Professor Holger Wassermann, Nachfolgeexperte und Leiter der Studie an der FOM Hochschule.

Professor Holger Wassermann, Nachfolgeexperte und Leiter der Studie an der FOM Hochschule. (Foto: © Intagus GmbH)

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Nachfolge im Handwerk: "Jetzt ist der ideale Zeitpunkt"

Nachfolgemonitor: Während der Einzelhandel Sorgen bereitet, bietet eine Nachfolge im Handwerk jetzt großes Potenzial. "Um den Umsatz muss man sich keine Sorgen machen."

Die Unternehmensnachfolge im Mittelstand ist nach wie vor eine oft unterschätzte Herausforderung. "Wenn der letzte Bäcker schließt, dann wird der ganze Ort unattraktiv", sagt Professor Holger Wassermann, Leiter der Studie an der FOM Hochschule. Die Hochschule gibt gemeinsam mit dem Verband Deutscher Bürgschaftsbanken (VDB) und der Creditreform Rating AG den Nachfolgemonitor heraus. Nachfolge sei daher kein rein wirtschaftliches, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem.

Das Jahr 2024 markiert laut der Studie einen historischen Tiefpunkt im deutschen Nachfolgegeschehen. Die Expertinnen und Experten sehen darin ein deutliches Signal für die sich verschärfende demografische Nachfolgelücke und sprechen von einer "tickenden Zeitbombe". Der Anteil der über 75-jährigen Übergeberinnen und Übergeber hat sich seit 2015 nahezu verdreifacht und liegt inzwischen bei 7,9 Prozent. Gleichzeitig ist der Anteil der 55- bis 64-Jährigen von durchschnittlich 38,6 Prozent (2015–2019) auf 43,4 Prozent (2020–2024) gestiegen. Das Durchschnittsalter der Übergebenden ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen, auf inzwischen 63 Jahre. Die große Gruppe der Babyboomer steht immer weniger potenziellen Nachfolgern gegenüber. 

Wer übernimmt?

Die gute Nachricht: Fast die Hälfte der Nachfolgerinnen und Nachfolger gehört zur Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen "Diese Generation steht auf dem Höhepunkt ihrer beruflichen Entwicklung, während die Übergeber sich dem Rentenalter nähern - ein für beide Seiten idealer Zeitpunkt." Unternehmensnachfolgen seien häufig erfolgreicher als Neugründungen, da die 30- bis 40-Jährigen über einen anderen Erfahrungsschatz verfügten als klassische Gründerinnen und Gründer.

Der Nachfolgeexperte spricht sich daher für gezielte Förderprogramme speziell für Unternehmensnachfolgen aus. Zwar gebe es bereits gute Unterstützungsmaßnahmen, doch "diese fallen unter die Existenzgründungsförderung und werden deshalb oft nicht gefunden", so Wassermann bei der Vorstellung des zehnten Nachfolgemonitors.

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Die Nachfolgewelle sei längst keine ferne Prognose mehr, sondern Realität. "Übergaben finden planvoller und in jüngerem Alter statt - doch wir brauchen dringend mehr und besser vorbereitete Nachfolgerinnen und Nachfolger", betont Wassermann. 

Handwerk ist im Aufwind - der Einzelhandel die "Sorgenbranche"

Während im Einzelhandel die Anzahl der Nachfolgen durch E-Commerce-Konkurrenz zurückgeht, verzeichnet das Handwerk eine Zunahme der Unternehmensnachfolgen. Faktoren wie Fachkräftemangel, stabile lokale Nachfrage und Digitalisierungspotenzial machen Handwerksbetriebe für Nachfolgerinnen und Nachfolger zunehmend attraktiv. "Die junge Generation sieht das Potenzial, das im Handwerk schlummert", sagt Professor Wassermann. Nachfolger könnten sich die besten Betriebe "rauspicken". Betriebe mit eingespielten Fachkräften, die man teilweise schon als Kollegen kennt. Umsatzsteigerungen seien bei gut übergebenen Handwerksbetrieben oft kein Problem.

Als Gründe für die Zunahme von Übergaben im Handwerk nennt die Studie folgende Faktoren:

✓ Fachkräftemangel und Qualifikation: Bestehende Betriebe verfügen über eingespieltes Personal – ein großer Vorteil angesichts des Fachkräftemangels.

✓ Stabile Nachfrage: Handwerksleistungen sind lokal stark verankert und dauerhaft gefragt, was eine hohe Planungssicherheit bietet.

✓ Digitalisierung und Effizienzpotenzial: Neue Technologien und digitale Geschäftsmodelle steigern die Wettbewerbsfähigkeit und eröffnen Entwicklungsspielräume.

✓ Förderprogramme und Mittelstandsinitiativen: Staatliche Unterstützungsmaßnahmen erleichtern die Finanzierung und machen Übernahmen wirtschaftlich attraktiver. 

✓ Generationenwechsel: Viele Betriebe stehen kurz vor der Übergabe an eine neue Eigentümergeneration. Doch geringe Betriebsgrößen und die von potenziellen Nachfolgerinnen und Nachfolgern vermuteten Arbeitsbedingungen erschweren die Suche nach geeigneten Übernehmenden. 

Solo oder im Team?

Nach einem zwischenzeitlichen Rückgang auf 76 Prozent im Jahr 2021 liegt der Anteil der Solo-Nachfolgen im Jahr 2024 branchenübergreifend wieder bei über 80 Prozent und erreicht nahezu das Niveau von vor zehn Jahren. Team-Nachfolgen konnten sich nicht durchsetzen - sie liegen bei knapp 20 Prozent. Die Autoren der Studie vermuten, dass das an komplexeren Verhandlungen bei Team-Nachfolgen und demografisch bedingtem Nachfolgermangel liegt.

Frauenanteil bleibt niedrig

Nach wie vor nur 21 Prozent der Übernehmenden sind Frauen. In Industrie, Bau, Kfz und Handel dominieren Männer deutlich. Frauen übernehmen häufiger in Bereichen wie Gesundheits- und Sozialwesen sowie im Gastgewerbe.

Heikles Thema: Unrealistische Erwartungen an den Verkaufspreis

Banken und Bürgschaftsbanken sind neben den Steuerberatern und Kammern wichtige Partner im Übergabeprozess. Eigenkapitallücken auf Käuferseite und überhöhte Preisvorstellungen der Verkäufer führen jedoch häufig zu gescheiterten Deals, so die Studie. Guy Selbherr, Vorsitzender des Verbandes Deutscher Bürgschaftsbanken, appelliert daher an die Übergeber: "Finanzierungen scheitern selten an Banken, sondern an Erwartungen: Wer unrealistische Verkaufspreise verlangt, gefährdet Arbeitsplätze und die Übergabe selbst." 

Die Analyse zeigt zudem eine Verschiebung in der Mittelverwendung: Der Kaufpreisanteil steigt kontinuierlich auf 77 Prozent, während Immobilien- und Baufinanzierung sowie Betriebsmittel an Bedeutung verlieren. Dies liege auch ansteigenden Unternehmensgrößen.

Weitere Erkenntnis des Nachfolgemonitors: Zwei Jahre nach der Übergabe erreichen oder übertreffen rund 68 Prozent der Betriebe ihr früheres Umsatzniveau. Die Profitabilität zieht dagegen langsamer nach. Dr. Michael Munsch, Vorstand der Creditreform Rating AG, sagt: "Umsatz kommt schnell zurück, Marge deutlich langsamer. Zwei von drei Übergaben stabilisieren oder steigern den Umsatz. Doch Gewinne hinken hinterher – ohne stabile Erträge bleibt jede Nachfolge fragil."

Quelle: Verband Deutscher Bürgschaftsbanken (VDB); Nachfolgemonitor 2025, DHB

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Text: / handwerksblatt.de

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