Prof. Dr. Gunter Dueck sieht in der Digitalisierung neue Chancen für das Handwerk. Mit dem DHB sprach der Autor darüber, was Betriebe dazu beitragen müssen.
Die Digitalisierung geht am Handwerk nicht vorbei. Der Autor, Innovator und Querdenker Prof. Dr. Gunter Dueck sieht darin für Betriebe ganz neue Chancen – wenn sie zu Veränderungen bereit sind. Im Interview mit dem Deutschen Handwerksblatt (DHB) entwickelt der ehemalige Chief Technology Officer von IBM Deutschland eine Vision für die Zukunft des Handwerks.
DHB: Die Gesellschaft wird immer mehr und schneller durchdigitalisiert. Wo sehen Sie das Handwerk in 20 Jahren? Gunter Dueck: Das Handwerk wird bestimmt bleiben! Es wird sich wohl mehr industrialisieren müssen, weil eine Handwerkerstunde gegenüber den Produkten des Lebens optisch zu teuer erscheint. Für eine Meisterstunde kann ich mir zum Beispiel ein Smartphone kaufen! Dieser Druck wird zu Effizienz zwingen.
DHB: Wo steht das Handwerk in Sachen Digitalisierung aus Ihrer Sicht heute? Gunter Dueck: Solange die Kunden bei Handwerkern um Termine fast betteln müssen, braucht ein Handwerker keine Kundenverwaltung, kein Marketing, keine Webseite, kein Einkaufssystem für Ersatzteile etc. Da sehe ich das Handwerk noch weit hinten – aber ich verstehe, warum es nicht so sehr pressiert.
DHB: Was sind aktuell die größten Herausforderungen für das Handwerk in Sachen Digitalisierung? Gunter Dueck: Heute geht man oft zum Handwerker "im Dorf", egal, wie gut der ist. Wenn sich der Kunde aber zunehmend im Internet um den besten Handwerker kümmert, und nicht einfach in den Gelben Seiten nachschaut, dann gewinnen die "Besten im Umkreis" an Zulauf. Das führt zu einem Druck auf die Professionalität des Handwerks, und die nicht so tollen Betriebe werden schließen. Es findet also auf sehr regionaler Ebene eine Mini-Globalisierung statt. Bei Ärzten ist die schon länger im Gang.
DHB: Was bremst Ihrer Erfahrung nach die Digitalisierung in Unternehmen aus? Gunter Dueck: Im Augenblick mangelnde Notwendigkeit und Lust, sich als Pionier einzuarbeiten. Alle warten wohl, bis es sein muss.
DHB: Wie finden Handwerksbetriebe eine gute Digitalisierungsstrategie? Gunter Dueck: DAS ist der Punkt! Alle warten, bis klar ist, was genau zu tun wäre. Dann aber hat man nichts mehr davon. Die Kunden sind schon zu den Pionieren abgewandert, und die endlich verfügbare Standardstrategie ist nun Pflicht – und zahlt sich nicht mehr aus.
DHB: Wie müssen Betriebe ihre Mitarbeiter fortbilden, damit diese bei der Digitalisierung mithalten? Gunter Dueck: Kleine Betriebe sollten schauen, welche Gesellen Lust haben, sich einzuarbeiten, und diese einfach machen lassen. Sie können natürlich vieles einkaufen, eine Webseite zum Beispiel. Die ist ihnen nur meist viel zu teuer. Hey, die Designer und Programmierer nehmen auch Meisterstundenhonorare! Ich bin auch Selbstständiger und muss ganz unbedingt eine Internetpräsenz haben – ich finde es auch teuer, gebe ich ja zu.
DHB: Steht dem Handwerk eine Industrialisierung von Dienstleistungen bevor? Gunter Dueck: Ja, klar. Man könnte zum Beispiel regional Gesellen-Pools einrichten oder Leihhandwerker unter Vertrag haben, auf die die Meister per digitaler Lösung zugreifen können. Schauen Sie auf Sekretariats-Pools, auf die Abrufkräfte bei Restaurants oder das gemeinsame Nutzen der Großmaschinen durch Bauern! Gibt es alles schon, aber die Meister müssten zusammenarbeiten. Das aber berührt ihre heilig gehaltene Selbstständigkeit und fällt entsprechend schwer.
DHB: Brauchen Betriebe künftig ein neues Businessmodell? Gunter Dueck: Das finde ich zu weit gegriffen. Ich denke, alle diejenigen Betriebe werden gewinnen, die umfassend professionell beraten können und Kunden wirklich verstehen. Das gilt für überhaupt alle Unternehmen und ist derzeit überall das Problem. Echtes Kundenverständnis fehlt weithin. Unser Meister in Waldhilsbach brummelte zum Beispiel: "Warum bestellen Sie bei mir so teure Armaturen? Na gut, wie Sie wollen, ich baue sie ein." Neben ihm steht aber jemand, der das Gesicht verzieht. Anderes Beispiel: Wir warten nicht mehr so gerne. Die Pakete werden zeitgerecht gebracht oder abgelegt, die Ärzte werden pünktlicher, Reparaturaufträge können schon manchmal im Netz getrackt werden. Unsere Erwartungshaltungen ändern sich. "Ich komme erst zehn Tage später" wollen wir nicht mehr hören.
DHB: Was wird aus Handwerksbetrieben, die keine Digitalisierungsstrategie haben? Gunter Dueck: Es geht nicht so sehr um Digitalisierung, sondern ganz umfassend um moderne Dienstleistung – und um ein Ende der Servicewüste Deutschland. Das ist mehr als nur Digitalisierung. Mit einem Computer verstehen Sie den Kunden ja immer noch nicht.
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Die Jahrestagung 2018 der Landes-Gewerbeförderungsstelle des nordrhein-westfälischen Handwerks e.V. (LGH) in der Handwerkskammer Düsseldorf stand unter dem Titel "Chancen der Digitalisierung im Handwerk NRW“ und gab Einblicke und Ausblicke zum Thema. Insbesondere beschäftigten sich die Teilnehmer mit den Anforderungen, die Unternehmen des Handwerks an das Beratungswesen stellen und wie man diesen gerecht wird. Ein Höhepunkt: der Gastvortrag "Die Digitalisierung macht ernst" von Prof. Dr. Gunter Dueck. Der ehemalige Chief Technology Officer von IBM Deutschland ist mehr als nur ein visionärer Innovator, Autor vieler Bücher, Querdenker und Philosoph. In Düsseldorf sprach er vor den Beratergruppen der Handwerkskammern und Fachverbände in Nordrhein-Westfalen, um aufzuzeigen, dass Veränderungen Anpassungsschmerzen bereiten, zugleich aber auch die Chance eröffnen, eine neue Lebenswelt zu erschaffen.
Hintergrund: Prof. Dr. Gunter Dueck, Jahrgang 1951, ist ein visionärer Innovator, Autor vieler Bücher, Querdenker und Philosoph. Er promovierte 1977 an der Universität Bielefeld im Fachbereich Mathematik und war dort nach seiner Habilitation 1981 fünf Jahre lang als Professor tätig. Ab 1987 arbeitete Prof. Dr. Gunter Dueck 25 Jahre lang für IBM Deutschland, zuletzt als Chief Technology Officer. Seit 2011 ist er selbstständig als freischaffender Schriftsteller, Business-Angel und Speaker.
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