Konfliktgespräche ruhig und sachlich führen
Mitarbeiter richtig zu führen, kann ein Drahtseilakt sein. Einerseits muss der Chef einschreiten, wenn jemand die Regeln verletzt. Andererseits will man fähige Facharbeiter auch nicht vor den Kopf stoßen.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Was Sie als Chef im Handwerk wissen müssen
Montag morgen, 7.20 Uhr. Betriebsinhaber Thomas Klein (Namen von der Redaktion erfunden) sitzt mit seinen Monteuren zusammen und verteilt die Aufgaben. Plötzlich stürmt Geselle Markus Berger in die Werkstatt. "Tschuldigung, hab verschlafen!" Nicht zum ersten Mal, wie sein Chef beobachtet hat. Heute aber wird Klartext geredet. "Mir reicht es jetzt!", schnauzt er seinen Mitarbeiter an und putzt ihn vor versammelter Mannschaft runter. "Wenn du noch mal zu spät kommst, kannst du dir die Papiere abholen!" Thomas Klein geht es danach besser. Für Markus Berger beginnt nach diesem Einlauf schon das Wochenende. "Ist mir doch scheißegal!", denkt sich der 25-Jährige und macht bis Freitag nur noch Dienst nach Vorschrift.
Tipps vom Kommunikationstrainer
Rudi Rhode kennt solche Situationen zur Genüge. Der Kommunikationstrainer aus Wuppertal bringt Führungskräften bei, wie sie mit betriebsinternen Konflikten umgehen können. Statt Schreien und Befehlen setzt er auf eine Mischung aus respektvollem und konsequentem Umgang miteinander. "Klare Grenzen setzen, ohne zu verletzen" lautet seine Devise. Dazu gehört, das Regeln zunächst gut erklärt und kommuniziert werden müssen. Besonders junge Leute seien es nicht gewohnt, dass etwas mit der Begründung "Weil ich das so will!" abgebügelt wird. Dass man pünktlich und ordentlich gekleidet zur Arbeit erscheint, hat schließlich seinen Grund. "Anfangs muss der Chef halt Zeit und Mühe aufbringen, um dies zu vermitteln." Eine Investition, die sich bezahlt macht, ist Rhode jedoch überzeugt.
Rudi Rhode im InternetObwohl Markus Berger weiß, dass er pünktlich im Betrieb eintrudeln muss, kommt er oft zu spät. Sein Chef hält ihn sonst aber für einen kompetenten und engagierten Mitarbeiter. Mit seinem harschen Einlauf riskiert Thomas Klein nun aber, dass er einen fähigen Monteur verliert – sei es, weil er innerlich kündigt oder sich gleich ganz aus dem Betrieb verabschiedet. In manchen Situationen ist weniger eben mehr: Um den Gesellen auf sein Fehlverhalten aufmerksam zu machen, hätte auch der demonstrative Blick auf die Uhr und eine knappe sachliche Aussage genügt. Rhodes Vorschlag: "Du kommst zwanzig Minuten zu spät. Könnten wir uns darüber nach der Arbeit mal kurz in meinem Büro unterhalten?"
Auseinandersetzung nicht zum Kampf ausarten lassen
Die anderen Mitarbeiter müssen merken, dass der Chef eine Regelübertretung registriert und dass sie Konsequenzen hat. "Er reicht aber aus, dies einmal anzusprechen und mit dem Mitarbeiter später im Vier-Augen-Gespräch ausführlich zu klären", rät der Kommunikationstrainer. Kommentare wie "schon wieder zu spät" oder "typisch" sind hier fehl am Platze. "Je konkreter sich die Beschreibung auf die aktuell vorliegende Situation bezieht, desto geringer ist die Gefahr, dass sich unser Gegenüber abgewertet fühlt." Wenn der Angemahnte die Kritik auf sich persönlich münzt, kann die Lage schnell aus dem Ruder laufen. "Droht jemand vor den Kollegen sein Gesicht zu verlieren, geht es nicht mehr um die Sache", warnt Rudi Rhode. "Dann artet der Konflikt zu einem destruktiven Kampf mit Gewinner und Verlierer aus."
Betriebsinhaber Thomas Klein hat seinen Mitarbeiter gefragt, ob sie sich nach der Arbeit kurz im Büro zusammen setzen könnten. "Ein Vorgesetzter könnte den Termin auch festlegen", stellt Rhode fest. "Indem er auf dieses Führungsinstrument verzichtet, drückt er Wertschätzung für seinen Mitarbeiter aus." Ein wichtiges Signal für das später verabredet Einsichtsgespräch. Bei diesem Treffen geht es darum, dass der Beschäftigte danach sein Verhalten "freiwillig und dauerhaft den jeweiligen Regeln oder Vorgaben anpasst" – im Falle von Markus Berger also, dass er pünktlich um 7 Uhr in der Firma erscheint. Druck und Macht wirken bei dieser Gelegenheit kontraproduktiv. Der Chef muss begründen, warum das Fehlverhalten sowohl der Firma als auch dem Mitarbeiter schaden kann. "Ohne Begründung kein Verstehen, ohne Verstehen keine Einsicht", bringt es Rhode auf den Punkt.
Zeit nehmen für die Gesprächsvorbereitung
Für den Streitschlichtungsexperten steht und fällt das Einsichtsgespräch mit einer gewissenhaften Vorbereitung. Vorgesetzte sollte sich Zeit nehmen und überlegen, was sie erreichen möchten (siehe Info-Kasten). Im Vordergrund stehen in dieser Phase die Gründe für das regelwidrige Verhalten. Thomas Klein könnte seinen Monteur etwa fragen, ob es persönliche Probleme gibt, die seine Verspätung erklären und anbieten, ihm zu helfen. Er wird Markus Berger aber auch darauf aufmerksam machen müssen, dass sich die betrieblichen Abläufe verzögern, wenn er unpünktlich ist und die verlorene Zeit nachgearbeitet werden muss. Letzteres könnte etwa mit der Freizeitgestaltung des Gesellen kollidieren. Ein guter Grund, um künftig zeitig zu kommen. "Je handfester der Nutzen, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Mitarbeiter freiwillig an die Regel hält."
Vier zentrale Fragen für das Einsichtsgespräch
Vor einem wichtigen Mitarbeitergespräch sollten Betriebsinhaber oder Personalverantwortliche in aller Ruhe folgende Punkte klären:
- Was sind meine konkreten Wünsche an den Mitarbeiter? Wie soll er sich verhalten?
- Warum möchte ich als Chef, dass die Verfehlung nicht mehr vorkommt?
- Welchen Vorteil kann es für den Mitarbeiter haben, wenn er sich an die Regel hält?
- In welchem zentralen Punkt kann ich meinen Mitarbeiter loben?
Beim Einsichtsgespräch herrscht eine fast partnerschaftliche Atmosphäre. Der Ton ist ruhig, der Chef lässt seinen Gegenüber aussprechen, auf Drohgebärden wird verzichtet. Am Schluss der Unterhaltung versichert sich der Vorgesetzte noch, dass der Mitarbeiter sein Verhalten ändern wird. Rhode: "Es wird eine tragfähige Lösung angestrebt." Auf das Fallbeispiel übertragen: Markus Berger kommt zu spät, weil er sonntags nach dem Fußballspielen noch bis in die Puppen mit den Jungs im Clubheim zecht. Er verspricht Thomas Klein jedoch, dass er sich in Zukunft zusammenreißen wird.
Drei, vier Wochen geht alles glatt. Danach verfällt der junge Monteur wieder in den alten Trott. Unentschuldigt kommt er erst fünf Minuten, dann zehn Minuten und schließlich eine Viertelstunde zu spät. Zeit für ein Erwartungsgespräch. "Nun wird mit Hilfe einer klaren Grenzziehung versucht, das Verhalten des Mitarbeiters zu verändern", erklärt Rhode.
Das zeigt sich schon bei der Terminvereinbarung. Der Chef bittet nicht mehr zum Gespräch, sondern setzt die Zeit an. Die anschließende Unterhaltung läuft kürzer ab. Die Gesprächsführung ist straffer. Der Chef begründet knapp, weshalb er das Fehlverhalten nicht dulden kann. Der Mitarbeiter bekommt seinerseits weniger Möglichkeiten, sich zu rechtfertigen und kann gegebenenfalls im Redefluss unterbrochen werden.
Trotz der ernsten Lage vergisst Thomas Klein aber nicht, was er fachlich an Markus Berger hat. Er hebt einige positive Punkte hervor, damit sein Mitarbeiter weiter motiviert ist und die Chemie zwischen ihnen nicht allzu sehr leidet. Die Botschaft des Gesprächs enthält aber die ausdrückliche Aufforderung: "Ändere dein Verhalten!" Dies kann auch schriftlich festgehalten werden. Die Konsequenzen eines weiteren Fehlverhaltens kommen aber noch nicht zur Sprache. Nach Erfahrung von Rudi Rhode muss aber spürbar sein, dass "bei erneuter Grenzverletzungen mit größeren Schwierigkeiten zu rechnen ist".
Im Betrieb von Thomas Klein hat sich die Lage nach dem Erwartungsgespräch mit Markus Berger wieder etwas entspannt. Kurze Zeit darauf bemerkt der Betriebsinhaber jedoch, dass der 25-Jährige total übermüdet in die Firma kommt. Kollegen berichten, dass der junge Monteur bei der Arbeit unkonzentriert ist. Und es kommt, wie es kommen muss: Markus Berger verschläft und taucht eine halbe Stunde zu spät zur morgendlichen Teambesprechung auf.
Anweisungsgespräch: "Ändere dein Verhalten, sonst ...!"
Da er die Erwartungen seines Chefs missachtet hat, folgen nun klare Anweisungen. "Dieses Gespräch verläuft ganz knapp und sehr steil", verdeutlicht Rudi Rhode. Das Fehlverhalten wird erneut kritisiert, allerdings ohne den Mitarbeiter persönlich anzugreifen. "Auf eine mögliche Beeinträchtigungen der Arbeitsmotivation oder auf das kollegiale Verhältnis wird keine Rücksicht mehr genommen." Im Anweisungsgespräch stehen zwei zentrale Botschaften im Mittelpunkt: "Ich fordere dich unmissverständlich auf, dein Verhalten zu ändern!" und "Solltest du noch einmal gegen diese Anweisung verstoßen, gibt’s eine schriftliche Abmahnung!"
Mit Gewalt in der Ausbildung umgehenDas Anweisungsgespräch hat denselben Stellenwert wie die letzte Ermahnung des Schiedsrichters. Danach kommen die gelbe Karte (Abmahnung) oder der Platzverweis (Kündigung). "Der Mitarbeiter muss in diesem Gespräch so große Angst vor den Konsequenzen einer schriftlichen Abmahnung bekommen, dass er das Fehlverhalten aufgibt", so Rhode.
Bei einem fachlich versierten Handwerker ist es aber auch die letzte Gelegenheit, aufgebautes Know-how im Unternehmen zu halten. Deshalb sollte der Gesprächsausstieg trotz der ernsten Lage wieder etwas versöhnlicher sein, rät Rudi Rhode. Mit einem "Geh bitte wieder an die Arbeit!" lässt sich das Blatt vielleicht doch noch zum Guten wenden.
Text:
Bernd Lorenz /
handwerksblatt.de
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