Seit 1984 arbeitet Lutz Pollmann bei den Baugewerblichen Verbänden – anfangs als Justitiar und seit 1992 als Hauptgeschäftsführer. Zum Ende des Jahres verabschiedet sich der gebürtige Düsseldorfer in den Ruhestand. Im Gespräch mit dem Handwerksblatt blickt er zurück auf seine langjährige Tätigkeit für die Bauwirtschaft.
DHB: Wann und in welchem Ort sind Sie geboren?
Pollmann: Am 5. Februar 1955. Und wie es sich gehört: in Düsseldorf. Als geborener Düsseldorfer bin ich einer der ganz wenigen im Handwerk. Außer Andreas Ehlert, dem Präsidenten der örtlichen Handwerkskammer, treffe ich relativ wenig andere geborene Düsseldorfer.
DHB: Welche Ausbildung haben Sie absolviert?
Pollmann: Ich habe Jura in Bonn studiert. Meine Referendarzeit habe ich in Düsseldorf gemacht.
DHB: Wie sind Sie in die Bauwirtschaftsbranche gekommen?
Pollmann: Meine erste Stelle hatte ich bei einem Bauträger in Duisburg – einer Erbengemeinschaft, der damals auch die LTU gehörte. Die hatte allein 5.000 Wohnungen in ihrem Eigentum. Da hat es mir aber nicht so gut gefallen. Nach meiner Probezeit habe ich mich umgeschaut. Die Baugewerblichen Verbände suchten damals einen Justitiar. Innerhalb von sieben Tagen hatte ich die neue Stelle. Dann habe ich hier angefangen und nach nur wenigen Tagen habe ich gesagt: "Hier gehst du nicht mehr weg." Das war genau das, was ich immer machen wollte.
DHB: Von wann bis wann waren Sie Hauptgeschäftsführer?
Pollmann: Als Justitiar habe ich am 1. Juli 1984 angefangen. Am 1. Oktober 1992 bin ich Hauptgeschäftsführer geworden.
DHB: Das ist ein ungewöhnlich langer Zeitraum.
Pollmann: Ja, aber das ist für diesen Verband typisch. Ich habe seit 1937 nur zwei Vorgänger. Nicht nur das Ehrenamt ist bei uns relativ lange im Amt, sondern auch das Hauptamt.
DHB: Haben sie ein Vorbild in Ihrer Tätigkeit für den Verband?
Pollmann: Nein. Ich habe nur einen Leitspruch. Der stammt - zufällig! - von Herbert Wehner. Er hat mal gesagt: "Aus der Tür, aus der du rauskommst, musst du auch wieder reinkommen können." So habe ich Verbandsarbeit immer aufgefasst. Mir war es immer wichtig, nie persönlich zu werden und immer sachlich zu bleiben, sodass man am nächsten Tag wieder gut zusammenarbeiten konnte. Bauwirtschaft ist ja dafür bekannt, sehr direkt zu sein. Man weiß immer, woran man ist. Aber man ist sich hinterher nicht böse.
DHB: Welche drei Eigenschaften sollte ein Hauptgeschäftsführer haben?
Pollmann: Er sollte zuverlässig, diplomatisch und ganz wichtig: berechenbar sein.
DHB: Warum ist Berechenbarkeit so wichtig?
Pollmann: Ich bin der Meinung, dass die Leute in den Ehrenämtern immer wissen müssen, woran sie sind. Sie müssen wissen, wie man tickt. Dann werden sie auch nicht überrascht. Es gibt ja manchmal Menschen, da weiß man einfach nicht, woran man ist, wie sie reagieren und welche Ideen sie haben. Solche Menschen sind in der Verbandsarbeit falsch. Alle müssen wissen, woran sie sind. Darum pflege ich auch eine sehr direkte Sprache.
DHB: Wie funktioniert generell die Zusammenarbeit mit dem Ehrenamt?
Pollmann: Die funktioniert hier sehr gut. Man hat mir über die Jahrzehnte immer sehr viel Freiheit gelassen. Das liegt vielleicht auch daran, dass wir eine Bürogemeinschaft sind. Ich habe nicht einen Vorsitzenden, sondern zwischen vier, als ich angefangen habe, und jetzt sieben Vorsitzenden. Das funktioniert nur, wenn sich alle zurücknehmen. Damit sind wir offensichtlich gut gefahren, sonst hätte ich das nicht so lange gemacht.
DHB: Welches Ereignis bleibt Ihnen aus Ihrer Zeit als Hauptgeschäftsführer im Gedächtnis?
Pollmann: Der absolute Höhepunkt ist natürlich das Zusammenführen der beiden Bauverbände in Nordrhein-Westfalen. Das ist das Wichtigste ganz zum Abschluss meines Berufslebens. Als ich hier angefangen habe, habe ich nach einiger Zeit gehört, dass es da noch einen westfälischen Bauverband gibt. Das konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen und das fand ich auch atypisch. In all den Jahren habe ich diese Zweiteilung in Nordrhein-Westfalen immer als sehr negativ empfunden. Meine Vorsitzenden und ich haben auch immer wieder Vorstöße versucht, das besser zu kanalisieren. Und dass mir das zusammen mit vielen anderen zum Ende meines Berufslebens geglückt ist, das ist sicherlich der Höhepunkt meiner Verbandsarbeit. Weil wir damit das Baugewerbe in Nordrhein-Westfalen endlich unter einem gemeinsamen Dach vereinen können.
DHB: Wieso hat es so lange gebraucht? Es gab ja mehrere Anläufe.
Pollmann: Es gab immer mal wieder Anläufe. Die sind immer wieder gescheitert. Die Rheinländer waren da immer etwas offener, die Westfalen wollten nicht so ganz. Jetzt war der Weg plötzlich frei. Wir haben das innerhalb eines halben Jahres über die Bühne gebracht. Es hat überhaupt keine Auseinandersetzung gegeben in dieser Phase. Wir haben jetzt eine gemeinsame Interessenvertretung in Nordrhein-Westfalen, sprechen mit einer Stimme und haben damit auch viel mehr politisches Gewicht.
DHB: Welchen besonderen Reiz hat die Arbeit für die Baubranche?
Pollmann: Der Reiz liegt darin, eine sehr gewichtige Branche zu vertreten. Wir sind einer der größten Wirtschaftszweige Deutschlands. Allein das macht schon viel Spaß, weil man auch gehört wird. Wir hatten Mitte der achtziger Jahre eine Branche, die überbesetzt war. Es gab eigentlich zu viele Firmen und zu viele Mitarbeiter in Deutschland. Wir hatten zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung 1,4 Millionen Beschäftigte, heute haben wir noch 700.000. Dieser Strukturwandel war schon heftig. Unsere Branche wurde damals gar nicht mehr so richtig ernst genommen in der Politik. Es hieß dann immer, Deutschland ist fertig gebaut. Dass das Gegenteil der Fall war, hat man uns nicht geglaubt. Wir haben im Bereich Straßenbau von der Substanz gelebt. Beim Wohnungsbau meinte man, keine Wohnungen mehr nötig zu haben. Jetzt aber haben wir wieder den Stellenwert in der Politik bekommen, der uns als einer der größten Wirtschaftszweige eigentlich zusteht. Wir haben eine konjunkturelle Hochphase. Die Bauwirtschaft wird benötigt.
DHB: Wie macht sich der höhere Stellenwert der Branche bemerkbar?
Pollmann: Als wir in den Talkshows des Fernsehens waren, wusste ich, wir haben es geschafft. Als plötzlich der Wohnungsmangel vor der vorletzten Bundestagswahl thematisiert wurde, war allen klar, wir sind wieder da, wo wir hingehören. Bauwirtschaft war im Rahmen der Rezession nicht sexy. Mittlerweile sind wir wieder attraktiv als Gesprächspartner für die Politik. Auch für die Medien sind wir wieder von Interesse.
DHB: Aber Fachkräfte sind trotzdem knapp.
Pollmann: Ja, wir haben ja abgebaut. Und wer einmal die Bauwirtschaft verlassen hat, kommt nicht so schnell wieder. Wir sind sehr witterungsabhängig, wir haben ständig wechselnde Arbeitsplätze. Wer einmal in der stationären Industrie gelandet ist, der überlegt sich das zweimal, ob er in die Bauwirtschaft zurückkehrt. Das ist leider so.
DHB: Wie lange denken Sie wird die konjunkturelle Hochphase in der Bauwirtschaft anhalten?
Pollmann: Was Wohnungsbau angeht, hält das solange an, wie wir eine Niedrigzinsphase haben. Niedrige Zinsen sind für Bauwillige das größte Konjunkturprogramm, was man sich vorstellen kann. Besser als jeder Zuschuss, den eine Bank oder der Staat geben kann. Im öffentlichen Bau im Rahmen der Infrastruktur ist auch kein Ende abzusehen, solange die Politik bereit ist, Mittel für die Sanierung der Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Der Druck ist da. In einigen Regionen Nordrhein-Westfalens gibt es Riesenprobleme für Unternehmen, ihre Produkte auf die Weltmärkte zu bringen, weil die Lkw nicht mehr über die Brücken fahren können. Da sehe ich noch lange kein Ende der Investitionsphase am Horizont.
DHB: Es gibt erste Regionen, in denen die Leute wieder auf das Land ziehen. Stichwort dramatisch steigende Immobilienpreise.
Pollmann: Das ist ein Mikrotrend. Der große Trend ist ein anderer. Der heißt zurück in die Stadt. Und die Politik eilt dem hinterher. Zurück in die vermeintlich bessere Lebensqualität, in die bessere Nahversorgung. Ich kann das verstehen, wenn es um ältere Menschen geht. Bei jüngeren Menschen wundert mich das. Aber selbst junge Familien ziehen zurück in die Stadt und stoßen da auf enge Märkte. Ich habe jetzt in die Diskussion mit unserer Bauministerin Scharrenbach einen Vorschlag gebracht: Das große Problem ist nicht die Baukapazität, es sind die fehlenden Grundstücke im Innenstadtbereich. Das könnten wir über Nachverdichtung lösen. Die größte Reserve, die wir dafür haben, sind die Dachflächen. Das schnellste und preiswerteste, was wir machen können, sind demnach Dachaufstockungen und Dachgeschossausbauten. Ich hoffe, dass dieser Vorschlag von der Politik gehört wird, denn so könnten wir relativ schnell Wohnraum schaffen.
DHB: Ministerin Scharrenbach hat bei einer Veranstaltung der Handwerkkammer Düsseldorf sinngemäß gesagt, dass die Zukunft der Stadtwerke nicht nur in der Energieversorgung, sondern in weiteren Dienstleistungen und Tätigkeiten liegt. Ist da eine Gefahr, dass die öffentliche Hand in das Private reingrätscht?
Pollmann: Ja, nicht nur die öffentliche Hand. Wir sehen ja parallel, dass die großen Stromversorger das Geschäft der Erzeugung von Strom aus fossilen Brennstoffen verlieren werden. Das Geschäftsmodell hat keine Zukunft mehr. Und darum suchen die alle händeringend neue Tätigkeitsfelder. Sie suchen Geschäftsfelder in der regenerativen Energie und werden damit zwangsläufig dem Handwerk in die Quere kommen.
DHB: Die Zeitumstellung von Sommer- und Winterzeit ist jetzt in der Diskussion. Für die Bauwirtschaft ein Problem, richtig?
Pollmann: Das ist ein Riesenproblem. Wir brauchen ja Tageslicht zum Arbeiten. Es werden zwar Nachtbaustellen im Bundesfernstraßenbau stark forciert, aber das ist natürlich stark gefahrengeneigt und das können Sie den Leuten auch nicht dauerhaft zumuten. Es geht da auch um die Gesundheit der Belegschaften. Und es ist eine Kostenfrage. Im Moment ist das Geld da, aber das wird sich irgendwann umkehren.
DHB: Was werden Sie aus Ihrer täglichen Arbeit am meisten vermissen?
Pollmann: Das wird Sie erstaunen: meine ganzen Vorsitzenden und Präsidenten und meine Mitarbeiter, mit denen ich täglich zu tun habe. Sie werden mir schon sehr fehlen. Darum verschwinde ich auch nicht so ganz. Das würde mir schon schwerfallen, das muss ich ganz ehrlich sagen. Ich unterstütze meinen Nachfolger, indem ich nächstes Jahr noch viele Handwerkstermine wahrnehme. Er übernimmt ja mit sieben Verbänden hier eine ziemlich große neue Bürogemeinschaft.
DHB: Hätten sie gerne ein Handwerk gelernt?
Pollmann: Nicht unbedingt. Ich hätte mir gewünscht, dass es das duale Studieren schon früher gegeben hätte. Ich habe drei Söhne. Alle drei haben dual studiert, haben also eine Lehre und ein Studium absolviert. Das hätte ich auch gerne gemacht. Ob es eine gewerbliche Lehre geworden wäre, weiß ich nicht. Nur Jura zu studieren, wäre mir heutzutage viel zu wenig.
DHB: Was machen Sie jetzt in der Freizeit?
Pollmann: Mir bleibt erstmal mein Konsulat erhalten. Ich bin ja Honorarkonsul von Madagaskar. Übrigens der einzige im Handwerk in Deutschland, soweit ich weiß. Da bin ich sehr stolz drauf. Ich habe in den letzten Jahren viele Termine als Konsul nicht wahrnehmen können, weil die Zeit das nicht hergegeben hat. Das werde ich intensivieren. Ich habe verschiedene Hobbys, nicht nur Motorrad, sondern auch Oldtimer fahren. Das werde ich weiter pflegen. Und: Mein jüngster Sohn ist Bauingenieur und hat ein Ingenieurbüro aufgemacht. Es könnte sein, dass ich ihm beim Aufbau ein bisschen helfe.
DHB: Wenn Sie in fünf Jahren Ihre alte Wirkungsstätte besuchen, wie würden Sie am liebsten begrüßt werden?
Pollmann: Freundlich. Als jemand, der keine Leichen im Keller hinterlassen hat, mit offenen Armen. Das würde mich schon freuen.
DHB: Vervollständigen Sie zum Abschluss folgenden Satz: Meinem Nachfolger wünsche ich …
Pollmann: ... viel Erfolg und eine glückliche Hand. Die Übergabe hat absolut reibungslos funktioniert. Er ist ja auch ein erfahrener Geschäftsführer, von daher ist er der richtige Mann. Viel spannender ist, was kommt nach ihm? Er ist ja 60 Jahre alt und wird das nur eine gewisse Phase machen. Dann kommt der große Wandel, vielleicht in fünf Jahren. Da bin ich gespannt.
Das Interview führten Michael Block und Lars Otten.
Text:
Lars Otten /
handwerksblatt.de
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