Auszubildende aus dem Ausland, besonders aus Drittstaaten, könnten den Fachkräftemangel im deutschen Bauhandwerk lindern.

Auszubildende aus dem Ausland, besonders aus Drittstaaten, könnten den Fachkräftemangel im deutschen Bauhandwerk lindern. (Foto: © yuttana jeenamool/123RF.com)

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Fachkräftemangel: Auszubildende aus Drittstaaten als Teil der Lösung

Die Bauverbände.NRW haben ein System entwickelt, um ihre Mitgliedsbetriebe bei der Suche nach potenziellen Azubis in Äthiopien für eine Ausbildung in Deutschland zu unterstützen.

Das Bauhandwerk rechnet trotz Corona-Pandemie mittel- und langfristig mit einer Baunachfrage auf stabilem Niveau. Im Vergleich zu anderen Branchen gibt es hier also relativ wenig Sorgen. Ein größeres Problem ist dafür eins, das schon vor der Pandemie eine immer größere Rolle spielte: der Fachkräftemangel. Viel Arbeit und zu wenig Arbeitskräfte. Nach Angaben des Ifo-Instituts behindert der Mangel an geeigneten Mitarbeitern und Auszubildenden die Produktion bei zwischen 15 und 25 Prozent der deutschen Bauunternehmen. Deutschlandweit konnten im vergangenen Jahr etwa 9.000 Ausbildungsplätze nicht besetzt werden.

Sowohl Kammern und Verbände als auch die Unternehmen selbst versuchen, mit neuen Ideen Auszubildende zu gewinnen. Einen der möglichen Ansätze wollen die Bauverbände.NRW nun intensiver nutzen: "Auszubildende aus dem Ausland, besonders aus Drittstaaten, können in diesem Zusammenhang Teil der Lösung sein", sagt Heinz G. Rittmann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Verbände. Der Deutsche Auslandsbau-Verband hat als Mitglied der Bauverbände.NRW ein Modell entwickelt, um junge Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern zu finden und sie in Deutschland auszubilden.

Überangebot an Arbeitskräften in Äthiopien

Die Verbände haben jahrelange Erfahrung mit beschäftigungsorientierter handwerklicher Qualifizierung in solchen Ländern und ein besonders gutes Netzwerk an lokalen Partner in Äthiopien (dazu gehören das Ministerium für Bau- und Stadtentwicklung und das Addis Abeba City Construction Bureau). Dieses Netzwerk stellen die Verbände ihren Mitgliedsunternehmen zur Verfügung und machen so eine gezielte Auswahl an geeigneten Kandidaten für eine Ausbildung in Deutschland möglich. "Wir haben bereits sehr gute Erfahrungen mit Flüchtlingen gemacht hinsichtlich Motivation und Engagement", erklärt Rittmann. Speziell in Äthiopien gebe es ein Überangebot an Arbeitskräften, kaum Festanstellungen und viele arbeitslose Bauingenieure, die eine handwerkliche Ausbildung im deutschen Bausektor durchlaufen und hier als Fachkraft arbeiten wollen. Genau das erlaube das Fachkräfteeinwanderungsgesetz.

Auf die Betriebe kämen dabei verschiedene Probleme zu. Dazu gehören die für das Ausbildungsvisum nachzuweisenden Deutschkenntnisse, aber auch finanzielle Herausforderungen (Sprachkurse, Nachweis der Lebenssicherung in Deutschland, Flugticket) und die Wohnungsproblematik. Hinzu kommen interkulturelle Unterschiede arbeitnehmer- sowie arbeitgeberseitig und die damit zusammenhängende Integration (auch außerberuflich). "Wir haben ein System entwickelt, um diese Probleme zu lösen und die Betriebe zu unterstützen", so Rittmann. Der sogenannte Poolansatz der Bauverbände.NRW läuft in fünf Phasen ab, von der Bedarfsermittlung über das Erlernen der Sprache und formale Vorbereitungen bis hin zur Ankunft des Auszubildenden und dem Start der Ausbildung (siehe Kasten).

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Gute Resonanz bei den Betrieben

Es gab bereits einen ersten Workshop in Äthiopien, um die potenziellen Auszubildenden über die Gegebenheiten in Deutschland und formale Notwendigkeiten zu informieren. Ein zweiter Workshop zum Thema interkulturelle Unterschiede ist in Planung. Auch auf deutscher Seite ist das Interesse groß. Rittmann: "Wir haben diesen Ansatz 20 Bauunternehmern vorgestellt und 20 konkrete Ausbildungsplätze für die Äthiopier angeboten bekommen." Einer davon ist Johannes Trippe von der Franz Trippe GmbH im sauerländischen Schmallenberg. Er ist davon überzeugt, dass sich der Fachkräftebedarf zumindest mittelfristig nicht allein mit Arbeitskräften aus Deutschland decken lässt. "Deswegen glaube ich, dass eine Werbung junger Menschen, sei es aus Äthiopien oder aus anderen Drittstaaten, als Ergänzung der bekannten Wegen eine sinnvolle Lösung ist."

Die zu zahlenden Gebühren für die Deutschkurse, Visagebühren und die Flugkosten finanzieren die Partnerinstitutionen vor Ort in Äthiopien vor. Der Unternehmer erstattet die Kurse Schritt für Schritt und immer erfolgsabhängig – zunächst jedoch den Bauverbänden.NRW. Erst nach dem Beginn der Ausbildung im deutschen Bauunternehmen erstatten die Verbände der Partnerorganisation die Auslagen. Insgesamt werden für diese etwa 1.500 Euro veranschlagt. Ob sich die Bauunternehmer diese Kosten von ihren Azubis aus Afrika erstatten lassen, hängt vom Einzelfall ab.

Weitere Projekte in Planung

"Nach dem Start der Ausbildung findet ein regelmäßiger Austausch zwischen den beteiligten Partnern statt, denn dieses Konzept kann nur funktionieren, wenn alle Beteiligten zusammenarbeiten und ein gemeinsames Ziel verfolgen", betont Rittmann. Nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung werde den Auszubildenden ein Start als Fachkraft ermöglicht und einer erfolgreichen Karriere in einem deutschen Bauunternehmen stehe nichts mehr im Wege. Ähnliche Projekte schieben die Bauverbände in Jordanien und Spanien an.

Fünf Phasen des Poolansatzes1. Identifikation von Betrieben und Kandidaten
- Mitgliedsunternehmen definieren ihren Bedarf an Auszubildenden
- Partner vor Ort identifiziert Kandidaten für die Ausbildung
- Workshops der Bauverbände: "Working and Living in Germany"
- Videokonferenzen zwischen den Beteiligten oder persönliches Kennenlernen im Drittland

2. Erlernen der Sprache
- Potenzielle Auszubildende absolvieren Kurse bis einschließlich Level B1

3. Vertragsabschluss und formale Vorbereitung
- Abschluss Ausbildungsvertrag
- Erstellung der Bescheinigungen Lebens­unterhaltssicherung
- Kauf des Flugtickets für Azubi
- Unterstützung bei der Suche einer finanzierbaren Wohnung
- Beantragung Visum
- Abschluss Krankenversicherung für den Zeitraum bis Ausbildungsbeginn
- Identifikation und Etablierung eines betrieblichen Kümmerers

4. Angekommen in Deutschland
- Ankunft des Auszubildenden in Deutschland und Abholung
- Einführung in den Betrieb und Ausbildung
- Ausbildungsbegleitende Hilfen und/oder assistierte Ausbildung und gegebenenfalls Berufsausbildungsbeihilfe beantragen

5. Ausbildung und Arbeit als Fachkraft - Start der Ausbildung
- Regelmäßiger Austausch zwischen Betrieb, Azubi, überbetrieblichem Ausbildungs­zentrum, Berufsschule und den BV
- Nach Abschluss Start als Fachkraft
- Mögliche Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen zwecks Weiterqualifizierung
Quelle: Bauverbände.NRW

Text: / handwerksblatt.de

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