Tischlerlehrling Lisa Steinle wohnt in Koblenz und muss täglich die Strecke zum Ausbildungsbetrieb nach Andernach zurücklegen. Sie würde mit einem Azubi-Ticket auf Bus und Bahn umsteigen.

Tischlerlehrling Lisa Steinle wohnt in Koblenz und muss täglich die Strecke zum Ausbildungsbetrieb nach Andernach zurücklegen. Sie würde mit einem Azubi-Ticket auf Bus und Bahn umsteigen. (Foto: © Jörg Diester)

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Wann kommt das Azubi-Ticket in Rheinland-Pfalz?

Betriebsführung

Fast 90 Prozent der Auszubildenden im Handwerk in Rheinland-Pfalz wünschen sich ein Azubi-Ticket für den ÖPNV. Die Umfrage bestätigt die Handwerkskammern, die sich für ein kostenfreies oder günstiges Jobticket für Lehrlinge engagieren. Was sagt das zuständige Ministerium?

In einer repräsentativen Umfrage unter knapp 1.100 Auszubildenden im Handwerk in Rheinland-Pfalz sagten rund 86 Prozent der Jugendlichen, dass sie es gut fänden, wenn es in Zukunft ein vergünstigtes, landesweit gültiges Ticket für Bus und Bahn gäbe. Knapp 880 der befragten Jugendlichen haben sich im vergangenen Sommer ein 9-Euro-Ticket gekauft. Knapp die Hälfte von ihnen (45 Prozent) ist damit sogar ausschließlich zur Arbeit oder zur berufsbildenden Schule gefahren.

Die Umfrage bestätigt: Das 9-Euro-Ticket hat nicht nur Senioren begeistert, die damit per Bahn die Sehenswürdigkeiten in der Republik abgeklappert haben. Auch Auszubildende haben sich das Ticket besorgt, um mit dem ÖPNV günstig und umweltfreundlich zur Arbeit, zum Sport oder zu Freunden zu kommen.

Die große Mehrheit der in Rheinland-Pfalz befragten Lehrlinge wäre auch bereit, für ein Azubi-Ticket etwas aus eigener Tasche zu bezahlen. Rund 36 Prozent gaben an, dass es zwischen null und zehn Euro im Monat kosten dürfte. Weitere 35 Prozent würden 25 bis maximal 50 Euro dafür im Monat investieren.

Die Umfrageergebnisse bestätigen die rheinland-pfälzischen Handwerkskammern in ihrer Forderung nach einem verbundübergreifenden Azubi-Ticket, das preislich deutlich unter dem für Mai angekündigten 49-Euro-Deutschland-Ticket liegen sollte. "Ideal wäre eine attraktive Lösung, die parallel zum Deutschland-Ticket oder im August mit dem neuen Ausbildungsjahr startet", sagt Joachim Noll, Arbeitnehmer-Vizepräsident der Handwerkskammer Koblenz.

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Das Handwerk engagiert sich für ein kostenfreies oder günstiges Jobticket für alle Lehrlinge

Ein Jobticket für Lehrlinge fordert das rheinland-pfälzische Handwerk schon lange. 2017 hat das Nachbarland Hessen als erstes Bundesland ein solches Abonnement eingeführt. Für einen Euro am Tag oder 365 Euro im Jahr fahren Schüler und Auszubildende dort mit dem ÖPNV durch das gesamte Land. Die meisten anderen Bundesländer sind nach und nach mit ähnlichen verbundübergreifenden Modellen gefolgt. Zum 1. März bekommt auch Baden-Württemberg erstmals ein landesweites 365-Euro-Ticket für Azubis und Berufsschüler bis 27 Jahren – also rund 30 Euro im Monat. 

Überblick zu Azubi-Tickets Einen Überblick über die Azubitickets der einzelnen Bundesländer - wo es sie gibt und was sie kosten - finden Sie in diesem Beitrag

"Ein Betrag, den die Jugendlichen auch bereit sind zu zahlen, wie die Umfrage in Rheinland-Pfalz gezeigt hat", betont Joachim Noll. Er selbst wäre allerdings für ein kostenfreies Angebot während der Ausbildungszeit, denn angesichts der aktuell steigenden Energie- und Lebensmittelpreise seien selbst 20 oder 30 Euro für Mobilität für manche Familien schwer zu stemmen.

"49 Euro sind zu viel"

Einer der Ersten, der sich gegenüber der Landesregierung für ein Azubi-Ticket eingesetzt hat, war Dirk Fischer, Präsident der HWK der Pfalz. Auch er findet 49 Euro pro Monat für Auszubildende – selbst bei bundesweiter Nutzung – zu viel. "Wir brauchen entweder ein deutlich günstigeres oder ein kostenloses Azubi-Ticket, mit dem wir Auszubildende von Mobilitätskosten entlasten und entscheidend zum Klima- und Umweltschutz beitragen könnten", betont der Tischlermeister.

Das könne das Mobilitätsverhalten junger Erwachsener frühzeitig zugunsten alternativer Mobilitätskonzepte verändern und neue Zielgruppen für die Nutzung des ÖPNV erschließen. "Dies ist Voraussetzung für eine nachhaltige Mobilitätswende."

Voraussetzung: Ein leistungsstärkerer ÖPNV

Die Kammern wollen aber nicht nur das Bewusstsein für klimafreundliche Verkehrsmittel bei den Jugendlichen fördern. Es geht ihnen aber auch darum, die duale Berufsausbildung attraktiver zu machen, dem Nachwuchsmangel zu begegnen. "Die Unterstützung der Mobilität von Auszubildenden ist ein entscheidender Ansatzpunkt zur Sicherung des Fachkräftenachwuchses im Handwerk", heißt es in einem Positionspapier der vier Kammern.

Ein landes- oder sogar bundesweit gültiges Azubi-Ticket würde den Betrieben helfen, den Radius bei der Suche nach neuen Auszubildenden zu erweitern. Die Kosten für ein teures Monatsticket wären dann kein Hindernis mehr, für die Ausbildung in den Nachbarort oder in einen Nachbarkreis zu pendeln. "Im Gegenteil, die Betriebe könnten damit werben", meint Joachim Noll. Letztlich aber mache ein solches Ticket nur Sinn, wenn die Angebote des ÖPNV verbessert und ausgebaut würden. "Es braucht eine bessere Taktung und verlässliche Liniennetze", betont der Kfz-Mechanikermeister, der selbst im Westerwald wohnt.

Einen leistungsstärkeren ÖPNV fordert auch Dr. Matthias Schwalbach, Geschäftsführer der Handwerkskammer Trier. Der ländliche Raum dürfe nicht abgehängt werden. "Besonders morgens, nach Schulschluss und zum Feierabend müssen Busse und Bahnen schon in den Startlöchern stehen. Hier müssen wir mobilmachen«, sagt Schwalbach. Natürlich könne man auf dem Land keine minütliche Taktung wie in den Großstädten erwarten, ergänzt Joachim Noll. "Deshalb müssen alle flexibel denken. Auch die Betriebe und Kunden, was die Arbeitszeiten angeht, wenn die Jugendlichen auf Bus und Bahn umsteigen."

Im Koalitionsvertrag ist das Azubi-Ticket schon festgeschrieben

Die Umfrage unter den Jugendlichen untermauert auch die Forderungen nach einem Ausbau der ÖPNV-Infrastruktur im Land mit konkreten Zahlen. Zwar sind 45 Prozent der Befragen mit dem 9-Euro-Ticket regelmäßig zum Ausbildungsbetrieb gefahren und 42 Prozent haben es für die Fahrten zur Berufsschule genutzt. Für mehr als die Hälfte (55 Prozent) der Befragten war das allerdings nicht möglich, weil es keine räumliche und zeitliche Anbindung gab.

Rund die Hälfte der Befragten wohnt zwischen zehn und 50 Kilometern entfernt vom Betrieb und der Berufsschule. Zur ÜLU müssen 27 Prozent sogar zwischen 50 und 100 Kilometern für eine Strecke zurücklegen.

Das Engagement der Kammern bei dem Thema zeigt Wirkung. "Die Einführung eines vergünstigten Azubi-Tickets wurde grundsätzlich von der Landesregierung begrüßt und ist auch bereits im Koalitionsvertrag festgeschrieben", berichtet HWK-Präsident Dirk Fischer. Mit Blick auf das kommende 49-Euro-Ticket sei das Handwerk aktuell in der Diskussion, wie eine kostengünstigere Variante für Auszubildende aussehen könnte. "Die weiteren Schritte wollen wir demnächst mit dem zuständigen Ministerium besprechen, um gemeinsam eine gute und zukunftsweisende Lösung zu finden."

Anja Obermann, Hauptgeschäftsführerin der Handwerkskammer Rheinhessen, hofft, dass die Landesregierung ein solches Ticket noch in dieser Legislaturperiode umsetzt. "Auszubildende und Betriebe wenden heute teilweise erhebliche Summen für die Fahrten zu Betrieb, Berufsschule und überbetrieblichen Bildungsstätten auf. Um Ausbildung attraktiver zu machen, braucht das Handwerk hier dringend eine Entlastung, die über das geplante 49-Euro-Ticket hinaus geht."

Auch Obermann ist überzeugt, dass das die Attraktivität der dualen Ausbildung steigert. Etwa eine Viertel Million Menschen in Rheinland-Pfalz arbeiten im Handwerk. Jeder und jede dritte Auszubildende absolviert eine Ausbildung im Handwerk. Fischer: "Ein kostenfreies ÖPNV-Ticket wäre ein wichtiger Schritt, um die gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung der dualen Ausbildung zu stärken und die berufliche Bildung in ihrer Wertigkeit der akademischen gleichzusetzen."

Text: Kirsten Freund

Umfrage unter Auszubildenden

Daniel Braun

Daniel Braun Foto: © Jörg DiesterDaniel Braun Foto: © Jörg Diester

Daniel Braun wohnt im Landkreis Ahrweiler, 40 Kilometer entfernt von den Ausbildungswerkstätten der HwK Koblenz, in denen die ÜLU stattfindet. Er nutzt wie viele andere Auszubildende das Auto, um die Strecken zwischen Wohnort, Ausbildungsbetrieb, ÜLU und Berufsschule zurückzulegen.

"Wir bilden Fahrgemeinschaften. Ohne die geht hier gar nichts." Die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist ein logistischer Akt in mehreren Teilen – und kostet viel Geld. "Ein Azubi-Ticket würde ich gut finden und auch nutzen. Nur müssten die Bus- und Bahnverbindungen zusätzlich verbessert werden."  DIE

Lisa Steinle

Lisa Steinle Foto: © Jörg DiesterLisa Steinle Foto: © Jörg Diester

Tischlerlehrling Lisa Steinle wohnt in Koblenz und muss täglich die Strecke zum Ausbildungsbetrieb nach Andernach zurücklegen. Öffentliche Verkehrsmittel kann sie nutzen, favorisiert aber das Auto.

"Kosten und Verbindungen mit Bus und Bahn sind ein Problem. Ein Azubi-Ticket wäre hier durchaus sinnvoll. Damit wäre das Kostenproblem gelöst und ich würde auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen – selbst wenn die Verbindungen nicht optimal sind." DIE

Mika Werner

Mika Werner Foto: © Autohaus OppenheimMika Werner Foto: © Autohaus Oppenheim

Mika Werner (19) ist im zweiten Lehrjahr zum Kraftfahrzeug-Mechatroniker. Er lebt in Nieder-Olm, pendelt 13 Kilometer über Land zu seinem Ausbildungsbetrieb nach Oppenheim. 15 Kilometer sind es bis zur Mainzer Berufsschule, die gleiche Strecke etwa zur ÜLU. Seine Fahrten legt er mit dem Auto zurück – auch wegen schlechter Verbindungen im ÖPNV.

"Das Azubi-Ticket ist längst überfällig. Schon allein als Pendant zum Studi-Ticket. Die Studenten können kostenlos Bus und Bahn benutzen, warum nicht auch wir Azubis? Wenn es vom Preis attraktiv ist, würde ich es mir auf jeden Fall holen und auch nutzen." FAU

David Kosch, Leon Hampl und Adrian Padberg

David Kosch, Leon Hampl und Adrian Padberg Foto: © Jörg DiesterDavid Kosch, Leon Hampl und Adrian Padberg Foto: © Jörg Diester

David Kosch, Leon Hampl und Adrian Padberg (v. l.) erlernen das Maler- und Lackiererhandwerk und müssen für die ÜLU von Diez nach Koblenz fahren. "Das sind zwei Bus- und eine Zugbenutzung. Hat der Zug Verspätung, was sehr oft passiert, sind es anstatt einer Anschlussbusfahrt dann sogar zwei mit Umsteigen, macht für eine Strecke 20 Euro."

Hin und zurück sind das täglich 40 Euro – für einen Lehrling viel zu viel. "Was alternativ bleibt, ist das Auto mit Fahrgemeinschaften. Ein Azubi-Ticket würde uns deutlich besser gefallen!" DIE

Nachgefragt: Wie steht das zuständige Ministerium zum Azubi-Ticket?

DHB: Baden-Württemberg startet am 1. März ein 365-Euro-Ticket für Schüler und Auszubildende. Ist so ein Ticket oder ein ähnliches Modell auch in Rheinland-Pfalz geplant? 

Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität in RLP (MKUEM): Wir begrüßen es sehr, dass der ÖPNV bei Azubis beziehungsweise jungen Erwachsenen eine große Beliebtheit erfährt und können den Wunsch nach einem weiträumig gültigen preisgünstigen Azubiticket nachvollziehen. Wir haben die jungen Menschen im Blick: Im Koalitionsvertrag hat sich die Landesregierung deshalb vorgenommen, den Einstieg in ein 365-Euro-Ticket für junge Menschen zu starten. Allerdings ist die Diskussion seit den Beschlüssen zum Deutschlandticket in einem neuen Kontext zu führen. Zunächst einmal ist das Deutschlandticket zum Einführungspreis von 49 Euro für eine bundesweite Nutzung ein sehr attraktiver Preis –der aber auch zu einer hohen Belastung für den Landeshaushalt führt. Die Folgen des Deutschlandtickets für ein günstiges Tarifangebot für junge Menschen sind zunächst zu bewerten, und da die finanziellen Folgen des Deutschlandtickets konkret noch nicht absehbar sind, müssen weitere Tarifmaßnahmen genau untersucht werden. 

Schon heute bieten wir im ländlichen Raum ein gut ausgebautes Fahrplanangebot, das Azubis die Möglichkeit gibt, klimafreundlich die Ausbildungsstelle zu erreichen. Für die Zukunft sehen wir im ÖPNV gerade mit attraktiven Ticketangeboten wie dem 49-Euro-Ticket eine große Chance. Unser Ziel ist es auch in der derzeit finanziell schwierigen Situation, das in RLP bereits sehr gute Fahrplanangebot zu erhalten und weiter auszubauen.

DHB: Ein Azubiticket würde das Bewusstsein für klimafreundliche Verkehrsmittel bei den Jugendlichen fördern, so das Argument des Handwerks. Und es würde die Berufsausbildung attraktiver machen ...

MKUEM: Die Anliegen des Handwerks helfen dabei, den Fachkräftemangel, der auch in RLP ein gewichtiges Thema ist, zu dämpfen, gleichermaßen bringen sie uns auf dem Weg zur Verkehrswende voran. Daher liegen die Anliegen gleichermaßen auch im Interesse der Landesregierung. Gleichzeitig bietet der ÖPNV mit all seinen Facetten, sowohl im Handwerk wie auch im Büro oder im Fahrdienst, für jungen Menschen gute Ausbildungsmöglichkeiten in Berufen mit Zukunft.

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Text: / handwerksblatt.de

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