Arztbesuch während der Arbeitszeit?
Die Grippewelle rollt mal wieder durchs Land und viele Unternehmer kennen das: Ein Mitarbeiter müsste eigentlich zum Arzt, doch sein Dienst endet erst in sechs Stunden. Darf er sich abmelden – und muss der Chef den Lohn für den ganzen Tag bezahlen?
Kann der Arbeitnehmer für einen Arztbesuch eine bezahlte Freistellung verlangen? Ja! Zwar gilt der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn" aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch auch heute noch. Doch gibt es Arbeitsentgelt auch dann, wenn der Arbeitnehmer durch einen „in seiner Person liegenden Grund und schuldlos nicht arbeiten kann.
Der Arbeitgeber muss seinen Mitarbeiter den Arztbesuch während der Arbeit nur gestatten und bezahlen, wenn dies außerhalb der Arbeitszeit nicht möglich wäre. Der Mitarbeit muss sich also bemühen, den Doktor vor Arbeitsbeginn oder nach Arbeitsende aufzusuchen, wenn er keinen Lohnausfall haben will. Das gilt vor allem für Vorsorgeuntersuchungen, die ja planbar sind.
Wird allerdings während der Arbeitszeit ein Arztbesuch durch eine Verletzung oder eine akute Erkrankung unaufschiebbar, muss die Firma den Arbeitnehmer in dem notwendigen Umfang von der Arbeit bezahlt freistellen. Das ist zwar nicht im Detail im Gesetz geregelt, dafür aber – wenn auch unterschiedlich – in den meisten Tarifverträgen. Diese Verträge bestimmen meist, dass der Arbeitnehmer dann Anspruch auf Vergütung der für einen Arztbesuch benötigten Zeit hat, wenn die Konsultation während der Arbeitszeit erforderlich ist, etwa bei starken Zahnschmerzen oder weil der Arzt bestimmte Untersuchungen nur zu bestimmten Zeiten vornimmt, und keine Dauerbehandlung vorliegt.
Grundsätzlich freie Arztwahl
Der Arbeitgeber kann auch nicht darauf bestehen, dass sein Mitarbeiter einen Doktor mit günstigeren Öffnungszeiten konsultieren möge; niemand darf an der freien Arztwahl rütteln.
In Betrieben mit gleitender Arbeitszeit ist der Arztbesuch während des Dienstes – sei es wegen einer Vorsorgeuntersuchung oder einer nicht akut aufgetretenen Erkrankung – deshalb meist die Ausnahme, weil die Arbeitnehmer im Rahmen bestimmter Zeitspannen den Beginn und das Ende ihrer Arbeitszeit frei bestimmen können und sie folglich überwiegend Gelegenheit haben, außerhalb der Kernzeit zum Arzt zu gehen. Das Landesarbeitsgericht Hamm hat in einem vergleichbaren Fall so entschieden (Az.: 11 Sa 247/03).
Doch auch hier gilt die Regel: Bestellt ein Arzt seinen Patienten zu einem bestimmten Termin innerhalb der Kernzeit, so darf der Arbeitgeber nicht auf die Gleitzeit-Möglichkeit verweisen, sondern muss bezahlt freistellen – und das ohne die Verpflichtung, die ausgefallene Arbeitszeit nachzuarbeiten.
Text:
Wolfgang Büser /
handwerksblatt.de
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