Das Wasser hat alle Maschinen und das Material der Schreinerei Rönnefarth in Dernau zerstört.

Das Wasser hat alle Maschinen und das Material der Schreinerei Rönnefarth in Dernau zerstört. (Foto: © Handwerkskammer Koblenz / Jörg Diester)

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Hilfsbereitschaft muss weiter aufrecht erhalten werden

Hochwasser: Koordination der Hilfe spielt entscheidende Rolle – Viele Gewerke werden erst noch benötigt werden

Gute fünf Wochen sind seit der Naturkatastrophe vergangen, bei der reißende Fluten Menschenleben gekostet und Existenzen vernichtet haben. Das Handwerk spielt dabei eine tragische Doppelrolle: als dringend benötigte Helfer, aber auch als Opfer der Wassermassen. In Rheinland-Pfalz sind 700 bis 800 Betriebe von der Katastrophe betroffen – deutlich über 500 im Bezirk der Handwerkskammer Koblenz, 200 im Kammerbezirk Trier.

Die Handwerkskammern gehen von einer durchschnittlichen Schadenhöhe von 400.000 bis 500.000 Euro pro Betrieb aus. Liegenschaften wurden beschädigt oder zerstört, Fahrzeuge weggespült, Maschinen und Geräte irreparabel beschädigt und gelagerte Materialien unbrauchbar gemacht. Der Schaden beim rheinland-pfälzischen Handwerk beläuft sich damit auf schätzungsweise 280 Millionen bis 400 Millionen Euro. Aber das sind nur erste Schätzungen, und die Umsatzausfälle der Betriebe sind dabei noch nicht berücksichtigt.

Schnelle Bewilligungen erforderlich

"Die Betriebe brauchen kurz- und mittelfristig Finanzmittel. Zunächst muss die Liquidität sichergestellt sein. Aber auch das Eigenkapital der Betriebe muss gestützt werden, sonst geraten viele Handwerker in die Gefahr der Überschuldung", warnt Dr. Matthias Schwalbach, Geschäftsführer und Chef-Volkswirt der Handwerkskammer Trier. Die Auszahlung der Mittel müsse daher schnell bewilligt werden und ebenso schnell erfolgen, so Schwalbach. "Nicht nur zur Garantie der Liquidität, sondern auch, um den Inhabern eine Perspektive zu geben. Gelingt der Wiederaufbau der Betriebe nicht, dann fehlt den Hochwasserregionen die wirtschaftliche Zukunft."

Schwalbach und Ralf Hellrich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Koblenz, begrüßen daher ausdrücklich den Beschluss der Bundesregierung und der Länder, einen Wiederaufbaufonds mit einem Volumen von über 30 Milliarden Euro einzurichten. "Bund und Länder haben sich sehr solidarisch gezeigt und nehmen richtig viel Geld in die Hand", lobt Hellrich. Er hofft, dass jeder Geschädigte aus diesem Pott 80 Prozent erstattet bekommt, wie es auch beim Oderhochwasser gehandhabt worden sei.

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Tatsächlich hatte auch das Land relativ schnell reagiert, Geld in die Hand genommen und Rahmenbedingungen geschaffen. Das Finanzministerium hat den Geschädigten in mehreren Schritten Entgegenkommen in Steuerfragen zugesagt, für die Helfer gab es Ausnahmeregelungen beim Thema Lenkzeiten und Sonntagsfahrverbot und mit der Aussetzung des Vergaberechts erhielten die betroffenen Kommunen einen zusätzlichen Handlungsspielraum. Nur eine Woche nach der Katastrophe kündigten Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt eine Soforthilfe für Betriebe in Höhe von 5.000 Euro an.

Handwerk glänzt mit tatkräftigem Einsatz 

Maik Rönnefarth (M.) zeigt Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt und Kurt Krautscheid, dass das Wasser 2,5 Meter hoch in seinem Betrieb gestiegen war. Foto: © Andreas SchröderMaik Rönnefarth (M.) zeigt Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt und Kurt Krautscheid, dass das Wasser 2,5 Meter hoch in seinem Betrieb gestiegen war. Foto: © Andreas Schröder

Doch vor Ort ist es neben den Kräften von THW, Bundeswehr, zahlreichen Feuerwehren und Rettungsdiensten das Handwerk selbst, das mit tatkräftigem Einsatz glänzt. Die Elektriker organisieren die Reparatur des beschädigten Stromnetzes. Eine ad hoc zusammengestellte Kolonne von 80 Dachdeckern sicherten beschädigte Häuser gegen weiteres Unheil ab. Bäcker und Fleischer versorgten Anwohner und Helfer zugleich.

Neben Geld gingen zahlreiche Materialspenden in die betroffenen Regionen. Zum Helfen aufgerufen hatten unter anderem die Bauwirtschaft Rheinland-Pfalz, der Landesverband Friseure und Kosmetik Rheinland, die Kreishandwerkerschaften MEHR, Ahrweiler, Mittelrhein und Rhein-Lahn, die Handwerkskammern und weitere Landesverbände und Innungen.

Trotz dieser überwältigenden Hilfsbereitschaft fürchten Ralf Hellrich und Kurt Krautscheid, Präsident der Handwerkskammer Koblenz und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Handwerkskammern Rheinland-Pfalz, dass die Bereitschaft, sich in den betroffenen Gebieten zu engagieren, zu schnell abflachen könnte. Grund ist die noch immer mangelnde Koordination der Hilfsmaßnahmen.

Derzeit springen, so Hellrich, einzelne Obermeister in die Bresche und koordinieren die Helfer und Sachspenden so gut es geht. Aber immer wieder hört man Geschichten von Handwerkern, die nach langer Fahrt unverrichteter Dinge die Rückreise antreten, und von Materiallieferungen, die zwar gut gemeint sind, aber zum aktuellen Zeitpunkt weder verwendet noch gelagert werden können. Das schaffe Frust sowohl unter den Helfern als auch unter den freiwilligen Koordinatoren, weiß Hellrich.

Heizungen für den Winter

Die Handwerkskammer versuche daher derzeit mit Unterstützung des Landes, das ad hoc entstandene Koordinierungssystem Schritt für Schritt zu professionalisieren. Erster Baustein ist ein Koordinierungs-Jour-fixe, der sich jeden Dienstag in der Ahr-Akademie der Handwerkskammer trifft. Der zweite Baustein ist die Internetseite baut-mit-auf.de, auf der hilfsbereite Handwerker aus dem ganzen Bundesgebiet ihre Angebote einstellen und von den Betroffenen gefunden werden können. Diese Angebote können kostenlos sein, müssen sie aber nicht, erklärt Hellrich. Denn früher oder später müsse man auch den Übergang von der handwerklichen ersten Hilfe zum regulären Wiederaufbau schaffen. Und den, weiß Hellrich, könne das lokale Handwerk nicht alleine stemmen. Die Naturkatastrophe hätte Schäden verursacht, die einem Umfang von Handwerksleistungen entsprächen, der um ein Vielfaches größer ist als das, was die Region alleine stemmen könne.

"Wir müssen jetzt kommunizieren, dass die Hilfe aus dem Handwerk mehr als willkommen ist und noch lange benötigt werden wird", betont Kurt Krautscheid. "Maler oder Estrichleger können im Moment nicht viel machen, aber die brauchen wir in vier oder fünf Wochen." Im Moment gelte ein Großteil der Aufmerksamkeit dem Stromnetz. Als nächstes seien die SHK-Betriebe gefragt, denn für Herbst und Winter müssten Tausende Häuser, Wohnungen und Betriebe mit neuen Heizungen ausgestattet werden.

Text: / handwerksblatt.de

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