeben werden.
Dass ein Familienmitglied und ein Mitarbeiter die Nachfolge im Team antreten, sei immer häufiger zu beobachten, berichtet Rheindorf, der sich selbst gerade mitten im Übergabeprozess mit seinem Sohn befindet.
Außerdem steigen immer mehr Töchter in die Betriebe ein. "Das tut dem Handwerk und dem Management gut, das ist erfrischend", so der Berater.
Maximilian Rheindorf leitet einen Arbeitskreis für Jungunternehmerinnen und -unternehmer in der Baubranche, den Erfa-Kreises "Generation Z". Christin Mähringer will sich der Gruppe jetzt anschließen.
"Wir sind ein Familienbetrieb"
20 Jahre ist es her, dass Volker Schmitt selbst den Betrieb von seinem Vater übernommen hat. Bei ihm verlief die Übergabe längst nicht so reibungslos. "Meinem Vater fiel es schwer, loszulassen", erinnert er sich. "Es gab schon einige Konflikte in der Zeit." Auch deshalb hat er sich so vorausschauend mit dem Thema beschäftigt und wollte die Entscheidungen nicht unter Druck treffen müssen. Und noch eines ist Volker Schmitt wichtig, auch das ist ihm in den Bergen klargeworden. "Wir sind ein Familienbetrieb und dieses Image wollte ich aufrechterhalten. Das ist uns gelungen."
Tipps zur Nachfolge
Die Basisfrage vorab: Will die Tochter oder der Sohn den Betrieb überhaupt weiterführen, oder wurde sie oder er in die Junior-Rolle gedrängt, damit das Familienunternehmen nicht verkauft werden muss? "Eine Nachfolge unter Druck wird nur schwer erfolgreich", sagt Maximilian Rheindorf, Juniorchef der BauPlus GmbH Consulting. Diese Frage muss man vorher offen und ehrlich klären. "Der Senior muss bereit sein, loszulassen, damit die neue Generation ihre Entscheidung zwanglos treffen kann."
Die Voraussetzungen: "Neben dem fachlichen Wissen braucht der Nachfolger Ehrgeiz, Fleiß wie auch Demut. Außerdem kaufmännisches Fachwissen und Führungskompetenzen", weiß Unternehmensberater Maximilian Rheindorf. Man müsse bereit sein, sich dem Unternehmen anzupassen, aber gleichzeitig seinen eigenen Führungsstil entwickeln. "Es reicht nicht, den Senior zu kopieren." Hier helfe ein gemeinsam aufgestellter Entwicklungsplan. Außerdem sollte man Coachingangebote und Arbeitskreise nutzen.
Die Erwartungen an den Übergebenden: Der Seniorchef oder die Seniorchefin trägt ein hohes Maß an Verantwortung. Im Idealfall wird er oder sie die Nachfolge begleiten und unterstützen. Dafür muss man ausreichend Zeit einplanen. Tipp: "Seien Sie als der Senior Coach der jungen Leute. Seien Sie nicht der Entscheider, und lassen Sie auch Fehler zu"!
Was sonst noch wichtig für die erfolgreiche Übergabe: Das A und O ist eine frühzeitige Planung. "Dabei hilft ein Umsetzungsfahrplan, der Meilensteine für die Übernahme enthält, aber auch Meilensteine zu finanziellen und rechtlichen Fragestellungen."
bauplus-consulting.de
Beratungsangebot der Handwerkskammern
Alle Handwerkskammern bieten ein umfangreiches Beratungsangebot zur Unternehmensnachfolge. Gemeinsam mit der Unternehmerin und dem Unternehmer sowie deren Steuerberater, Rechtsberater und Unternehmensberater suchen sie nach der optimalen Lösung für den Betrieb.
Den Nachfolgern stehen die Existenzgründungsberater in den Startercentern der Kammern zur Seite.
Eine bundesweite Nachfolgebörse gibt es unter nexxt-change.org
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Text:
Kirsten Freund /
handwerksblatt.de
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