Weniger Arbeit hießt weniger Geld und weniger Urlaubstage.

Weniger Arbeit bedeutet für die Mitarbeiter entsprechend weniger Geld und weniger Urlaubstage. (Foto: © haveseen/123RF.com)

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Kurzarbeit heißt auch kürzerer Urlaub

Wer in Kurzarbeit ist, hat entsprechend weniger Anspruch auf Jahresurlaub. Berechnet wird dieser wie bei Teilzeitkräften. Das sollten Chefs ihren Mitarbeitern erklären, rät der ZDH.

Die Corona-Krise hat viele Betriebe zur Einführung von Kurzarbeit gezwungen, zum Teil sogar zur Betriebsschließung, was Kurzarbeit Null mit sich brachte. Die Kurzarbeit dürfen Chefs nicht einseitig anordnen, sie benötigen eine entsprechende arbeitsrechtliche Grundlage. Das ist etwa ein Tarifvertrag, oder Betriebsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. "Besteht weder Tarifvertrag noch Betriebsvereinbarung, muss der Chef die Kurzarbeit mit jedem Arbeitnehmer einzeln vertraglich regeln", betont Matthias Herold, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Köln.

Kurzarbeit einführenMustervorlagen für Arbeitgeber

Mit dem Sommer steht die Frage vor der Tür, welche Auswirkungen die Kurzarbeit auf den Urlaubsanspruch der betroffenen Mitarbeiter hat.

Keine gesetzliche Regelung

Grundsätzlich haben Arbeitnehmer einen Mindestanspruch auf vier Wochen bezahlten Urlaub im Kalenderjahr. Das ergibt sich nicht nur aus dem deutschen Bundesurlaubsgesetz, sondern auch aus der europäischen Arbeitszeit-Richtlinie. "Meistens legen hierzulande aber Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder individuelle Arbeitsverträge einen längeren Jahresurlaub fest", weiß Fachanwalt Herold. "Hier kann und sollte auch schon geregelt werden, wie sich eine Kurzarbeit auf den Jahresurlaub der Mitarbeiter auswirkt."

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Eine gesetzliche Regelung, wie sich der Urlaubsanspruch bei Kurzarbeit berechnet, fehlt in Deutschland. "Auch das Bundesarbeitsgericht hat bislang noch keine Entscheidung dazu getroffen. Es hat aber in 2019 mit Az. 9 AZR 315/17 geurteilt, dass sich der Jahresurlaub für Zeiten des Ruhens des Arbeitsverhältnisses – wie hier einem Sabbatical – anteilig reduzieren kann", erklärt der Experte. "Wer nicht arbeitet, braucht auch keinen Erholungsurlaub, kann man die Begründung der Richter kurz zusammenfassen. Die hier entwickelten Grundsätze könnten auch auf das Kurzarbeitergeld anwendbar sein."

Urlaubstage wie bei Teilzeitkräften berechnen

Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) geht in dieselbe Richtung: Der hat am 8. November 2012 (Az. C-229/11) festgestellt, dass Urlaubsansprüche nur dann entstehen, wenn der Arbeitnehmer auch tatsächlich eine Arbeitsleistung erbracht hat. Konkret ging es um die Frage, ob während der angeordneten Kurzarbeit der bezahlte Jahresurlaub  zeitanteilig angepasst werden kann.

Die Richter sagen: Der Mitarbeiter erwirbt während der Kurzarbeit nur einen verhältnismäßig geringeren Urlaubsanspruch. Das heißt: Der gesetzliche Urlaubsanspruch kann in Zeiten von Kurzarbeit entsprechend dem Anteil der tatsächlichen Arbeitszeit gekürzt werden. Hat der Betrieb beispielsweise Kurzarbeit Null angeordnet, wird also gar nicht gearbeitet, erhalten die Mitarbeiter für diese Zeiten auch keinen Urlaubsanspruch.

Bei verringerter Arbeitszeit ist der Urlaub entsprechend kürzer. Allerdings nur dann, wenn ganze Arbeitstage in einer Woche wegfallen. Reduzieren sich lediglich die täglichen Arbeitsstunden, bleibt der Urlaubsanspruch gleich.

Auch das Landesarbeitsgericht Hamm hat sich mit Urteil vom 30. August 2017 (Az. 5 Sa 626/17) mit dieser Frage auseinandergesetzt. Dabei geht es im Einklang mit dem EuGH davon aus, dass der Urlaubsanspruch wie bei einem Teilzeitarbeitsverhältnis bei Kurzarbeit anteilig zu berechnen ist. "Dieser Fall betraf allerdings die spezielle Form des Transfer-Kurzarbeitergelds und ist insofern nicht hundertprozentig auf die aktuelle Situation anwendbar", weiß Fachanwalt Herold. "In der juristischen Literatur wird ebenfalls überwiegend die Auffassung vertreten, dass Urlaub in Zeiten der Kurzarbeit entsprechend den Regelungen zur Teilzeit zu behandeln ist."

Formel der Gerichte zur Berechnung bei Teilzeitarbeit

In der Rechtsprechung wurde für die Berechnung des Jahresurlaubs bei Teilzeitarbeit folgende Formel entwickelt:
Nominale Anzahl der Urlaubstage mal tatsächliche Arbeitstage pro Woche geteilt durch Arbeitstage pro Woche.
Das Ergebnis ergibt die Anzahl der Urlaubstage.

Beispiel 1:
Arbeitnehmer arbeitet an fünf Tagen der Woche jeweils vier Stunden;
Der Urlaubsanspruch bei Vollzeit beträgt 30 Tage.
Es ergibt sich folgende Berechnung: 30 x 5 : 5 = 30 Urlaubstage

Beispiel 2:
Arbeitnehmer arbeitet an drei Tagen der Woche jeweils acht Stunden;
Urlaubsanspruch bei Vollzeit beträgt 30 Tage.
Es ergibt sich folgende Berechnung: 30 x 3 : 5 = 18 Urlaubstage

Beispiel 3:
Arbeitnehmer arbeitet an drei Tagen acht Stunden und an zwei Tagen jeweils vier Stunden.
Ergebnis wie bei Beispiel 1 = 30 Urlaubstage.

Urlaubsentgelt in voller Höhe

Themen-Special Urlaubsplanung im BetriebÜbrigens: Für die Zeit des Urlaubs erhalten Arbeitnehmer ihr Urlaubsentgelt ungekürzt, also in voller Höhe ohne etwaige Einbußen infolge der Kurzarbeit. "Verdienstkürzungen, die im Berechnungszeitraum infolge von Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis eintreten, bleiben für die Berechnung des Urlaubsentgelts außer Betracht", sagt § 11 Bundesurlaubsgesetz. Auch für gesetzliche Feiertage, an denen nicht gearbeitet wird, gibt es das reguläre Gehalt, dafür sorgt § 2 Entgeltfortzahlungsgesetz.

Mitarbeiter müssen informiert werden

Daher geht auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) davon aus, dass Urlaubsansprüche der Arbeitnehmer während der Kurzarbeit nur entstehen können, wenn diese tatsächlich auch eine Arbeitsleistung erbracht haben.

Praxistipp

Arbeitgeber sollten die betroffenen Mitarbeiter über eine solche Kürzung ihres Urlaubsanspruchs – im Rahmen ihrer ohnehin bestehenden Pflicht zur Information und Aufforderung, den Urlaub zu nehmeninformieren, rät der ZDH.

Fachanwalt Herold meint: "Ein Blick in den jeweils geltenden Tarifvertrag ist hilfreich, denn hier werden oft bereits entsprechende Regelung getroffen. Falls dies nicht der Fall ist, sollten Arbeitgeber sich mit den  Mitarbeiter-Vertretungen über diesen Punkt einigen."

 

Das Bundesarbeitsgericht und der Europäische Gerichtshof haben in den letzten Jahren mehrere arbeitnehmerfreundliche Entscheidungen zu Urlaubsansprüchen getroffen. Welche das sind, lesen Sie hier

Text: / handwerksblatt.de

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