Europarichter erklären Schummel-Software für illegal
Der nächste Paukenschlag im Abgas-Skandal, diesmal aus Luxemburg: Die Abschalteinrichtungen in Dieselautos verstoßen gegen EU-Recht, entschied der Europäische Gerichtshof.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Reizthema Diesel
Jede Form der Fahrzeugmanipulation ist illegal, wenn sich der Schadstoffausstoß dadurch von den Emissionen bei amtlichen Tests unterscheidet. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) heute entschieden. Abschalteinrichtungen sorgen dafür, dass ein Dieselfahrzeug im Straßenbetrieb deutlich mehr Stickoxide ausstößt als im Testlauf. Die EU-Grenzwerte werden damit weit überschritten.
Der Fall
Hintergrund ist ein Gerichtsverfahren von VW-Kunden vor dem Tribunal de Grande Instance de Paris. Das französiche Gericht hatte dem EuGH die Frage vorgelegt, ob nach der Ausnahmebestimmung in Artikel 5 Abs. 2 Verordung der Europäischen Union Nr. 715/2007 eine Abschalteinrichtung zulässig ist, wenn sie "notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung" zu schützen. Autohersteller benutzen Abschaltsoftware aus Gründen des Motorschutzes.
Das Urteil
Die Verordnung der Europäischen Union Nr. 715/2007 verbietet ausdrücklich die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen unter normalen Nutzungsbedingungen verringern. Eine Abschalteinrichtung sei nur ausnahmsweise zulässig, meinen die Richter, wenn der Motor ohne sie unmittelbare Schäden erleide oder wichtige Funktionen wie die Lenkung ausfiele. Das sei bei der Software des Motorentyps EA 189 von Volkswagen aber nicht der Fall. Verschleiß oder Verschmutzung des Motors zu verhindern ist nach Ansicht des Gerichts kein ausreichender Grund.
Neben VW sind zahlreiche andere Autohersteller von dem Urteil betroffen. Auch BMW, Volvo, Skoda, Opel, Renault und Fiat haben ähnliche Einrichtungen in ihren Fahrzeugen verbaut. Daimler nutzt sogenannte Thermofenster, die bei bestimmten Temperaturen die Abgasfilterung ausschalten.
Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 17. Dezember 2020, Rechtssache C-693/18
Grundsatz-Urteil für Diesel-Käufer Am 25. Mai 2020 erklärte der Bundesgerichtshof (Az. VI ZR 252/19): Der Besitzer eines VW mit Schummel-Software darf seinen Wagen zurückgeben und erhält einen Teil seines Kaufpreises zurück, ebenso wie Verzugszinsen. Denn VW habe ihn sittenwidrig getäuscht. Allerdings darf der Autokonzern für die gefahrenen Kilometer eine Nutzungsentschädigung abziehen. Damit hat der BGH für Klarheit gesorgt. Denn an den höchstrichterlichen Entscheidungen aus Karlsruhe orientieren sich alle unteren Instanzen.
Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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