Rekord trotz Dieselmisere
Dataforce Automotive Analyst Benjamin Kibies äußert sich im Interview über die neuesten Trends im Markt für Flotten.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Reizthema Diesel
Automobilexperten sind sich einig: Den Diesel zu verteufeln bringt nichts – zumal die modernen Diesel wirklich sauber sind. Dennoch beschäftigt dieses Thema die Fuhrparkmanager noch eine Weile – und in den Leasingmarkt kommt Bewegung. Der Dataforce Automotive Analyst Benjamin Kibies analysiert die Trends.
DHB: Herr Kibies, was wird 2018 auf die Flottenmanager zukommen?
Kibies: Im Moment sehe ich da nach wie vor die Dieselproblematik. Auf dem Gebrauchtwagenmarkt lassen sich die typischen Flottenselbstzünder mit einem Alter von drei bis fünf Jahren augenblicklich nur sehr schwer verkaufen teilweise brechen die Besitzumschreibungen regelrecht ein. Obwohl der gesamte Flottenmarkt immer noch wächst, das Segment also eigentlich mitwachsen müsste. Wir beobachten sogar, dass große Flotten ihre Diesel loswerden wollen, auch wenn deren Restwerte heute unter dem vergleichbarer Benziner liegen. Überhaupt sehen wir den Trend zumindest bei den großen Flotten, die Haltungsdauer zu verkürzen, der Standard liegt heute bei rund zwei Jahren.
DHB: Ist denn ein Ende in Sicht?
Kibies: Zumindest ist mehr Klarheit in Aussicht. Die Branche schaut gebannt nach Karlsruhe, wo Ende Februar das Urteil zu Diesel-Fahrverboten erwartet wird. Wie auch immer der Spruch der Richter lautet, schon allein die Rechtssicherheit wird beruhigend auf den Markt wirken. Danach werden die Fuhrparkmanager wahrscheinlich neu entscheiden, wie sie sich in Zukunft vom Kraftstoffmix her aufstellen. Auch wenn es zum Diesel auf der Langstrecke keine Alternative gibt, werden die Einsatzzwecke der einzelnen Wagen noch einmal genauestens geprüft.
DHB: Wie wird sich der Markt entwickeln?
Kibies: Wir sehen seit Jahren immer neue Rekordwerte in Flottenzulassungen. Die Frage ist: Kommen wir irgendwann an eine Grenze? Aber nein, alle unsere Parameter deuten darauf hin: Der Markt wächst tatsächlich noch weiter.
DHB: Was sind die treibenden Kräfte für den anhaltenden Boom?
Kibies: Die nach wie vor sehr gute wirtschaftliche Entwicklung führt zu steigender Beschäftigung. Mehr Mitarbeiter heißt mehr Autos. Mehr noch: Der Fachkräftemangel fordert von den Unternehmen, die guten Leute bei der Stange zu halten,
Incentive-Fahrzeuge sind eine sehr günstige Möglichkeit. Der Trend zur Gehaltsumwandlung ist ungebrochen, in vielen Firmen werden immer mehr Angestellte firmenwagenberechtigt. Vielleicht gibt das auch dem Corporate Carsharing Starthilfe, weil da der einzelne Mitarbeiter nur noch wenige Euro steuerlich geltend machen muss.
DHB: Wie schätzen Sie die Entwicklung im Transporterbereich ein, worauf müssen sich gerade mittelständische Unternehmen und Handwerksbetriebe einstellen?
Kibies: Über 90 Prozent der Transporter im Flottenmarkt sind Diesel - klar, dass hier mögliche Fahrverbote eine große Rolle spielen. Flotten haben aktuell noch mehr als 900.000 Diesel-Transporter im Bestand, die älter als fünf Jahre sind. Hier müssen Fuhrparkbetreiber in den nächsten Jahren mit Einschränkungen rechnen, wenn sie in größeren Städten unterwegs sind.
DHB: Was können Handwerksbetriebe tun?
Kibies: Noch ist nichts spruchreif, aber ich würde den Fuhrparkbetreibern empfehlen die Entwicklung gerade auch vor Ort zu verfolgen. Ein neuer Transporter kann gerade für einen kleineren Handwerksbetrieb eine große Investition darstellen, die Vorlauf benötigt, und niemand möchte Kunden aufgrund von Fahrverboten nicht mehr beliefern können.
DHB: Also lieber auf Nummer sicher und kein Diesel?
Kibies: Die gute Nachrich t
ist, dass leichte Nutzfahrzeuge nach der Euro 6- Norm sauber sind. Wer seinen Transporter nach 1. September 2016 gekauft
hat, braucht sich keine Sorgen zu machen. Auch wer
sich heute nach einem neuen Transporter umschaut, kann
ohne Bedenken zum Diesel greifen.
DHB: Sind E-Transporter eine Alternative?
Kibies: Bei der Entwicklung der Elektromobilität spielen auch Transporter eine wichtige Rolle. In Deutschland sind europaweit die meisten E-Transporter unterwegs. Hier kann das breiter werdende Angebot auch kosten- und imageseitig interessante Alternativen bieten, vorausgesetzt natürlich das Einsatzprofil passt.
DHB: Mit welchen Trends muss der Flottenmanager noch rechnen?
Kibies: Wir beobachten, dass große, klassische Leasinganbieter auch in das Geschäft
mit kleinen Fuhrparks und sogar ins Privatkundengeschäft einsteigen. Das eröffnet für mittelständische Unternehmen mit kleinerem Fahrzeugbestand ...
DHB: ... die in der Vergangenheit nur mit der Hersteller- oder mit der Hausbank einen Leasingvertrag abschließen konnten ...
Kibies:... die Chance, sich günstigere Konditionen zu sichern.
DHB: Heißt das auch: Weniger Kauf, mehr Leasing?
Kibies: Die Quote liegt in den letzten Jahren ziemlich konstant bei 60 Prozent Leasing und 40 Prozent Kauf. Vielleicht wirkt da die Dieselproblematik wie ein Weckruf, weil die Firmen beim Leasing das Restwertrisiko nicht tragen müssen, so dass sich doch mehr Verantwortliche in der Branche überlegen, künftig zu mieten, statt bar zu bezahlen.
DHB: Stichwort: Serviceleasing?
Kibies: Der Trend läuft schon seit einigen Jahren ganz massiv. Im Alltag ist das wahrscheinlich einfach sinnvoll, wenn sich ein externer Dienstleister um Tankkarten, Service, Versicherungsabwicklung und Reifen kümmert und der Flottenmanager um seinen eigentlichen Job. Zumal der Fuhrpark immer mehr als Mobilitätsdienstleister gesehen wird, obwohl der Fuhrparkleiter über das Tagesgeschäft hinaus wenig Zeit hat. Aber ich kann mir vorstellen, dass die Anforderung immer stärker kommt: Es geht nicht mehr nur darum, sich ins Auto zu setzen und von A nach B zu fahren. Sondern es geht darum, aus einer Vielzahl von Angeboten das beste für diese Fahrt und diesen Mitarbeiter zu finden und ein entsprechendes Dienstleistungsangebot - etwa Carsharing am Zielort, wenn man mit dem Zug fährt - bereitzuhalten.
DHB: Kommen jetzt die Elektrofahrzeuge?
Kibies: Das sehen wir 2018 noch nicht, da werden sie noch eine Nische bleiben. Mittelfristig aber wird der Druck steigen, 2021 darf ein Autokonzern mit allen seinen Fahrzeugen 95 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer im Schnitt nicht überschreiten. Kein Hersteller will sich da die Blöße geben und Strafzahlungen leisten. Das heißt, die Autobauer werden eine Vielzahl von Hybriden aller Art auf den Markt werfen. Meine Prognose: Ab 2020 ist jedes zweite neue Auto elektrifiziert.
Text:
Stefan Buhren /
handwerksblatt.de
Kommentar schreiben