Vielen Bäckereien steht das Wasser jetzt schon bis zum Hals. Die Innungen organisieren Protestaktionen, damit die Hilferufe gehört werden.

Vielen Bäckereien steht das Wasser jetzt schon bis zum Hals. Die Innungen organisieren Protestaktionen, damit die Hilferufe gehört werden. (Foto: © Maurizio Milanesio/123RF.com)

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Handwerk fordert Rettungsring mit Härtefallhilfen

Betriebsführung

Die Lage im Handwerk ist teilweise dramatisch, vor allem in den energieintensiven Betrieben. Das zeigt die jüngste ZDH-Sonderumfrage. Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer fordert sofortige und unbürokratische Hilfen.

Das Handwerk fordert sofortige Hilfe für die energieintensiven Betriebe. Dort hat sich die Situation in den vergangenen Wochen zugespitzt. Wie ernst die Lage ist, zeigt eine aktuelle ZDH-Sonderumfrage unter den Betrieben. 60 Prozent der Handwerksbetriebe berichtet von Umsatzausfällen, die direkt oder indirekt auf den Ukraine-Krieg zurückzuführen sind.

Um eine Insolvenz-Welle im Handwerk zu verhindern, müsse die Unterstützung jetzt kommen, betonte ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer gegenüber der Nachrichtenagentur dpa.

ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer Foto: © ZDH/Boris TrenkelZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer Foto: © ZDH/Boris Trenkel

Die Betriebe würden untergehen, "wenn ihnen nicht schnell ein Rettungsring aus direkten und unbürokratischen Härtefallhilfen zugeworfen wird", so Wollseifer weiter. "Zeitverzögerte Maßnahmen reichen nicht aus."

Vielen energieintensiven Betrieben würde das Wasser "inzwischen bis zum Hals stehen", sagte Wollseifer. Die Unterstützung müsse deshalb jetzt kommen und einfach zu beantragen sein.

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Öffnung der Förderprogramme für das Handwerk

Aktuell laufen im Bundeswirtschaftsministerium die Arbeiten an einer Erweiterung des Energiekostendämpfungsprogramms, um den Mittelstand stärker zu stützen. Das Thema Wirtschaftshilfen für den Mittelstand steht heute (13.09.) im Mittelpunkt eines Treffens von rund 40 Mittelstandsverbänden mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck

Dieser hat laut einem Bericht der Tagesschau angekündigt, dass er bestehende Förderinstrumente so öffnen möchte, dass auch das Handwerk profitiert. Mittelständische Unternehmen, die von den steigenden Energiekosten stark betroffen sind, sollen leichter Zuschüsse erhalten können.  Je stärker ein Unternehmen von den hohen Energiekosten betroffen ist, desto höher soll der Zuschuss ausfallen, heißt es da. "Nun kommt es aber entscheidend darauf an, wie schnell wir uns in der Bundesregierung einigen und die Umsetzung schnell auf den Weg bringen können", sagte Habeck laut tagesschau.de. 

Umsatzausfälle bei 60 Prozent der Betriebe

Bei keiner der ZDH-Sonderumfragen hätten sich so viele Betriebe beteiligt wie bei dieser. Insgesamt waren es knapp 4.200. Wie ernst die Lage ist zeigt sich daran, dass die Umsätze bei einer Mehrheit von 60 Prozent der Betriebe deutlich eingebrochen sind. Im Schnitt sind etwa 19 Prozent des erwarteten Umsatzes im bisherigen Kalenderjahr verloren gegangen.

Als Gründe für den Umsatzrückgang nennen die Betriebe 

  • eine zunehmende Kaufzurückhaltung der Konsumenten (50 Prozent),
  • Auftragsstornierungen als Folge gestiegener Beschaffungs- und Energiekosten (25 Prozent) sowie 
  • Einschränkungen bei Produktion/Auftragserbringung infolge gestiegener Beschaffungs- und Energiepreise (17 Prozent) und der
  • Ausfall von Lieferanten aus der Ukraine, Belarus oder Russland (9 Prozent).

Situation bei Lieferketten und Beschaffungspreisen bleibt angespannt

"Die enorm gestiegenen Energiepreise machen es für zahlreiche Handwerksbetriebe unmöglich, überhaupt noch rentabel und ohne Verluste ihr Geschäft zu betreiben", berichtet Wollseifer. "Vielen Betrieben fehlen schlicht die Mittel, um eine solche Durststrecke zu überstehen." Auch die Situation bei den Lieferketten und den Beschaffungspreisen bleibe äußerst angespannt. Bestehende Aufträge werden für die Betriebe unwirtschaftlich und es kommt zu Verzögerungen bei der Erfüllung von Aufträgen oder gar Auftragsstornierungen.

  • Lieferengpässe sehen die Betriebe insbesondere bei Elektronik-Komponenten und Metallen,
  • eine besonders hohe Preisdynamik bei Metallen und Elektronik-Komponenten sowie bei Kunststoffen und Energieträgern.

Preiserhöhungen im Schnitt bei 70 Prozent

88 Prozent der Handwerksbetriebe berichten von einem Anstieg ihrer Energiekosten seit Januar 2022. Im Mittel sind sie um 62 Prozent gestiegen. Dazu beigetragen habe, so die Umfrage, dass viele Versorgungsunternehmen bereits die Bezugspreise für Strom und Erdgas erhöht (71 Prozent) oder Verträge gekündigt (sechs Prozent) haben. Preiserhöhungen lagen dabei bei durchschnittlich 70 Prozent.

Lediglich vier Prozent der Betriebe berichten, dass sie ihre gestiegenen Kosten umfassend an ihre Kunden weitergeben können, 70 Prozent noch anteilig.  27 Prozent können die höheren Energiekosten aktuell gar nicht weitergeben.

Energiekostendämpfungsprogramm schnell für Handwerksbetriebe öffnen

"Auf Dauer wird sich jedoch kein Betrieb halten können, wenn die Kosten immer größer werden und gleichzeitig die Umsätze immer weiter zurückgehen", betont Wollseifer.  Seit Wochen dringe der Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) darauf, das Energiekostendämpfungsprogramm für energieintensive Handwerksbetriebe zu öffnen.

Es ist daher "ein richtiger und wichtiger Schritt, dass die Bundesregierung endlich angekündigt hat, das Energiekostendämpfungsprogramm branchenübergreifend für energieintensive und besonders betroffene Betriebe zu öffnen".

Diese Härtefallhilfe müsse nun schnell umgesetzt werden, dass betroffene Betriebe sie in diesem und im kommenden Jahr nutzen können. Zudem fordert der ZDH-Präsident eine Energiekostenabfederung für kleine und mittlere Betriebe über eine Energiepreisbremse.

Und die Bundesregierung müsse die Energiesteuern auf die europarechtlich zulässigen Mindeststeuersätze senken.

Flächendeckende Preisgleitklauseln gefordert

Darüber hinaus müsse die öffentliche Vergabepraxis an die neuen Gegebenheiten angepasst werden, so der ZDH. Es müssten flächendeckend Preisgleitklauseln und die Verlängerung von Fertigstellungsfristen zum Einsatz kommen. 

Für bestimmte Baustoffe, für die Belarus und Russland maßgebliche Lieferländer sind, habe die Bundesregierung bei der Vergabe von Bauaufträgen im Bundesbau bereits eine möglichst flächendeckende Nutzung von Preisgleitklauseln vorgegeben und den Beschaffern mehr Flexibilität  eingeräumt.

Für den Liefer- und Dienstleistungsbereich würden entsprechende Regelungen aber noch fehlen. Für den überwiegenden Teil der öffentlichen Auftragsvergaben sei zudem nicht der Bund, sondern sind die Länder und Kommunen verantwortlich.  

Warum ist das Handwerk so stark von der Energiekrise betroffen? 

Etwa zwei Drittel der Handwerksbetriebe (63 Prozent) nutzen Erdgas als Energieträger. Darunter 42 Prozent, die auch zukünftig im gleichen Umfang auf Erdgas als Energieträger setzen wollen oder müssen. Neun Prozent haben Erdgas durch andere Energieträger ersetzt, weitere 13 Prozent haben das vor. Sie wollen auf Strom oder Holz umsteigen.

Als Gründe für das Festhalten an Erdgas wurden ein Mangel an geeigneten Alternativen (64 Prozent), eine zu lange Amortisationsdauer der Investitionskosten (41 Prozent) und/oder die fehlende Verfügbarkeit der notwendigen technischen Komponenten (33 Prozent) genannt.

Ein Fünftel der Handwerksbetriebe nutzt Erdgas für die Prozesswärme in seinen Produktionsabläufen. In diesen Betrieben hat sich der Anteil der Ausgaben für die Beschaffung des Erdgases im Verhältnis zum Betriebsumsatz (Erdgasintensität) gegenüber dem Vorjahr deutlich von 7,0 auf 10,1 Prozent erhöht.

Unterstützungsprogramme kommen noch nicht an

Die Unterstützungsprogramme zur Abfederung der Folgen des Ukraine-Kriegs und der stark gestiegenen Energiekosten kommen im Handwerk trotz bisher nicht an. Lediglich weniger als ein Prozent der Betriebe hat die Sonderdarlehensprogramme (etwa der KfW) oder Sonderbürgschaften der Bürgschaftsbanken in Anspruch genommen, nur zwei Prozent planen dies.

23 Prozent gaben an, dass die Zugangsvoraussetzungen für die Hilfen nicht erfüllt werden und sieben Prozent bezeichnen die Konditionen der Programme als nicht marktgerecht.

Auch beim Energiekostendämpfungsprogramm hat nur einer von 99 Umfrageteilnehmern einen Antrag gestellt, drei  Prozent planen dies noch zu tun. 23 Prozent fallen durch das Förderraster, weil sie die Zugangsvoraussetzungen nicht erfüllen.

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Text: / handwerksblatt.de

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