"Eine gute ERP- SoftwareBau ist für jeden Handwerksbetrieb ein Muss, um die Projekte so effizient wie möglich planen, durchführen, kontrollieren und abrechnen zu können." Dr. Ines Prokop, Geschäftsführerin Bundesverband Bausoftware.

"Eine gute ERP- SoftwareBau ist für jeden Handwerksbetrieb ein Muss, um die Projekte so effizient wie möglich planen, durchführen, kontrollieren und abrechnen zu können." Dr. Ines Prokop, Geschäftsführerin Bundesverband Bausoftware. (Foto: © Peter Bernik/123RF.com)

Vorlesen:

"Die digitale Bauakte wird die Zettelwirtschaft auf der Baustelle ablösen"

Betriebsführung

Im Interview mit dem DHB spricht Dr. Ines Prokop, Geschäftsführerin des Bundesverbandes Bausoftware, über die Ziele ihres Verbandes und die digitalen Herausforderungen.

Dr. Ines Prokop ist seit Frühjahr 2020 Geschäftsführerin des Bundesverbandes Bausoftware. Das Deutsche Handwerksblatt (DHB) sprach mit ihr über die Ziele des Bundesverbandes sowie die digitalen Herausforderungen für die Bauindustrie und Bauhandwerk.

DHB: Frau Prokop, seit Juni 2020 sind Sie Geschäftsführerin des Bundesverbandes Bausoftware. Was genau macht der Bundesverband?
Prokop: Die Entwicklung von einheitlichen Standards, Datenaustauschverfahren und technischen Schnittstellen standen auf der Agenda, als der Bundesverband Bausoftware BVBS vor über 25 Jahren von etwa 40 Softwareunternehmen gegründet wurde. Diese Aufgabenbereiche gehören bis heute zu den Kernthemen des Bundesverbandes. Mit seinen Mitgliedern und den Marktpartnern erarbeitet der BVBS beispielsweise die Kriterien für die GAEB-Zertifizierung von Softwareprogrammen und führt die Prüfungen durch. Experten der BVBS-Mitgliedsunternehmen engagieren sich in zahlreichen Normungsgremien von DIN und CEN im Bereich BIM und Digitalisierung. Der fachliche Austausch, wie aktuell zur Umsetzung der Anforderungen an die E-Rechnung, gehört natürlich auch zum BVBS.
Als einzige Interessenvertretung der Bausoftwarehäuser in Deutschland setzt sich der Verband in der Politik und in der Branche dafür ein, die Leistungsfähigkeit und Innovationskraft der Bauwirtschaft durch die Digitalisierung zu stärken. Dazu gehört auch die Mitorganisation von Baufachmessen für den IT-Bereich. Die vom BVBS mit initiierte digitalBAU auf dem Kölner Messegelände im Februar 2020 war ein voller Erfolg. Daran möchten wir anknüpfen, sobald sich die durch Covid-19 stark beschnittenen Randbedingungen wieder normalisiert haben.

Dr. Ines Prokop, Geschäftsführerin des Bundesverbandes Bausoftware. Foto: © BVBSDr. Ines Prokop, Geschäftsführerin des Bundesverbandes Bausoftware. Foto: © BVBS

DHB: Können Sie Zahlen nennen, wie sich der Bereich der Bausoftware in den letzten Jahren entwickelt hat?
Prokop: In Statistiken wird die Bausoftware im Allgemeinen nicht als separater Softwarebereich betrachtet. Software für das Baugewerbe umfasst ja sowohl die nicht-bauspezifischen digitalen Technologien wie ERP-Systeme und Cloud-Computing als auch bauspezifische digitale Technologien wie BIM oder 3D-Scanning. In der Branche ist enorm viel Bewegung mit einer prosperierenden Start-up-Scene einerseits und jährlich vielen Unternehmensübernahmen andererseits. Lassen Sie mich einige Zahlen zur Digitalisierung der Baubranche allgemein nennen (Quelle: BBSR-Online-Publikation Nr. 19/2019).
Zum Baugewerbe (Bauhaupt-, Ausbau- und sonstiges Baugewerbe) gehören fast 330.000 Betriebe. Nur 28 % der im Baugewerbe Beschäftigten nutzten im Jahr 2010 einen an das WWW angeschlossenen Computer, im Jahr 2018 waren es fast 50 %. Der Anteil der Unternehmen, die ERP-Softwarepakete verwenden, verdoppelte sich zwar zwischen 2010 und 2017 von 10 % auf 20 %, war aber insgesamt auf niedrigem Niveau. Nur 14 % der Unternehmen bezogen 2018 kostenpflichtige Cloud-Computing-Dienste (CC-Dienste) über das Internet, während es in Schweden zeitgleich schon 58 % waren. Sämtliche Zahlen dürften sich allerdings insbesondere in diesem Jahr deutlich erhöht haben. Allgemein bekannt ist, dass das Baugewerbe bei einem Großteil der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) deutlich hinter anderen Industrien liegt. Immerhin 59 Prozent der Bauunternehmen in Deutschland hatten 2019 den Kontakt zu Kunden und Zulieferern digitalisiert.

DHB: Gerade im Baubereich gibt es zahlreiche Anforderungen an Handwerksbetriebe, die durch moderne Bausoftware gelöst werden können. Wo sehen Sie aktuell die Schwerpunkte? Womit sollte sich jeder Handwerksbetrieb wappnen?
Prokop: Eine gute ERP-Software Bau ist für jeden Handwerksbetrieb ein Muss, um die Projekte so effizient wie möglich planen, durchführen, kontrollieren und abrechnen zu können. Für KMU eignet sich insbesondere im Baugewerbe cloudbasierte ERP-Software, da sie flexibel mobil auf der Baustelle genutzt werden kann (eine gute Netzversorgung vorausgesetzt). Die digitale Bauakte wird die Zettelwirtschaft auf der Baustelle ablösen; der Zugriff auf die Daten, Kalkulation und Zeiterfassung der Mitarbeiter, Soll-Ist-Vergleiche usw. werden durch ERP-Software enorm vereinfacht. Natürlich ist die Qualifikation der Beschäftigten essenziell, um die Technologien optimal zu nutzen. Des Weiteren, denke ich, sollte der digitale Vernetzungsgrad der Unternehmen erhöht werden.
Der Bedarf an Digitalisierung ist gerade bei KMU hoch. Dies zeigte sich am kürzlich gestarteten Programm „Digital Jetzt – Investitionsförderung für KMU“ des BMWi (www.digitaljetzt-portal.de) – binnen weniger Wochen war das Kontingent für 2020 ausgeschöpft und nicht mal mehr eine Online-Registrierung möglich. Das Programm läuft noch bis 2023 und es ist zu hoffen, dass die Mittel noch aufgestockt werden und eine Anmeldung und Mittelbeantragung für KMU wieder möglich wird. Seit langem haben zudem verschiedene Bundesländer separate Förderprogramme für die Digitalisierung aufgesetzt.

Das könnte Sie auch interessieren:

DHB: Schaut man in die Zukunft, werden auch Themen wie BIM für das Handwerk von Interesse sein. Welche Auswirkungen wird die Bauplanung und -abwicklung über BIM auf das Handwerk haben?
Prokop: Die Papierzeichnung wird irgendwann weitgehend verschwinden. Das hätte ich noch vor ein paar Jahren nicht für möglich gehalten, aber es wird so kommen. Viele Handwerksbetriebe wünschen sich schon jetzt eine Kombination von ERP- und BIM-Software. Ich denke, für die Handwerksbetriebe sind „BIM-light“-Versionen sinnvoll. Um das Potenzial von BIM auszuschöpfen, ist Cloud-Computing in Verbindung mit der Nutzung von mobilen Endgeräten erforderlich, da der reibungslose Zugriff auf zentral gespeicherte Modelle eine Grundvoraussetzung für das Arbeiten mit BIM ist. Der BVBS setzt sich im Übrigen seit vielen Jahren für Open BIM ein, wodurch ein durchgängiger Workflow möglich ist.

DHB: Gibt es weitere Themenschwerpunkte des Bundesverban- des Bausoftware, die Sie in der Zukunft sehen? Werden AR oder KI auch Auswirkungen auf das Geschehen am Bau haben? Gibt es hierzu schon Beispiele?
Prokop: Der BVBS möchte den Dialog mit den Beteiligten der Wertschöpfungskette Bau intensivieren. Uns interessieren die Potenziale, Prozesse in der Bauwirtschaft durch Digitalisierung zu verbessern. Zugleich wird eine bessere Information der Anwender über die bereits vorhandenen Möglichkeiten der Bausoftware vom BVBS angestrebt.
Ich bin mir sicher, dass künstliche Intelligenz KI zukünftig auch im Baugewerbe eine Rolle spielen wird, beispielsweise beim Erfassen des Baufortschritts, beim Prüfen der Baustellensicherheit oder beim Filtern von Informationen. Der Anteil der Unternehmen, die RFID-Technologien (Radio Frequency Identification) im Baugewerbe einsetzten, betrug 2014 nur 5,5 %, 2017 dann 7,6 %, da wird sich noch einiges tun. Augmented Reality (AR) scheint derzeit noch etwas spacig. Aber es ist doch für das Handwerk enorm nützlich, wenn wichtige Zusatzinformationen bei der Montage oder auch Wartung von Bauteilen direkt eingeblendet werden können. Schwierige Aufgaben lassen sich damit leichter, sicherer und qualitativ hochwertiger bewältigen. Mit AR, egal ob über Brillen oder Tablets, können bei Bedarf Texte, Bilder und Videos mit Anleitungen lagerichtig eingeblendet werden. Das ist großartig und kann ein Baustein sein, um den Nachwuchs für das Handwerk zu begeistern.

Die Fragen stellte Claudia Stemick.

HIntergrundDer Bundesverband Bausoftware (BVBS) wurde 1993 gegründet und verzeichnet aktuell 93 Mitglieder. Vorstandsvorsitzender ist Prof. Dr.-Ing. Joaquín Díaz, den stellvertretenden Vorsitz hat Dietmar Bernert inne.
Aktuell befasst sich der BVBS in vier Arbeitskreisen mit den Themen BIM, Baunebengewerbe, Bewehrungsdaten und Datenaustausch Der BVBS ist Gründungsgesellschafter der planen-bauen 4.0 GmbH

Text: / handwerksblatt.de

Das könnte Sie auch interessieren: