"Unsere Stimme als Wirtschaftszweig ist gefragt", sagt Kurt Krautscheid, Präsident der Handwerkskammer Koblenz, über die Lobbyarbeit für das Handwerk.

"Unsere Stimme als Wirtschaftszweig ist gefragt“, sagt Kurt Krautscheid, Präsident derHandwerkskammer Koblenz, über die Lobbyarbeit für das Handwerk. (Foto: © Reuther Fotostudio, Koblenz)

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Alle Möglichkeiten, das Handwerk nach vorne zu bringen

Handwerkspolitik

Kurt Krautscheid, Präsident der Handwerkskammer Koblenz, spricht im Interview mit dem Deutschen Handwerksblatt (DHB) über Digitalisierung und Lobbyarbeit.

Kurt Krautscheid ist Präsident der Handwerkskammer Koblenz und führt in Neustadt/Wied einen Dachdeckerbetrieb. Im Interview zeigt er auf, wie es um die Digitalisierung im Handwerk bestellt ist und wie wichtig Lobbyarbeit für die Handwerksbetriebe ist.

DHB: Herr Krautscheid, gerade das Bauhandwerk zählt zu den Branchen, denen es auch in Corona-Zeiten ganz gut geht. Stimmt Sie das nicht hoffnungsvoll?
Krautscheid: Ja, das stimmt, aktuell läuft es. Nur wird die Krise auch bei den Bauhandwerken ankommen. Ein Beispiel: Wenn eine Fluggesellschaft fast 30.000 Mitarbeiter entlässt, gehen sie in eine unsichere Zukunft. Das hinterlässt natürlich Spuren im Investitionsverhalten, so bei Sanierung oder Modernisierung. Bleiben wir in meinem Gewerk: Viele Dächer werden dann auch nicht neu gedeckt. Die Krise wird daher auch uns einholen. Betriebe überstehen das nur, wenn sie gut aufgestellt sind, denn ich gehe auch davon aus, dass größere Auftraggeber aus der Industrie in der Bewältigung der Corona-Folgen ein, zwei Jahre notwendige Investitionen zurückstellen.

DHB: Aber gerade in Ihrem Gewerk haben die Ausbildungszahlen gegen den Trend enorm zugelegt. Bekommen Sie nicht junges, digitales Know-how in die Betriebe, das sich nutzen lässt, um sich besser aufzustellen?
Krautscheid: Da muss ich zugeben: Meine jungen Mitarbeiter, meine Lehrlinge sind viel digitaler unterwegs als ich. Sie schreiben und posten Bilder in den sozialen Medien von dem, was sie auf der Baustelle erleben. Unser Durchschnittsalter im Betrieb ist niedrig und ich lebe auch davon, wenn die jungen Leute unter sich kommunizieren und im Netz unterwegs sind. Was ich dazu beitragen kann, ist, ihnen die tollen Perspektiven aufzuzeigen und durch eine gute Ausbildung Wege zu öffnen.

DHB: Aber Sie können das Know-how doch auch für den eigenen Auftritt im Netz nutzen?
Krautscheid: Ja, darüber habe ich schon nachgedacht und ich weiß, dass andere Betriebe das auch schon machen. Wenn sich die jungen Menschen mal zusammensetzen, muss ich gar nicht dabei sein, um Ideen zu entwickeln. Doch gerade in der Außenwirkung sollten alle Möglichkeiten genutzt werden. Jeder muss dabei seine Kunden im Blick haben und die mediale Kommunikation entsprechend ausrichten. Sonst wirkt man, gerade wenn man vorwiegend ältere Kundschaft hat, auf sie zu flott. Da gilt es immer, den Spagat zwischen seriös und modern zu wahren, also junge Kunden zu begeistern, ohne ältere Kunden zu verschrecken.

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DHB: Man darf auch nicht den Zeitfaktor vergessen …
Krautscheid: … weil jeder Internetauftritt eine konstante Betreuung erfordert, richtig. Wer das nicht gewährleisten kann, sollte sich genau überlegen, was für den Betrieb machbar ist.

DHB: Wie digital sind Handwerksbetriebe generell aufgestellt?
Krautscheid: Da sehen wir eine interessante Entwicklung parallel zur Attraktivität der Betriebe. Wenn ich das Elektro- oder Heizung-Sanitär-Gewerbe beispielsweise nehme, können Sie sogar damit werben, was Sie alles digital machen. Neue Heizungen richten Sie heute mit dem Laptop ein, Elektriker installieren neueste Smart- Home-Technologie. Oder im Kfz-Gewerbe bekommen die ersten Werkstätten vom Hersteller schon die VR-Brillen, um darüber die Anleitung zu bekommen, wie ein Ölfilterwechsel gemacht wird. Das ist schon sehr weit, aber selbst beim klassischen Bauhandwerker fängt es schon mit Laser-Messgeräten oder anderen kleinen Dingen an.

DHB: Der Grad hängt aber auch von der Branche ab.
Krautscheid: Ganz genau, man muss immer hinterfragen, was Digitalisierung bedeutet, wo fängt sie an. Für den einen sind es digitale Arbeitsabläufe, für den anderen vielleicht nur die Software auf dem Rechner für das Bestellwesen oder die Lohnbuchhaltung. Es geht dabei auch um Daten, bei Heizsystemen mit der Fernwartung, Smart Home oder beim Kfz, wenn es um Fahrdaten geht. Wem gehören die Daten? Dem Kunden, dem Hersteller, dem Handwerker?

DHB: Mit Ihrem Kompetenzzentrum Digitalisierung ziehen Sie doch sicher eine Erfolgsbilanz.
Krautscheid: Ja! Das fängt schon bei der Wahrnehmung an. Wenn Sie als Handwerkskammer bereits im Logo stehen haben, dass Sie ein Digitalisierungszentrum sind, fangen die Mitglieder, also die Betriebe, schon mit dem Nachdenken an. Wir haben das auf einen guten Weg gebracht, was mit der Fachkompetenz in unserem Haus zu tun hat. Dazu gehören eben Leute, die die PS auf die Straße bringen, und zwar vom ganz kleinen Betrieb hin bis zum ganz großen. Dort, wo noch nichts passiert ist, über diejenigen, die Strukturen gelegt haben bis hin zum komplett digitalisierten Betrieb.

DHB: Sie haben aber über die Kammergrenzen hinaus bundesweite Ausstrahlung.
Krautscheid: Natürlich haben wir auch andere Kammern mitgenommen, was zu unseren Aufgaben als eines der wenigen Kompetenzzentren bundesweit zählt.

DHB: Wie ist es um das eigene Haus bestellt, wie digitalisiert ist die Handwerkskammer Koblenz?
Krautscheid: Wie weit wir sind, kann man schon daran ablesen, dass wir sofort auf den ersten Lockdown mit mobilen Arbeitsplätzen und Homeoffice reagieren konnten. Auch die Meisterprüfungsklassen liefen, wenn auch nicht in allen Berufen, problemlos übers Homeoffice weiter. Von der Geschäftsführung angefangen, haben wir in allen Bereichen der Kammer Ideen entwickelt und schnell in der digitalen Praxis einsetzen können. Keine Gesellen- oder Meisterprüfung ist ausgefallen, weder bei uns noch bei den uns angeschlossenen Schulen, etwa für Dachdecker oder Augenoptiker. Also kurz gesagt: Ja, wir sind digital und konnten entsprechend schnell und erfolgreich umschalten. Was viel Lob und Anerkennung fand, bei den Teilnehmern bis hin zur Politik.

DHB: Stichwort Politik – wie würden Sie die Beziehung dahin grundsätzlich beschreiben?
Krautscheid: Die Abgeordneten aus unserem Kreis für Berlin oder Europa kennen wir gut, auch persönlich, so dass wir auf dem kleinen Dienstweg Fragen klären können. Das gilt auch umgekehrt, wohlgemerkt. Mit der Landesregierung haben wir ein sehr gutes, vertrauensvolles Verhältnis. Das liegt aber auch daran, dass wir nicht ständig die Türen einrennen, um etwas zu fordern.

DHB: Werden Sie denn gehört?
Krautscheid: Ich glaube, unsere Stimme als Wirtschaftszweig ist gefragt. Wir haben einen Bonus. Als die Flüchtlinge zu uns kamen, waren wir der Wirtschaftszweig, der seine Versprechen voll und ganz eingelöst hat und darüber hinaus noch mehr geleistet hat. Das war das Aushängeschild für die Politik und hat viel für das Verhältnis getan. In Fragen rund um Ausbildung, Migration, Flüchtlinge ist das Handwerk ganz vorn. Wir tauschen uns regelmäßig mit Ministerpräsidentin Malu Dreyer, aber auch dem Wirtschaftsministerium aus. Generell gilt: Wir sind mit allen Parteien gut im Dialog.

DHB: Welche Forderungen haben Sie denn an die Landesregierung?
Krautscheid: Eine Forderung betrifft die Finanzierung der Ausbildungsstätten, die jeweils zu einem Drittel von Land, Bund und der Kammer kommen. Da gibt es noch Aufholbedarf seitens Bund und Land, aber wir sind auf einem guten Weg. Auch die Fördermittel rund um die Digitalisierung sollten nicht nach dem Gießkannenprinzip verteilt werden, sondern gezielt. Es kann nicht sein, dass sich eine Berufsschule Hardware wie eine hochmoderne Drehbank für den Anschauungsunterricht anschafft, das ist Aufgabe unserer Ausbildungsstätten. Wir verfügen über einen Maschinenpark auf dem neuesten Stand und Ausbilder, die den Umgang damit vermitteln. Hier formulieren wir klare Forderungen, mit denen wir anklopfen können.

DHB: Wer spricht dann von Ihnen mit der Politik, Sie als Präsident und Ehrenämtler oder das Hauptamt, also Ihr Hauptgeschäftsführer Ralf Hellrich?
Krautscheid: Beide – und das auch mit einer Stimme. Seelenverwandt ist vielleicht zu viel gesagt, aber in Fragen rund um Handwerk und Mittelstand sind wir auf einer Ebene, einem Level. Egal, wen Sie fragen, Sie bekommen die gleiche Antwort. Zusammen haben wir durch unsere Vernetzung im Land und in die Politik alle Möglichkeiten, um das Handwerk in Rheinland- Pfalz nach vorne zu bringen.

Das Interview führte Stefan Buhren.

Text: / handwerksblatt.de

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