Was tun gegen die Preisexplosion?
Die Kosten für Material, Rohstoffe und Energie steigen rasant. Wie Handwerksbetriebe rechtssicher darauf reagieren können, erklärt der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) in einem kostenlosen Merkblatt.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Das aktuelle Baurecht
Die Preise für Material, Rohstoffe und Energie sind schon vor dem Krieg in der Ukraine ständig gestiegen, jetzt dreht sich die Spirale immer weiter nach oben – sofern überhaupt noch Nachschub zu bekommen ist. Die rechtlichen Hintergründe und wie Handwerksbetriebe darauf reagieren können, erklärt der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) in einem kostenlosen Flyer "Praxis Recht".
Grundsätzlich gilt: Verändern sich nach Vertragsschluss die Einkaufspreise, trägt der Handwerksbetrieb das Kalkulationsrisiko. In besonderen Fällen kann es jedoch rechtliche Ausnahmen von diesem Grundsatz geben.
Preisanpassungsklauseln
Verträge mit Verbrauchern
Preisanpassungsklauseln in Privatkundenverträgen mit längerer Laufzeit stellen in der Regel keine geeignete Lösung dar, denn es spricht einiges dafür, dass solche Klauseln in handwerksrelevanten Fallgestaltungen AGB-rechtlich oder nach den Vorgaben des Preisklauselgesetzes unzulässig sind. Einer gerichtlichen Überprüfung würden derartige Klauseln daher in den meisten Fallkonstellationen nicht standhalten.
Verträge mit Bundesbehörden
Bei Bauvorhaben des Bundes regelt ein bis 30. Juni 2022 befristeter Erlass des Bundesbauministeriums die Anwendung von Stoffpreisgleitklauseln in neuen und laufenden Vergabeverfahren sowie in bestehenden Verträgen. Bei allen anderen öffentlichen Aufträgen sollten Betriebe prüfen, ob Stoffpreisgleitklauseln im Vertrag vereinbart sind. Vor Abgabe eines Angebots im Vergabeverfahren sollte beim öffentlichen Auftraggeber diesbezüglich nachgefragt werden.
Störung der Geschäftsgrundlage
Bei laufenden Verträgen mit längerer Laufzeit begründen die aktuellen Steigerungen von Material- und Energiekosten in der Regel kein Recht auf Anpassung oder Aufhebung des Vertragsverhältnisses (Störung der Geschäftsgrundlage), teilt der ZDH mit.
So müssten die Kostensteigerungen das gesamte Vertragsvolumen derart beeinflussen, dass ein Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar ist. Das wird in der Regel nicht der Fall sein, da im Handwerk die Materialkosten im Verhältnis zu den Arbeits- und Lohnkosten häufig den geringeren Kostenanteil darstellen, betont der ZDH. Dies gelte auch hinsichtlich der steigenden Energiepreise. Entscheidend seien jedoch die Umstände des Einzelfalls. Eine starre rechnerische Grenze, ab wann die Kostensteigerung einzelner Materialien das gesamte Vertragsvolumen derart beeinflusst, dass eine Vertragsanpassung in Betracht kommt, existiere nicht.
Ein Beispiel: Ein Handwerksunternehmen wird mit der Errichtung eines Hausdaches beauftragt. Nach Vertragsschluss erhöhen sich die Einkaufspreise für die benötigten Dachlatten um 100 Prozent. Im Verhältnis zu den Gesamtkosten der Dacherstellung (etwa Kosten für weitere benötigte Materialen, Lohnkosten) stellen die Kosten für die Dachlatten auch nach der Preiserhöhung einen eher geringen Posten dar, so dass es in diesem Fall bei den ursprünglich vereinbarten Vertragskonditionen zwischen dem Handwerksbetrieb und seinem Auftraggeber bleibt.
Praxistipps für Handwerker
- Verändern sich die Einkaufspreise erheblich, sollte der Handwerker bei laufenden Projekten den Vertragspartner darüber informieren. Im Wege einer offenen Kommunikation mit dem Geschäftspartner sollte versucht werden, vertragliche Nachverhandlungen zu führen und gegebenenfalls eine Anpassung des Vertrags zu vereinbaren.
- Beim Abschluss neuer, langfristiger Verträge sollten etwaige Preissteigerungen in der Kalkulation des Materialkostenfestpreises berücksichtigt werden.
- Auch steigende Energiekosten können bei der Angebotskalkulation berücksichtig werden. Vertraglich könnte zum Beispiel eine Energiepauschale vereinbart werden. Wichtig ist auch dabei die offene Kommunikation gegenüber den Kunden.
- In der Angebotsphase können zeitlich befristete Angebote sinnvoll sein. Nach Ablauf der gesetzten Frist erlischt das Angebot. Will der Kunde nach diesem Zeitpunkt das Angebot annehmen, ist der Betrieb an sein ursprüngliches Angebot rechtlich nicht mehr gebunden.
- Auch als unverbindlich oder freibleibend gekennzeichnete Angebote können die Flexibilität bei der Preisgestaltung erhöhen. In diesem Fall kommt der Vertrag nicht bereits zustande, sobald der Kunde darauf eingeht, sondern nur, wenn der Betrieb den Vertragsschluss daraufhin bestätigt. Beachtet werden muss, dass der Betrieb bei freibleibenden Angeboten eine Reaktionspflicht hat. Möchte der Betrieb bei einer Antwort auf ein freibleibendes Angebot die ursprünglichen Konditionen verändern, muss er das kundenseitige Angebot unverzüglich ablehnen. Reagiert der Betrieb nicht, gilt der Vertrag als geschlossen.
- Bei Geschäften des täglichen Lebens kann eine Preisanpassung der angebotenen Produkte, verbunden mit einem Hinweis für den Grund der Preisanpassung in Betracht kommen.
Grundsätzlich gibt es keine pauschale Lösung. Wenden Sie sich bei Rechtsfragen im Zweifel an die Berater von Handwerkskammern, Innungen und Fachverbänden. Diese helfen Ihnen gerne weiter!
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Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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