Innungsbetriebe zahlen (noch?) nicht
Wer ist Baubetrieb und wer nicht? Diese Frage entzweit die Verbände, denn sie entscheidet über die Beitragspflicht zur Soka-Bau.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Heftige Proteste gegen Soka-Bau-Abgabe
Befreit sind bislang Innungsmitglieder mit eigenem Tarifvertrag. Will das neue Gesetz etwas anderes? Die Juristen streiten sich.
Besonders oft gibt es Krach zwischen der Soka-Bau und Betrieben der baunahen Gewerke wegen ihrer Zuordnung zum Baugewerbe. "Plötzlich mutiert ein Elektrobetrieb zum Baubetrieb, weil er etwa für Kabelverlegearbeiten einen Bagger einsetzt", erklärt Herbert Brichta, Referatsleiter Tarif- und Sozialpolitik beim Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH). Das ist für die Unternehmen deshalb so wichtig, weil sich danach entscheidet, ob sie Beiträge an die Soka-Bau zahlen müssen oder nicht. Die Bauwirtschaft ordnet in ihren Tarifverträgen die Betriebe danach ein, ob deren überwiegende Arbeit im Bauhaupt- oder Baunebengewerbe anfällt. Das sagt auch das Bundesarbeitsgericht.
Ausnahme für einige Gewerke
Die Verbände haben untereineinander ausgehandelt, dass Mitgliedsbetriebe der folgenden Innungen grundsätzlich nicht den Bau-Tarifverträgen damit auch nicht der Soka-Bau unterfallen: Elektro- und Informationstechnik, Sanitär-Heizung-Klima, Maler- und Lackierer, Metallbau- und Feinwerktechnik sowie Holzbau und Kunststoff (Juristen nennen dies die "große Einschränkungsklausel").
Diese Fachverbände besitzen eigene Tarifverträge, die vor dem allgemeineren Bau-Tarifvertrag Vorrang haben. Oder bislang Vorrang hatten. Denn genau darum dreht sich jetzt ein heftiger Streit: Im vergangenen Jahr gab es eine Änderung des Paragrafen fünf Tarifvertragsgesetz. Die umstrittene neue Passage klingt harmlos, wird aber von manchen Juristen so ausgelegt, dass jetzt die Tarifverträge der Fachverbände keinen Vorrang mehr haben vor dem allgemeineren Tarifvertrag des Baugewerbes. Damit müssten auch die Mitglieder der oben genannten Innungen an die Soka-Bau zahlen.
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Zwar gibt es die große Einschränkungsklausel nach wie vor, aber dem ZVEH genügt das nicht: "Wir wollen Rechtssicherheit, nur so ist Verlässlichkeit erreichbar", sagt Brichta. "Man hätte sich anderweitig einigen können, etwa die Privilegierung der Industrieverbände in der Klausel auch auf das Handwerk ausdehnen können. Aber darauf haben sich die Bauverbände nicht eingelassen." Also ist der ZVEH vor das Bundesverfassungsgericht gezogen, um die Frage zu klären.
Und dort soll noch eine weiteres Thema geklärt werden: Die Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) von Tarifverträgen. Mit der AVE werden die Regeln eines Tarifvertrags auf alle Unternehmen in einer Branche übertragen, auch auf die nicht tarifgebundenen.
Bisher war dafür der Nachweis nötig, dass mehr als 50 Prozent der Arbeitnehmer des Wirtschaftszweigs in einem tarifgebundenen Betrieb arbeiten. Dieses sogenannte 50-Prozent-Quorum ist jetzt weggefallen. Auch diese Änderung des Tarifvertragsgesetzes bereitet manchem Juristen – nicht nur in den Fachverbänden – Sorge: "Für die Allgemeinverbindlicherklärung reicht jetzt ein öffentliches Interesse. Der Begriff ist viel zu schwammig und nicht mehr zu überprüfen", kritisiert Rechtsanwältin Hilke Böttcher, die im Namen einiger betroffener Unternehmen ebenfalls Verfassungsbeschwerde eingereicht hat.
Eine Entscheidung wird mit Spannung erwartet, aber niemand geht davon aus, dass sie bald fallen wird. Und in der Zwischenzeit geht der Streit um die Zuordnung der baunahen Betriebe weiter.
Die Soka-Bau ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifparteien der Bauwirtschaft (Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, Zentralverband des Deutschen Baugewerbes und Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt). Bilanzsumme 2014: Rund 6,627 Mrd. Euro. Grundlage der Beitragspflicht ist der Tarifvertrag des Baugewerbes (VTV), der auf Antrag der Tarifpartner vom Bundesarbeitsministerium jedes Jahr neu für allgemeinverbindlich erklärt wird. Der Beitragssatz liegt je nach Bundesland zwischen 17,2 und 26,55 Prozent der Bruttolohnsumme, zahlbar bis zu vier Jahre rückwirkend bei zwölf Prozent Verzugszinsen.Text: Anne Kieserling, Foto: © mariok/123RF.com
Text:
Rainer Fröhlich /
handwerksblatt.de
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