Nachträge am Bau: So kalkulieren Sie clever
Bauen wird immer teurer. Starke Preisschwankungen für Material und Energie machen aktuell am Bau oft Nachträge nötig. Was Betriebe bei der Kalkulation beachten sollten, erklären Experten.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Das aktuelle Baurecht
Die Baubranche befindet sich in einer Krise, was unter anderem auf die stetig steigenden Baukosten zurückzuführen ist. Laut Berechnungen des Statistischen Bundesamtes sind die Preise für Bauleistungen 2022 im Durchschnitt um 16,7 Prozent gestiegen. Dieser Anstieg folgt auf eine Erhöhung von 9,0 Prozent im Jahr 2021 und 1,5 Prozent im Jahr 2020. Ein Grund für diese Entwicklung sind die gestiegenen Zinsen.
Zusätzlich führt die weiterhin knappe Versorgung mit Rohstoffen und die hohen Energiekosten dazu, dass die Materialpreise kontinuierlich ansteigen. Auch im Jahr 2023 war keine Trendumkehr in Sicht. Zwar gab es vereinzelte Preisrückgänge, beispielsweise bei Holzmaterialien, doch insgesamt lag das Preisniveau im ersten Halbjahr 2023 immer noch über dem Niveau vor der Energiekrise.
"Diese Preissteigerungen werfen zunehmend schwierige Fragen bei der Kalkulation von Bauvorhaben auf", erklärt Julia Gerhardter, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht, und das hat Auswirkungen auf Bauverträge: "Die Gestaltung wird immer komplexer, wenn beide Seiten versuchen, sich gegen das Risiko von unvorhersehbaren Preissteigerungen abzusichern."
Steigende Kosten bei Kalkulation berücksichtigen
Haben also Handwerker keine Chance, die Preissteigerungen weiterzugeben? Rechtsanwalt Arndt Wilkes betreut mittelständische Unternehmen aus der Baubranche. Er sagt: "Gerade bei langfristigen Bauvorhaben sind die Preissteigerungen bei Rohstoffen auch unternehmerisches Risiko, das Betriebe bestmöglich bereits in die Angebote einkalkulieren sollten." Denn nachträgliche, einseitige Änderungen an bestehenden Verträgen sind nicht möglich. Rechtsanwältin Gerhardter bestätigt: "Hier hat in der Regel der Auftraggeber die besseren Karten. Schließlich gilt: An einmal vereinbarte Verträge muss man sich halten."
Nachträge muss man verhandeln
Jenseits der steigenden Preise ergeben sich aber auch aus anderen Gründen immer wieder Änderungswünsche im Verlauf eines Bauvorhabens. "Bauherren entscheiden sich vielleicht, doch größer zu bauen oder eine zusätzliche Wand einzuziehen", erläutert Gerhardter. Dann sind Nachträge zu verhandeln.
Stefan Reichert, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, fügt hinzu: "Gelungenes Nachtragsmanagement war schon immer wichtig in der Branche. Denn in der Baubranche herrscht bereits seit Jahren nicht nur ein größerer Preiswettbewerb als in anderen Branchen, auch die Zahl der öffentlichen Ausschreibungen spielt schon immer eine wichtige Rolle. Die derzeitige Krise trägt also nur zum Teil zur Relevanz des Themas bei." Umso wichtiger sei es daher, bei Nachträgen fachlichen Rat einzuholen – am besten aber bereits beim Aufsetzen der ursprünglichen Verträge.
Einheitspreis oder Pauschalpreis?
In vielen Fällen basiert das Nachtragsmanagement auf der Gestaltung des ursprünglichen Bauvertrags. Beim Einheitspreisvertrag beispielsweise werden die Leistungen und die dafür benötigten Materialien genau festgelegt. Dadurch können Änderungen vergleichsweise einfach berechnet werden. "Dann ist – zumindest bei reinen Mengen- oder Massenmehrungen – auch nicht per se ein Nachtrag notwendig. Schließlich muss der Kunde nur zahlen, was vereinbart wurde", erklärt Gerhardter.
Pauschalverträge dagegen seien immer vorteilhaft, wenn sich nichts Grundlegendes ändert. Denn beide Seiten wissen im Vorfeld genau, mit welchen Kosten oder Einnahmen sie rechnen können. Dafür wird es beim Pauschalvertrag jedoch etwas komplizierter, wenn der Kunde noch Änderungen wünsche, so die Expertin: "Gibt es Änderungsbedarf, müssen grundsätzlich beide Parteien der Änderung zustimmen."
Gelinge keine Einigung, könne eine Änderungsanordnung erfolgen. Dieses Angebot müssten Bauunternehmen oder Handwerker aber nicht annehmen, wenn es unzumutbar sei, erklärt die Juristin. Das sei der Fall, wenn beispielsweise das notwendige Fachwissen oder die Kapazitäten im Betrieb fehlten.
Urkalkulation im Vertrag hinterlegen
Außerdem sei der Mehr- oder Minderaufwand entsprechend zu bepreisen, inklusive der Geschäftskosten und eines Wagnis- und Gewinnzuschlags. "Hier ist es immer hilfreich, wenn im Vertrag eine Ur-Kalkulation hinterlegt wurde", betont Gerhardter. Das reduziere Streit bei der Vergütungsanpassung. "Je durchdachter und besser die Ur-Kalkulation, desto weniger Probleme gibt es beim Nachtragsmanagement", ergänzt ihr Kollege Stefan Reichert. "Denn das gute – oder im schlimmsten Fall schlechte – Kalkulationsmuster setzt sich dort schließlich fort."
Was bringen Preisgleitklauseln oder Preisgarantien?
Immer wieder ist auch von Preisgleitklauseln die Rede, die Bauunternehmen vor steigenden Preisen schützen sollen. Mit diesem Vertragszusatz sichert sich der Bauunternehmer das Recht, bei einer Erhöhung der Selbstkosten den Preis für die Leistung anzupassen. "Diese Klauseln scheitern aber regelmäßig an der Umsetzung", warnt Rechtsanwalt Wilkes. "Auch weil eine Vielzahl an Voraussetzungen gegeben sein muss, um die Preiserhöhungen letztlich durchsetzen zu können."
Gleiches gelte auch für Preisgarantien, ergänzt Wilkes: "Die wenigsten Unternehmen haben die notwendige Marktmacht, um solche Preisgarantien bei ihren Lieferanten durchzusetzen." Rechtsanwalt Reichert mahnt deshalb vor allem zur Vertragsklarheit im Vorfeld und erteilt dem Vertrag per Handschlag eine klare Absage: "Vertragspartner sollen immer die Schriftform wahren und alle Leistungsänderungen klar benennen. Außerdem ist eine saubere Dokumentation unerlässlich."
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Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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