Neues Förderprogramm: Reines Marketing?
Digitalisierung: Bernd Winkels wollte seine Ideen mit Hilfe des Förderprogramms "Digital Jetzt" umsetzen. Doch nicht einmal das Hochladen eines Antrags war möglich.
Zunächst setzt Orthopädieschuhtechnikermeister Bernd Winkels seine Pläne zur Digitalisierung mit Eigenmitteln um. Seine Hoffnungen, bei einer Verlosung der Fördermittel doch noch zum Zug zu kommen, schwinden. Aber von vorn: "So viel Zeit wie jetzt, habe ich nie wieder", dachte sich Winkels, als der erste Corona-Lockdown 2020 begann. Da biete es sich an, seinen Betrieb in Haltern, im nördlichen Ruhrgebiet, digital noch fitter zu machen.
"Wir haben einen großen Fahrplan aufgestellt mit Internetshop, Online-Terminvergabe, Kundenmailings, das cloudbasierte Büro, Apps, das volle Programm", schildert Winkels ambitioniert. Das Ziel sei es, über digitale Absatzkanäle neue Kunden zu finden und Stammkunden auch online qualitativ hochwertigen Service und Betreuung zu bieten.
NRW: Keine Hard- und Softwareförderung
Winkels hielt nach Förderprogrammen Ausschau und stellte fest: "Das Land NRW hat im Gegensatz zu anderen Ländern mal wieder nichts für die Hard- und Softwareförderung kleiner Unternehmen." Der Unternehmer nahm Kontakt zu Norbert Speier auf, einem (von Land und Bund geförderten) Beauftragten für Innovation und Technologie bei der Handwerkskammer Münster mit dem Themenfeld Digitalisierung.
In einem Beratungsgespräch vor Ort stellte Winkels seine Wünsche vor. Beide vereinbarten, die einzelnen Prozesse, die in die Digitalisierung einbezogen werden sollten, aufzunehmen. Speier gab erste Hinweise auf ein neues, vielversprechendes Förderprogramm des Bundeswirtschaftsministeriums. Unter dem Namen "Digital Jetzt" sollten erstmals Hard- und Software gefördert werden. Winkels fühlte sich ermutigt, die ganze Arbeit zur Erstellung eines Digitalisierungskonzepts einschließlich aller Prozessaufnahmen anzupacken.
Nur mit ausführlichem Konzept erfolgt die Förderung
Im Juli wurde bekanntgegeben, dass ein ausführliches Konzept Grundlage für die künftige Förderung durch "Digital Jetzt" sein werde. Eine Mindestinvestitionssumme von 34.000 Euro war angekündigt. "Ich plante, diesen Betrag zu überschreiten. Mein Interesse an dem Programm war also sehr groß", erzählt Winkels.
Der Start von "Digital Jetzt" wurde auf den 8. September festgelegt. Die Antragstellung sollte rein digital erfolgen. Der Träger definierte Finanzkontingente für bestimmte Zeiträume zur Verteilung der gesamten Fördersumme. Einen Tag vor dem Start wurde die Möglichkeit freigeschaltet, sich für den Antrag zu registrieren. Sobald das Portal online war, versuchte Winkels, seinen Handwerksbetrieb anzumelden – aber wegen überlasteter Leitungen vergeblich. Zudem wurde nach kürzester Zeit verlautbart, das Registrierungskontingent sei vergeben.
Erneuter Versuch der Antragstellung
Im Folgemonat versuchte Winkels es erneut. "Die Registrierung bekam ich diesmal." Der Tag X der Antragstellung war da. Winkels und Mitarbeiter riefen das Förderportal um null Uhr an vier verschiedenen Computern auf. In der Hoffnung, durchzukommen, versuchten sie parallel das 15 Seiten umfassende Antragsformular abzusenden. Stund um Stund verstrich, und um 9.36 Uhr war wieder alles vergeblich. Am Ende hieß es, das Kontingent sei vergeben. "Auch im November und Dezember gelang es uns trotz größter Bemühungen nicht, den Antrag einzureichen", erzählt Winkels.
Das Wirtschaftsministerium sagt dazu: "Die Nachfrage nach dem Förderprogramm war von Anfang an sehr groß, weshalb das Windhundverfahren zum Jahr 2021 auf ein Zufalls- beziehungsweise Losverfahren umgestellt wurde." Alle registrierten Unternehmen könnten bis zur Erschöpfung der Mittel Anträge einreichen.
Im Januar stellte Winkels fest, dass der bereits ausgefüllte Antrag weg war und erneut bearbeitet werden musste. Endlich war wenigstens das Absenden möglich. Auf eine Information, was damit beim neuen Verfahren passierte, wartet Winkels bis heute. Er ist mittlerweile sehr ärgerlich. "Es wäre schön, mal eine Antwort zu bekommen. Das alles ist gut gedacht, aber schlecht gemacht. Ich fühle mich auf den Arm genommen."
Wohin gingen die angekündigten Gelder?
Das Programm bewertet er heute als "reines Marketing". Er wünscht sich vom Ministerium, dass transparent bekanntgegeben wird, an wen die Förderung vergeben wurde. "Wohin gingen die angekündigten Gelder?", fragt er: "Mit der Veröffentlichung sollte jedes Unternehmen einverstanden sein können. So etwas ist ja nichts Schlimmes."
Der Handwerksunternehmer wird nochmals versuchen, das Los zu bekommen, aber er setzt nicht mehr darauf. Er habe mit Eigenmitteln bereits 45.000 Euro in Hard und Software investiert; dazu werden Mitarbeiter geschult – und das bei 25 Prozent Umsatzverlust durch die Corona-Krise. Aber: "Man kann den Kopf nicht in den Sand stecken. Wir wollen weiterkommen."
Text:
Vera von Dietlein /
handwerksblatt.de
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