"Unsere beiden Italiener sind ein großer Gewinn"
Das Sonderprogramm Mobi-Pro EU, der Einsatz des Elektrobetriebs Erpenstein, Unterstützung durch die Handwerkskammer und der Wille zum Erfolg führten zur bestandenen Gesellenprüfung.
"Bei unseren Fachkräften ist traditionell die halbe Welt vertreten", stellt Geschäftsführerin Svenja Erpenstein lächelnd fest, als sie über ihre beiden italienischen Mitarbeiter Andrea Giordano und Andrea Tomasi berichtet. Für diese Internationalität im Betrieb stehen Menschen aus der Türkei, Polen, Ex-Jugoslawien, Marokko, Afghanistan, Syrien, Brasilien und anderen Ländern. Noch recht neu sind die zwei 27-jährigen Italiener. Sie haben kürzlich im Unternehmen Erpenstein ihre Ausbildung zum Elektroniker abgeschlossen und sind nun als Gesellen angestellt.
Der Kontakt zu den jungen Männern entstand über das auf fünf Jahre begrenzte und inzwischen abgeschlossene, EU-geförderte Modellprojekt "Mobi-Pro". Ihr Weg heraus aus der Arbeitslosigkeit in Italien bis zur Gesellenprüfung in Deutschland sei im Laufe des Projekts manches Mal widrig gewesen. Dass sie es trotzdem geschafft haben und nun hier sesshaft geworden sind, erklärt Svenja Erpenstein mit der persönlichen Reife und der technischen Vorbildung der beiden. "Sie haben sich konsequent ‚durchgebissen‘", lobt die Unternehmerin. Das Selbstbewusstsein und das italienische Temperament der beiden ‚Andreas‘ verlangten ihr zwar immer wieder Geduld ab, doch sei sie ausgesprochen froh über gerade diese beiden Gesellen. "Sie setzen sich für ihre Arbeit ein, sind stets an ihrem Fachgebiet interessiert und weiterbildungsbereit", schwärmt sie geradezu.
Die Ausbildung schweißt zusammen
Andrea Giordano und Andrea Tomasi selbst beschreiben, wie sie die gemeinsame Ausbildungszeit persönlich zusammengeschweißt habe. Wegen ihrer sehr ähnlichen Lebensbiographien hätten sie sich von Anfang an eng verbunden gefühlt. Ihren beruflichen Erfolg erklären sie beinahe wie aus einem Mund: "Wir haben nicht nur den gleichen Namen und das gleiche Alter, sind beide zuvor an einer Art ‚Technikerschule‘ gewesen und zudem auf dem Land aufgewachsen. Körperliche Arbeit ist uns also keineswegs fremd", so Tomasi. Dies und ihr Alter habe sie, vielleicht im Gegensatz zu einigen anderen Projekteilnehmern, unter ‚Zugzwang‘ gesetzt. "Wir wollten es dieses Mal unbedingt schaffen", betont Giordano mit Blick auf die in Italien begonnene technische Schulausbildung.
Sicherheit und eine neue Heimat geben
Svenja Erpenstein will andere Unternehmen, die über die Rekrutierung junger Fachkräften aus dem Ausland nachdenken, motivieren, sich auf diesen mitunter auch ‚steinigen‘ Weg einzulassen. Ihre Empfehlung: "Wichtig ist es, den Zugewanderten Sicherheit und eine neue Heimat zu bieten, ihnen unsere Arbeitskultur nahezubringen und sie zu integrieren." Genau das habe sie gemacht, indem sie die zwei beispielsweise bei der Wohnungssuche unterstützte. Auch stellte sie ihnen frühzeitig eine dauerhafte Anstellung mit attraktiver Entlohnung in Aussicht, verdeutlichte dabei aber auch, was im Gegenzug von ihnen in ihrem Betrieb erwartet wird. Ihr weiterer Hinweis an andere Arbeitgeber: "Entscheidend ist es, den Mut zu haben, sich auf ein solches Experiment der Fachkräftesuche einzulassen – natürlich gehört aber immer auch eine Portion ‚Glück‘ dazu. Beides haben wir bei ‚unseren‘ beiden Italienern gehabt. Sie sind für uns ein großer Gewinn."
KommentarFoto: © Teamfoto Marquardt"Wertvolle Erfahrungen:
Vor vier Jahren entschied sich die Handwerkskammer Münster zur Teilnahme am Sonderprogramm Mobi-Pro EU. 16 junge Erwachsene aus Italien erhielten das Angebot, eine Ausbildung in Münsteraner Handwerksbetrieben zu beginnen. Sie kamen im Sommer 2016 nach Deutschland und absolvierten zunächst ein Betriebspraktikum, bevor die Lehre startete.
In den folgenden Wochen und Monaten zeigte sich schnell, dass trotz des großen Engagements der Ausbilder und einer intensiven Betreuung durch die HWK etliche Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch Heimweh und Sprachprobleme mit der gesamten Situation überfordert waren und zu unserem Bedauern ihren Deutschlandaufenthalt beendeten. Sechs Teilnehmer setzten ihre Ausbildung fort. Sie etablierten sich mit der Zeit. Ein Azubi brach die Gesellenprüfung aus psychischen Gründen leider ab. Fünf bestanden am Ende. Alle erhielten Übernahmeangebote durch die Betriebe. Zwei Metallbauer kehrten in ihr Heimatland zurück. um dort in ihrem Beruf zu arbeiten. Die drei Elektroniker wollen langfristig in Deutschland leben.
Mit einer „Erfolgsquote“ von 30 Prozent liegen wir im Vergleich mit anderen Trägern im oberen Bereich. Die Erfahrung zeigte aber auch, dass die emotionale Komponente eine hohe Hürde beim Umzug in ein anderes Land ist. Die Integration und Ausbildung von Menschen aus anderen Ländern ist eine vielschichtige und oftmals aufwendige Herausforderung, die von allen Beteiligten viel Engagement erfordert. Auch das ist eine wertvolle Erfahrung. Wir freuen uns, dass wir einigen jungen Menschen die Chancen auf einen guten beruflichen Einstieg bieten konnten."
Carsten Haack
HWK-Abteilungsleiter Nachwuchsförderung Weitere Meldungen aus dem Bezirk der Handwerkskammer Münster
Text:
Vera von Dietlein /
handwerksblatt.de
Kommentar schreiben