Verfassungsrichter erteilen der Soka-Bau eine Abfuhr
Weder die Soka-Bau noch die Gewerkschaft IG BAU können verlangen, dass ein Bau-Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt wird, sagt das Bundesverfassungsgericht.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Heftige Proteste gegen Soka-Bau-Abgabe
Das Bundesarbeitsgericht durfte die Allgemeinverbindlicherklärungen der Bau-Tarifverträge für unwirksam erklären, urteilt das Bundesverfassungsgericht. Die höchsten Arbeitsrichter haben mit ihren Entscheidungen kein Grundrecht der Bau-Tarifparteien verletzt. Aus dem Grundrecht der Tarifautonomie folge kein Recht auf Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen. Wegen Aussichtslosigkeit nahm Karlsruhe daher die Verfassungsbeschwerde von Soka-Bau und IGBAU nicht zur Entscheidung an.
Der Fall
Das Bundesarbeitsgericht hatte 2016 die Allgemeinverbindlicherklärungen (AVE) mehrerer Bau-Tarifverträge für unwirksam erklärt. Argument der Erfurter Richter war damals vor allem, dass die notwendigen 50 Prozent tarifgebundener Arbeitgeber in der Branche nicht erreicht würden. Außerdem hätten nicht die zuständigen Minister, sondern nur die Referatsleiter die AVE verfügt. Folge der unwirksamen AVE war, dass nur tarifgebundene Arbeitgeber in die Sozialkasse der Baubranche (Soka-Bau) einzahlen mussten. Alle anderen Baubetriebe waren nicht verpflichtet, Beiträge an die Soka-Bau zu leisten. Auf die Sozialkasse kamen daher existenzbedrohende Rückzahlungen zu, hatte sie erklärt.
Daher legten die Soka-Bau und die Gewerkschaft IGBAU gegen die Entscheidungen des BAG Verfassungsbeschwerde ein. Sie sahen ihr im Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz (GG) verankertes Recht auf Koalitionsfreiheit verletzt.
Die Entscheidung
Die Bundesverfassungsrichter sahen das anders: Artikel 9 Abs. 3 GG gebe keinen Anspruch darauf, dass der Bautarifvertrag vom Bundesministerium für allgemeinverbindlich erklärt wird, betonen sie in ihrem Beschluss. Der Staat dürfe seine Normsetzungsbefugnis nicht beliebig außerstaatlichen Stellen überlassen. Damit würden die Bürger Akteuren ausgeliefert, die ihnen gegenüber nicht demokratisch oder mitgliedschaftlich legitimiert seien.
"Das Grundrecht des Art. 9 Abs. 3 GG garantiert den Koalitionen grundsätzlich weder Stärke noch Erfolg", heißt es aus Karlsruhe. Es garantiere vielmehr eine Chance für sie, mit ihrer Tätigkeit die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu fördern. Entsprechend seien die grundgesetzlichen Rechte der Tarifparteien auch nur dann verletzt, wenn ihnen diese Chance verwehrt würde.
Grundrecht nicht verletzt
Anzeichen dafür sahen die höchsten deutschen Richter in diesem Fall allerdings nicht. Die Anforderungen, die das BAG an die allgemeinverbindlichen Tarifverträge stellte, ließen die Ziele der Koalitionspartner nicht leerlaufen.
Wegen der Einführung der 2017 verabschiedeten Sozialkassensicherungsgesetze (SokaSiG I und SokaSiG II) hat sich die Sache aber inzwischen im Sinne der Bautarifpartner – und anderer Branchen – erledigt: Sie schaffen eine eigene Rechtsgrundlage für die Allgemeinverbindlicherklärung der Tarifverträge. Im Vorfeld der Gesetzgebung gab es Bedenken wegen der Verfassungsmäßigkeit des SokaSiG.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 10. Januar 2020, Az. 1 BvR 4/17 u.a.
Was ist die Soka-Bau?
Die Soka-Bau ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifparteien der Bauwirtschaft: Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB), Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt und Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB). Aufgaben der Soka-Bau sind die Finanzierung von Urlaubsgeldern, die Bezuschussung der Berufsausbildung, betriebliche Altersvorsorge und die Kontrolle der Mindestlöhne. Grundlage der Beitragspflicht ist der Tarifvertrag des Baugewerbes, der auf Antrag der Tarifpartner vom Bundesarbeitsministerium jedes Jahr neu für allgemeinverbindlich erklärt wird. Dadurch gelten die Tarifverträge auch für alle anderen Arbeitgeber der Branche. Sie sind verpflichtet, die tariflichen Arbeitsbedingungen einzuhalten und Beiträge an die Sozialkassen zu leisten.
Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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