Altgesellen, die mindestens vier Jahre in leitender Position in ihrem Handwerk tätig waren, können eine Ausübungsberechtigung für einen eigene Betrieb beantragen.

Ein Geselle, der ausschließlich auf der Baustelle gearbeitet hat, kann keine Ausübungsberechtigung für eine eigene Firma beantragen. (Foto: © pryzmat/123RF.com)

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Ein Maurer muss auch BWL können, um sich selbstständig zu machen

Betriebsführung

Will ein Maurer nach der Altgesellenregelung einen eigenen Betrieb gründen, muss er betriebswirtschaftliche und rechtliche Kenntnisse nachweisen. Sonst kann die Handwerkskammer ihm die Berechtigung verweigern.

Die sogenannte Altgesellenregelung (Paragraf 7b Handwerksordnung) erlaubt es Gesellen mit Berufserfahrung, sich ausnahmsweise ohne Meistertitel selbstständig zu machen. Altgeselle ist, wer mindestens sechs Jahre in seinem Handwerk tätig war und davon mindestens vier Jahre in leitender Position.

Will ein Maurergeselle einen eigenen Betrieb leiten, geht das nur, wenn er betriebswirtschaftliche, kaufmännische und rechtliche Kenntnisse nachweisen kann. Das gilt auch dann, wenn der Mann sechs Jahre – davon vier Jahre in leitender Stellung –Erfahrung als angestellter Geselle gesammelt hat. Das hat das Verwaltungsgericht Koblenz jetzt entschieden.

Der Fall

Ein Maurer hatte über Jahre für mehrere Bauunternehmen als Polier gearbeitet und beantragte Anfang 2019 eine Ausübungsberechtigung nach der Altgesellenregelung für sein Handwerk. Diesen Antrag lehnte die Handwerkskammer ab, weil der Mann weder die gesetzlich vorgeschriebene vierjährige Berufserfahrung in leitender Stellung noch betriebswirtschaftliche, kaufmännische und rechtliche Kenntnisse vorgewiesen habe. Der Maurer klagte daraufhin mit dem Argument, er habe mindestens vier Jahre Berufserfahrung in leitender Stellung gesammelt. 

Das Urteil

Die Koblenzer Richter wiesen den Maurer ab. Zwar sei er viele Jahre in einem Betrieb leitend tätig gewesen. Dieser Betrieb sei hingegen im Laufe der Zeit personell deutlich verkleinert worden und der Inhaber habe nach einige Jahren, in denen er einen maßgeblichen Teil der Betriebsgeschäfte an den Kläger als seine "rechte Hand" delegiert hatte, zuletzt wieder mehr die Leitung übernommen. Für diesen Zeitraum könne von keiner leitenden Stellung des Klägers mehr ausgegangen werden.

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Nur auf der Baustelle gearbeitet

Darüber hinaus habe der Geselle keine betriebswirtschaftlichen, kaufmännischen und rechtlichen Kenntnisse nachweisen können. Zwar gehe das Gesetz vom Vorhandensein solcher Kenntnisse aus, wenn der Geselle Berufserfahrung in leitender Stellung erlangt habe (Paragraf 7 b Handwerksordnung).

Diese gesetzliche Regelvermutung könne jedoch in atypischen Fällen widerlegt werden, wenn keinerlei Anhaltspunkte für die Erlangung entsprechender Kenntnisse vorlägen. Dies sei hier der Fall, erklärte das Gericht. Der Kläger habe, was er auch in der mündlichen Verhandlung bestätigt habe, nahezu ausschließlich auf den Baustellen gearbeitet. Auch aus den von ihm selbst vorgelegten Unterlagen und den Verwaltungsakten ergäben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass er sich betriebswirtschaftliche, kaufmännische und rechtliche Kenntnisse während seiner beruflichen Tätigkeit oder auf andere Weise – etwa durch Lehrgänge – angeeignet habe. Daher habe die Handwerkskammer ihm zu Recht die Ausübungsberechtigung verweigert.

Verwaltungsgericht Koblenz, Urteil vom 4. August 2020, Az. 5 K 52/20.KO  

Viele kennen die Voraussetzungen nicht 

Rechtsanwältin Susanne Terhorst leitet die Rechtsabteilung bei der Handwerkskammer Koblenz und hat den Prozess vor Gericht geführt. "Der Kläger hatte keine kaufmännischen oder rechtlichen Kenntnisse", erklärt sie. "Er sagte auch selbst vor Gericht immer wieder, dass sich sein Chef um diese Themen gekümmert habe. Das Gericht hat gegen ihn entschieden. Nun will er in Berufung gehen. Ob das Gericht diese zulässt, ist aber fraglich."

Terhorst hat schon viele ähnlich gelagerte Fälle zum Thema Altgesellenregelung beraten. "Viele Leute denken, dass sechs Jahre Berufserfahrung und eine herausgehobene Stellung im Betrieb für die Ausübungsberechtigung ausreichen." Aber sie benötigen auch eigenverantwortliche Befugnisse, etwa in Personal-, Finanz- und Rechtsfragen sowie Kenntnisse in diesen Bereichen, die über die eigentliche handwerkliche Arbeit hinausgehen.

Finanzhilfen für Meisterschüler 

"Die Handwerkskammer prüft immer den Einzelfall und schaut sich genau an, welche Voraussetzungen die Antragsteller mitbringen. Dabei gibt es auch regelmäßig erfolgreiche Kandidaten", erklärt die Kammerjuristin. Und: "Häufig entscheiden sich die Leute während der Beratung doch dafür, die Meisterprüfung abzulegen."

Rheinland-Pfalz bietet dafür finanzielle Förderung: das Meister-BAföG, den Aufstiegsbonus I, der nach der bestandenen Meisterprüfung ausgezahlt wird und für die Gründung mit Meister den Aufstiegsbonus II. Außerdem ist eine Meisterausbildung nebenberuflich in Teilzeit möglich. "Die Erfahrung zeigt, dass Betriebe mit Meister im Markt bessere Chancen haben. Es reicht ja nicht aus, dass jemand zum Beispiel gut Haare schneiden kann", betont die Expertin. "Für eine Betriebsgründung muss man kalkulieren können und die rechtlichen Bestimmungen kennen. Zum Beispiel muss man aktuell die ganzen Hygiene-Vorschriften umsetzen, das ist mit Vorkenntnissen einfacher."

Mehr Ausnahmegenehmigungen 

Dieses Jahr hat die Kammer eine erhöhte Nachfrage nach Ausnahmegenehmigungen verzeichnet. Ältere Handwerker beantragen öfters eine Ausnahmebewilligung nach § 8 Handwerksordnung. Hier ist Voraussetzung, dass man die nötigen Fachkenntnisse besitzt und das Ablegen einer Meisterprüfung unzumutbar ist. "Das kann möglicherweise eine Auswirkung der Corona-Krise sein", erklärt Terhorst. "Wer Angst hat, dass sein Arbeitsplatz nicht mehr sicher ist, gründet einen eigenen Betrieb als Nebenerwerb."

Und sie sieht für die Zukunft weiteren Bedarf: "Die Rückkehr zur Meisterpflicht für einige Gewerke könnte zu vermehrter Nachfrage nach Ausnahmegenehmigungen führen", vermutet  die Juristin. "Denn aktuell genießen die existierenden Betriebe einen Bestandsschutz. Der ist aber betriebsbezogen, das heißt, wenn etwa ein Gesellschafter hinzukommt oder der Sohn dem Vater als Inhaber nachfolgt, fällt der Bestandsschutz weg." Da in diesen Gewerken aber häufig nicht mehr ausgebildet werde, gebe es zu wenige Meister. "Wir rechnen damit, dass in dem Bereich mehr Ausnahmebewilligungen beantragt werden, sobald der Bestandsschutz für einen Betrieb wegfällt", ist ihre Prognose. 

Ausübungsberechtigung nach der Altgesellenregelung Die Erteilung einer Ausübungsberechtigung nach § 7 b Handwerksordnung ("Altgesellenregelung") ist eine Möglichkeit zur Eintragung in die Handwerksrolle ohne Meistertitel. Diese Regelung gilt für alle zulassungspflichtigen Handwerke mit Ausnahme des Schornsteinfeger-, Augenoptiker-, Hörakustiker-, Orthopädietechniker-, Orthopädieschuhmacher- und Zahntechnikerhandwerk.
Eine Ausübungsberechtigung erhält, wer:
1. eine Gesellenprüfung in dem zu betreibenden Handwerk oder in einem mit diesem verwandten Handwerk oder eine Abschlussprüfung in einem entsprechenden Ausbildungsberuf bestanden hat,
2. diesen Beruf mindestens sechs Jahre ausgeübt hat,
3. davon insgesamt vier Jahre in leitender Stellung und
4. die erforderlichen betriebswirtschaftlichen, kaufmännischen und rechtlichen Kenntnisse nachweist. Die Kenntnisse gelten in der Regel durch die Berufserfahrung als nachgewiesen. Soweit dies nicht der Fall ist, sind die erforderlichen Kenntnisse durch Teilnahme an Lehrgängen oder auf sonstige Weise nachzuweisen.

Ein-Mann-Betrieb Ein Altgeselle muss beim Meister lernen. > Lesen Sie hier mehr

Text: / handwerksblatt.de

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