Handwerkspower für den Wiederaufbau
Auf der Plattform handwerk-baut-auf.de bieten aktuell 1.900 Betriebe ihre Unterstützung für den Wiederaufbau nach der Flut in Rheinland-Pfalz und in NRW an. Der Marktplatz könnte bundesweit nach Naturkatastrophen zum Einsatz kommen.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Hochwasserkatastrophe in Deutschland
Die Touristen kommen zurück – Cafés, Weingüter und Straußenwirtschaften im Ahrtal sind wieder gut besucht. Die größten Schäden der Flutkatastrophe von Juli 2021 sind auch in Trier, an der Erft und den anderen betroffenen Orten in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen beseitigt.
Doch der Wiederaufbau wird noch Jahre dauern. Viele Gebäude sind noch gar nicht oder nur unvollständig saniert. Etliche Geschäftsleute haben sich erst um den Wiederaufbau ihres Betriebs gekümmert und leben zuhause auf einer Baustelle.
Für alle Betroffenen gibt es ein bundesweit einzigartiges Angebot: Die Internet-Plattform handwerk-baut-auf.de. Der Marktplatz wurde direkt nach der Flut von der Handwerkskammer Koblenz aufgebaut, um Betroffene und Handwerker zusammenzubringen. Daraus ist ein Pilotprojekt der Kammern Koblenz und Köln entstanden, von dem auch andere Kammern im Bundesgebiet im Katastrophenfall profitieren könnten.
Wir haben mit Dennis Sisterhenn von der Handwerkkammer Koblenz und Marius Siebenhaar von der Handwerkskammer zu Köln gesprochen, die die Plattform gemeinsam betreuen und weiterentwickeln.
DHB: Was genau verbirgt sich hinter der Plattform handwerk-baut-auf.de?
Sisterhenn: Auf der Plattform können Handwerksbetriebe aus ganz Deutschland ihre Leistungen anbieten. Betroffene finden darüber Tischler, Elektriker, Maler oder Installateure aus ihrer Region, aber auch aus München oder Hamburg. Wir gehen mit dem Projekt jetzt ins zweite Jahr und sind inzwischen bei 1.900 registrierten Betrieben. Seit Anfang 2023 wurde die Seite 6.900-mal aufgerufen und es gab 1.500 Direktkontakte zu Betrieben. Seit Start der Initiative im Juli 2021 hatten wir über 27.000 Aufrufe.
Foto: © Arne Schröder / HWK zu KölnDHB: Und trotzdem klagen viele Betroffene, dass sie keine Handwerker für den Wiederaufbau finden. Wie kann das sein, wenn es eine solche Plattform gibt?
Siebenhaar: Die Nachfrage und der Bekanntheitsgrad könnten tatsächlich höher sein. Immerhin haben wir 1.900 Betriebe auf der Plattform, die ihre Leistung anbieten. Deshalb machen wir zum Beispiel Werbung bei den Hilfsorganisationen, die die Menschen vor Ort informieren, dass es diese Seite gibt.
Sisterhenn: Ich besuche unter anderem regelmäßig die Infopoints an der Ahr und spreche mit den Ortsvorstehern, um unser Netzwerk auszubauen, und um mit Betroffenen ins Gespräch kommen. Hierbei geht es vor allem darum, auf analogem Weg über unsere Angebote und die Nutzung der Plattform zu informieren. Den Betroffenen sollen die Vorteile nähergebracht und vor allem mögliche Vorbehalten gegenüber der Beauftragung von Handwerksbetrieben aus anderen Regionen abgebaut werden. Die Wartung einer Heizungsanlage kann beispielsweise auch durch den örtlichen Heizungsbauer erfolgen, auch wenn die Heizung von einem Handwerksbetrieb aus Münster eingebaut wurde.
DHB: Welche Gewerke sind denn am stärksten nachgefragt?
Sisterhenn: Direkt nach der Flut waren zentrale Bereiche die Wiederinstandsetzung der Stromversorgung und natürlich die Versorgung der betroffenen Haushalte mit Wärme. Grundsätzlich hängt der Bedarf an Handwerkerleistungen aber natürlich von dem individuellen Grad der Zerstörung ab. Aktuell sind SHK-Betriebe und der gesamte Innenausbau sehr gefragt.
DHB: Wie registrieren sich die Betriebe, und wie verhindern Sie, dass sich schwarze Schafe daruntermischen?
Siebenhaar: Manche Betriebe rufen bei uns an, die meisten registrieren sich aber direkt auf der Plattform. Bei der Registrierung müssen die Betriebe ihre Handwerkskarte hochladen. Danach überprüfen wir jeden einzelnen Betrieb noch einmal händisch, ob er berechtigt ist, die Gewerke durchzuführen, die er angegebenen hat. So können wir den Flutbetroffenen eine größtmögliche Sicherheit geben. Erst danach werden die Betriebe freigeschaltet. Wir fragen anschließend alle drei Monate per E-Mail ab, ob die Daten noch aktuell sind und ob die Firmen noch Kapazitäten frei haben. Das hat für die Betroffenen den Vorteil, dass die Betriebe, die sie kontaktieren, auch erreichbar und verfügbar sind.
DHB: Auf der Plattform können Betriebe auch Personal suchen und anbieten. Wie kann man sich das vorstellen?
Siebenhaar: Für registrierte Betriebe gibt es die Möglichkeit, personelle Unterstützung anzufordern oder anzubieten, also kollegiale Hilfe. Es gibt hier Gebote und Gesuche wie bei Kleinanzeigen.
Sisterhenn: Da viele Betriebe noch keine oder wenig Erfahrung mit Arbeitnehmerüberlassung haben, bieten wir auf der Plattform Formblätter und Musterverträge. Ein gutes Beispiel ist der SHK-Betrieb von Frank Wershofen aus Bad Neuenahr-Ahrweiler, der über die "Kollegiale Hilfe" auf der Plattform bestimmt 100 ortsfremde Handwerker ins Tal gebracht hat.
DHB: Das Besondere an dem Projekt ist ja, dass es auch bundesweit zur Verfügung stehen könnte...
Sisterhenn: In erster Linie ist die Plattform natürlich dafür da, um den Betroffenen der Flut von 2021 zu helfen. Aber sie könnte auch bei anderen Naturkatastrophen bundesweit eingesetzt werden. Es kann ja jederzeit wieder zu einer Flut, einem Waldbrand wie im vergangenen Jahr in Sachsen oder zu einem Sturm kommen, bei dem über Nacht hunderte Dächer abgedeckt werden. Mit handwerk-baut-auf.de haben wir ein Grundgerüst, das wir auch für andere Herausforderungen nutzen können.
Gemeinschaftsprojekt Mit Start der RLP-Initiative "Handwerk-baut auf" und der NRW-Initiative "Handwerk im Wiederaufbau" kooperieren die HWK Koblenz und die HWK zu Köln. Gemeinsam entwickeln sie die Plattform handwerk-baut-auf.de weiter.
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Text:
Kirsten Freund /
handwerksblatt.de
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