Der Friseur muss Schere und Kamm nicht gegen einen Telefonhörer tauschen, sagt das OLG Dresden.

Der Friseur muss Schere und Kamm nicht gegen ein Telefon tauschen, sagt das OLG Dresden. (Foto: © belchonock/123RF.com)

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Berufsunfähigkeit: Ein Friseurmeister ist kein Rezeptionist

Die Berufsunfähigkeitsversicherung muss zahlen, wenn ein Friseurmeister wegen Gesundheitsproblemen nicht mehr handwerklich arbeiten kann. Eine andere Tätigkeit in seinem Salon sei nicht zumutbar, entschied das Oberlandesgericht Dresden.

Eine Berufsunfähigkeitsversicherung soll gegen Berufsunfähigkeit absichern. Ein selbstständiger Friseurmeister ist als berufsunfähig einzustufen, wenn er sein Handwerk nicht mehr ausüben kann. Dass er noch Büroarbeit machen kann, ist dabei irrelevant, sagt das Oberlandesgericht Dresden.

Der Fall

Ein selbständiger Friseurmeister schloss eine Berufsunfähigkeitsversicherung ab, die zum 31. Januar 2027 planmäßig endet. Der Friseur betrieb einen Salon, in dem er wechselnd etwa 15 bis 19 Mitarbeiter beschäftigte, darunter durchschnittlich drei Lehrlinge pro Jahr, zwei Rezeptionistinnen und eine Kosmetikerin. Eine Fibromatose an den Strecksehnen der Hände, eine Nervenentzündung im linken Arm sowie Hand und Schulter sowie ein Wurzelreizsyndrom an der Halswirbelsäule hatten dazu geführt, dass er ab 2015 alle handwerklichen Tätigkeiten seines Berufes nicht mehr ausüben konnte. Anfang 2016 musste er den Salon daher schließen.

Die Versicherung lehnte die Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente mit der Begründung ab, dem Friseur sei eine Umorganisation seiner beruflichen Tätigkeiten möglich. Er hätte die Aufgaben seiner Rezeptionistin übernehmen können.

Das Urteil

Die Versicherung muss zahlen, entschied das Oberlandesgericht Dresden. Sie könne von dem Friseurmeister nicht verlangen, seine Tätigkeit derart umzustellen. Zwar sei eine solche Umorganisation grundsätzlich möglich, um eine Berufsunfähigkeit abzuwenden.

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Grundsätzlich sei für die Beurteilung die letzte konkrete Berufsausübung maßgebend, so wie sie "in gesunden Tagen" ausgestaltet war. Habe der Friseur mehr als 75 Prozent seiner Tätigkeit handwerklich gearbeitet, so sei es ihm nicht zumutbar, beispielsweise als Rezeptionist künftig Termine für den Salon abzustimmen.

Persönliches Vertrauensverhältnis zu Kunden ist nicht ersetzbar

"Anders als bei anderen handwerklichen Berufen ist der Beruf des Friseurs geprägt durch ein persönliches Vertrauensverhältnis zwischen Kunden und Friseur. Es handelt sich um eine körpernahe Dienstleistung, die ein gewachsenes Vertrauen erfordert. Anders als bei anderen handwerklichen Tätigkeiten ist es dem Kunden daher nicht gleichgültig, von welchem der im Friseursalon tätigen Friseure er bedient wird. In der Regel bleibt der Kunde an einen Friseur gebunden, mit dem er zufrieden ist", so das Urteil wörtlich. 

Darüber hinaus sei es dem Meister nicht möglich, seine Mitarbeiter zu schulen, qualifiziert fortzubilden und auf die Einhaltung von Qualitätsstandards zu achten, wenn er allenfalls theoretische Anweisungen erteilen könne. "Die Akzeptanz als Chef sowie eine Vorbildfunktion kann unter diesen Umständen nicht ausgefüllt werden. Dies schließt eine Umorganisation, für die der zuvor ausschließlich als Friseur tätige Betriebsinhaber auf ausschließlich organisatorische Tätigkeit zurückgeworfen würde, in der Regel aus", heißt es weiter.

"Durch eine Tätigkeit ausschließlich als Rezeptionist verlöre seine Arbeit als Friseurmeister ihre prägenden Merkmale." Übe er aber den Friseurberuf nicht mehr aus, verliere er zunehmend an Kompetenz und Glaubwürdigkeit.

Oberlandesgericht Dresden, Urteil vom 22. Februar 2022, Az. 4 U 1585/21

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Text: / handwerksblatt.de

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