Entbürokratisierung durch virtuelle Bauämter
Im DHB-Interview spricht Brandenburgs neuer Infrastrukturminister Detlef Tabbert (BSW) über das Auseinanderdriften von Stadt und Land, die Rolle der Städte in der zweiten Reihe und darüber, wie das Handwerk von Infrastrukturmaßnahmen profitieren kann.
DHB: Sie waren 14 Jahre lang Bürgermeister von Templin. Ihr Mandat dort lief eigentlich noch bis 2026. Mussten Sie lange überzeugt werden, um das neue Amt an der Spitze des Infrastrukturministeriums in Potsdam zu übernehmen?
Detlef Tabbert: Ich war mit Herzblut Bürgermeister von Templin und bin überzeugt, dass ich vor Ort wichtige Themen angeschoben habe. Mit der kommunalen Wohnungsgesellschaft als größter Wohnungsanbieter in Templin stand für mich bereits in der Vergangenheit auch das Thema bezahlbarer Wohnraum für breite Bevölkerungsschichten im Fokus meiner Arbeit. Die Themenfelder Bauen und Wohnen sind mir also nicht fremd. Nach den Landtagswahlen in Brandenburg war ich bei den Koalitionsverhandlungen Teil des fünfköpfigen Sondierungsteams des BSW für die Gespräche mit der SPD. Ich vertrat dabei das BSW in der Arbeitsgruppe für Infrastruktur, Landwirtschaft und Umwelt. Insofern wurde mein Name als ein potenzieller Minister relativ früh gehandelt. Wenn dann eine neue Aufgabe auf Landesebene an einen herangetragen wird, muss man eine Entscheidung treffen. Ich stelle mich dieser Herausforderung und freue mich auf die Arbeit.
DHB: Als Infrastrukturminister haben Sie ein breites Zuständigkeitsfeld – unter anderem die Bereiche Stadtentwicklung, Wohnungswesen und Verkehr. Wie wollen Sie Mittelstand und Handwerk bei der Realisierung Ihrer Pläne einbinden?
Detlef Tabbert: Der Mittelstand und das Handwerk leiden unter der momentanen Verunsicherung in der Branche sowie den schwierigen Rahmenbedingungen. Bauen braucht Vorlauf und Planbarkeit für alle Marktakteure. Deshalb hoffe ich, dass es gelingt, gemeinsam mit allen Akteuren auf Bundes- und Landesebene verlässliche und passgenaue Rahmen- und Marktbedingungen für mehr Bautätigkeit in allen Bereichen zu schaffen. Mein Ressort setzt sich dafür ein, dass hier auch künftig eine gute finanzielle Mittelausstattung in den Bereichen Verkehr, Städte- und Wohnraumbauförderung als Grundlage für Investitionen in Bauvorhaben durch Bund und Land zur Verfügung gestellt wird. So ist der soziale Wohnungsbau ein wichtiger Motor für die Branche. Erfolgreich sind wir jedoch nur mit starken Partnern an unserer Seite, das gilt besonders im sozialen Wohnungsbau. Nur mit der Wohnungswirtschaft, als Bauherren und Vermieter, kann bezahlbarer und bedarfsgerechter Wohnraum geschaffen werden.
Ebenso bei der Städtebauförderung. Allein im Programmjahr 2024 flossen Städtebaufördermittel in Höhe von rund 84 Millionen Euro an 70 Kommunen im Land. Diese Mittel stehen bis 2030 in den drei Programmen "Lebendige Zentren", "Sozialer Zusammenhalt" sowie "Wachstum und nachhaltige Erneuerung" zur Verfügung. Das trägt dazu bei, dass die Unternehmen Planungssicherheit haben. Beim Thema Straßenbau gilt für die Koalition der Grundsatz Erhalt vor Neubau. Brandenburg hat nach meiner Auffassung in den meisten Landesteilen ein ausreichendes Straßennetz, das aber auch in Schuss gehalten werden muss. Beim Radwegebau geht es darum, Verbindungen zu schaffen und Lücken zu schließen. Arbeit für Mittelstand und Handwerk gäbe es also genug.
DHB: Sie haben bereits angekündigt, dass Sie sich für mehr Flächen für den sozialen Wohnungsbau in den Kommunen einsetzen werden. Könnte das zu einem Auftragsboom für das Baugewerbe führen?
Detlef Tabbert: Gerade beim sozialen Wohnungsbau muss zu Preisen gebaut werden können, die am Ende auch bezahlbare Mieten ermöglichen. In der momentanen Situation stellt das die gesamte Wohnungswirtschaft vor große Herausforderungen. So lange das so bleibt, bleibt auch ein spürbarer Aufschwung im Baugewerbe schwierig. Die Förderung kann hier unterstützen, aber nicht alles heilen.
DHB: Welche Projekte liegen Ihnen im Bereich der Verkehrsinfrastruktur prioritär am Herzen?
Detlef Tabbert: Die Koalition möchte die Planungen für die Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken dort vorantreiben, wo es klare verkehrliche und wirtschaftliche Vorteile gibt. Ein verkehrspolitischer Fokus liegt auf der großräumigen Anbindung der Lausitz an die Metropolräume Leipzig und Berlin und auch grenzüberschreitend nach Polen. Ein weiteres Ziel ist der zweigleisige Ausbau sowie die Elektrifizierung der Ostbahn RB 26. Hier ist der Bund gefordert. Die Länder Berlin und Brandenburg haben schon lange die Bedeutung der Ostbahn betont.
DHB: Als langjähriger Bürgermeister jenseits des prosperierenden Speckgürtels haben Sie gewiss Erfahrungen in Sachen Auseinanderdriften von Stadt und Land. Wie wollen Sie diesen Trend stoppen?
Detlef Tabbert: Das steht und fällt nach meiner Auffassung mit der Infrastruktur im weitesten Sinne vor Ort und der Anbindung der Städte aus der zweiten Reihe an den ÖPNV. Die Wohnqualität in ländlichen Regionen ist oft hoch. Deshalb ist es auch weiter erstrebenswert, dieses Potenzial mit dem öffentlichen Nahverkehr zu erschließen. Die Städte in der zweiten Reihe sind Anker im dünner besiedelten Raum und haben bessere Entwicklungschancen, wenn eine gute Anbindung an Metropolen, in erster Linie Berlin, aber bei regionaler Bedeutung auch Leipzig, Magdeburg und grenzüberschreitend nach Wroclaw oder Szczecin, gegeben ist. Es gibt jedoch auch Gemeinden im Berliner Umland, deren Potenzial anders gelagert ist. Diese Gemeinden haben zum Beispiel attraktive landwirtschaftliche Nutzflächen, die erhalten werden sollen, oder sie verfügen aus anderen Gründen kaum noch über bebaubare Flächenpotenziale. Aber auch hier ist natürlich eine gute Infrastruktur mit Schulen, Versorgungseinrichtungen und attraktiven Innenstädten wichtig. Es geht um die Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen in unseren Städten und Gemeinden, nicht um gleiche, denn die kann es nicht geben. Wenn aber die Menschen gerne dort leben, wo sie leben und über den ÖPNV zufriedenstellend mit günstigen Tarifen an die größeren Städte angebunden sind, kann der von Ihnen beschriebene Trend gebremst werden.
DHB: Das Handwerk wartet auf spürbare Schritte in Richtung Bürokratieabbau. Was planen Sie auf diesem Gebiet?
Detlef Tabbert: Wir müssen entbürokratisieren und digitalisieren und unter diesen Vorzeichen zum Beispiel die Bauordnung angehen. Hierbei soll die Digitalisierung des Baugenehmigungsverfahrens einen wesentlichen Beitrag leisten. In zwei Landkreisen Brandenburgs ist das virtuelle Bauamt bereits am Start, die anderen Kreise werden nachziehen. Bei den vielen Beteiligten, die mit einem Baugenehmigungsverfahren befasst sind, kann es ein großer Zeitgewinn sein, wenn alles digital abgewickelt wird und Unterlagen von allen Beteiligten einsehbar sind. Aber Bauen braucht nun mal einen gewissen Vorlauf.
DHB: Gibt es eigentlich einen persönlichen Bezug, den Sie zum Handwerk haben? Oder anders gefragt, wann hatten Sie zuletzt einen Handwerker im Haus?
Detlef Tabbert: In meiner Familie gab es über acht Generationen hinweg Schmiedemeister. Mir selbst fehlte für diesen schönen Beruf leider das Talent. Zum letzten Mal einen Handwerker im Haus hatte ich erst vor wenigen Wochen, als ein Installateur gefordert war.
Zur Person: Detlef Tabbert wurde am 17. Juni 1960 in Templin geboren. Nach dem Abitur absolvierte er eine Berufsausbildung zum Facharbeiter für Landwirtschaft. Später qualifizierte er sich zum Diplomverwaltungswirt und zum Diplomfinanzwirt. Von 2010 bis 2024 war er Bürgermeister der Stadt Templin.
DHB jetzt auch digital!Einfach hier klicken und für das digitale Deutsche Handwerksblatt (DHB) registrieren!
Text:
Karsten Hintzmann /
handwerksblatt.de
Kommentar schreiben