"Bouldern ist ein super-niedrigschwelliger und friedlicher Sport", sagt Sebastian Koelber. Seine selbst entworfenen Boulderwürfel stehen schon auf vier Schulhöfen in Berlin und Taucha. Den Bausatz lässt der Grundschullehrer, Kletterer, Jugendtrainer und Unternehmer in Hessen von der Tischlerei "Holzfreude" fertigen. (Foto: © GMS Sports UG/Hannes Kutza)

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Bouldern, bauen, berechnen – eine Kletterwand als fächerübergreifendes Projekt

Bouldern ist für Lehrer Sebastian Koelber mehr als nur ein Sport. Mit seiner Kletterwand aus Holz können Schulen auch in den Fächern Mathematik und Werken arbeiten. Den Bausatz fertigt und montiert die Tischlerei Holzfreude.

Der Boulderwürfel von Sebastian Koelber ist das eckige Pendant zum Überraschungsei: Mit dem hölzernen Kubus kann man bauen, lernen und spielen. Dass die Kletterwand mehr als ein Spielgerät ist, gehört zum pädagogischen Konzept seines Erfinders. "Die Idee dazu hatte ich während meines Referendariats an einer Gemeinschaftsgrundschule in Berlin-Gropiusstadt", erinnert sich der Lehrer, Sportkletterer und Jugendtrainer im Deutschen Alpenverein.  

Pädagogisches Konzept

"Bouldern ist ein super-niedrigschwelliger Sport. Für das Klettern an der Wand braucht man keinen Gurt und kein Seil. Straßenschuhe reichen aus", sagt Sebastian Koelber. Die Griffe, an denen Hände und Füße ihren Halt finden, sind mit Schrauben befestigt. Je nach Höhe und Stellwinkel lassen sich mit ihnen unterschiedlich anspruchsvolle Routen kreieren. "Für die Pausen ordnet man die Griffe zu einer Traverse an. Bei einer freien Fallhöhe von 20 Zentimetern können die Schülerinnen und Schüler sicher und ohne Aufsicht klettern." 

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Lehrkräfte können den Boulderwürfel aber auch als fächerübergreifendes Projekt einsetzen. Neben Sport und der Kletter-AG denkt Sebastian Koelber etwa an den Unterricht in Mathematik. "Durch die Drehung eines Griffs um 30 oder 45 Grad verändert man komplett die Route. Kinder, die vorher kein Interesse an Mathematik hatten, ziehen das Geodreieck aus der Tasche und tüfteln damit an der Boulderwand herum", hat der Lehrer mit der Fächerkombination Deutsch, Mathematik und Englisch beobachtet. Als weitere Einsatzfelder nennt er das Fach Werken und die Berufsorientierung. "Seitdem ich unterrichte, beziehe ich das Holzhandwerk in meine Arbeit mit den Kindern ein."     

Partner aus dem Handwerk

Der Boulderwürfel gilt als Spielgerät. "Es galt also, die berühmt-berüchtigte DIN EN 1176 zu beachten", erklärt Sebastian Koelber. Die Norm legt die sicherheitstechnischen Anforderungen und Prüfverfahren für Spielplatzgeräte und -böden fest. Der Bau und die anschließende Zertifizierung des Kletterkubus‘ durch den TÜV ist anspruchsvoll. Ein Kooperationspartner aus dem Handwerk wäre hilfreich. Sebastian Koelber findet ihn über einen Mitbewohner aus seiner WG. "Er hat mir Julian Lauth, einen jungen Tischlermeister und Geschäftsführer der Holzfreude GmbH, empfohlen."  

Möbeltischlerei Holzfreude GmbH

Sebastian Koelber Foto: © GMS Sports UG/Hannes KutzaSebastian Koelber Foto: © GMS Sports UG/Hannes Kutza

Der Grundschullehrer aus Berlin macht sich auf die Reise in die hessische Provinz. Die Werkstatt der Möbeltischlerei liegt in Butzbach – rund 50 Kilometer nördlich von Frankfurt am Main entfernt. Dort schaut sich Sebastian Koelber die Fertigung des Handwerksbetriebs an.

"Die ,Holzfreude‘ baut große Küchen und Theken für Arztpraxen. Deren Maschinen arbeiten computergestützt und bis zu einer Länge von vier Metern unglaublich präzise", ist Sebastian Koelber beeindruckt. Dass ihn und seinen Kooperationspartner etliche hundert Kilometer trennen, empfindet er nicht als Hindernis. "Die Chemie zwischen uns hat einfach gestimmt."

Aufbau des Boulderwürfels

Die Unterkonstruktion des Boulderwürfels besteht aus Konstruktionsvollholz. Als Wände und Decken werden Siebdruckplatten mit einer Kantenlänge von drei Metern verwendet. Sie fügen sich zu einer Kletterfläche von 36 Quadratmetern zusammen. In die Wände ist ein Lochraster eingelassen. Die Klettergriffe werden mit Inbusschrauben und Einschlagmuttern an der Wand befestigt. "Damit können die Schülerinnen und Schüler unbegrenzt variabel ihre Routen schrauben." 

In punkto Griffe ist die Wahl von Sebastian Koelber auf die Firma OnSight gefallen. "Ihre Produkte bestehen aus hochwertigem Kunststoff, die UV-beständig, enorm lange haltbar und frei von gesundheitsschädlichen Stoffen wie PAK sind."

Auf Holzfreude ist Verlass

Für den Vertrieb des Boulderwürfels hat Sebastian Koelber eine eigene Firma gegründet. Die GMS Sports UG und die Holzfreude GmbH arbeiten seit vier Jahren nun eng zusammen. Der Lehrer und Unternehmer lobt die Verlässlichkeit und das Qualitätsbewusstsein der Tischlerei. Jede Kante werde akkurat imprägniert, jedes Loch für die Klettergriffe nachbearbeitet, jede Einschlagmutter kontrolliert. Der TÜV habe den Boulderwürfel bereits zweimal in Folge anstandslos zertifiziert. Hinzu kommt, dass die Tischlerei mittlerweile sogar einen Erlebnispädagogen eingestellt hat, der sich an den Schulen um den Aufbau des Boulderwürfels kümmert. "Ohne kompetente und engagierte Handwerker wie Julian und sein Team wäre ich aufgeschmissen."

Kosten des Boulderwürfels

Die Griffe werden mit Inbusschrauben im Lochraster am Boulderwürfel befestigt. Foto: © GMS Sports UG/Hannes KutzaDie Griffe werden mit Inbusschrauben im Lochraster am Boulderwürfel befestigt. Foto: © GMS Sports UG/Hannes Kutza

Der Korpus des Boulderwürfels kostet derzeit 17.500 Euro (inklusive Mehrwertsteuer). Optional können die Schulen das auf das Klettergerät abgestimmte Griffset kaufen. Dafür fallen weitere 1.700 Euro an. Der Erlebnispädagoge der Holzfreude baut den Boulderwürfel vor Ort auf. Für die Montage kommen bis zu 2.000 Euro dazu. "Mit einer variabel gestaltbaren und voll bekletterbaren Spielfläche von 36 Quadratmetern zum Preis von rund 20.000 Euro plus dem pädagogischen Konzept bieten wir ein überzeugendes Alleinstellungsmerkmal", ist Sebastian Koelber überzeugt.

Als weiteres Argument führt der Geschäftsführer der GMS Sports UG an, dass der Boulderwürfel kein gegossenes Fundament benötigt. Stattdessen reiche ein Quadrat aus Verlegeplatten auf verdichtetem Untergrund aus. Ein praktischer Pluspunkt: Der Bausatz kann leicht demontiert werden. "Dies dürfte vor allem für Schulen interessant sein, die ihren Schulhof von Zeit zu Zeit umgestalten möchten."

Finanzierung des Boulderwürfels Kleiner Tipp von Sebastian Koelber, wie Schulen oder Fördervereine den Kauf eines Boulderwürfels finanzieren können. Initiativen wie die Deutsche Bahn Stiftung oder die Aktion Mensch fördern themenspezifische Projekte. "Bouldern ist ein friedlicher Sport, der niemanden ausgrenzt. Er ermöglicht Inklusion und Binnendifferenzierung auf allen Ebenen."

Bundesweites Interesse

Der Boulderwürfel auf dem Schulhof der Herman-Nohl-Schule in Berlin. Foto: © GMS Sports UG/Hannes KutzaDer Boulderwürfel auf dem Schulhof der Herman-Nohl-Schule in Berlin. Foto: © GMS Sports UG/Hannes Kutza

Der Prototyp des Boulderwürfels steht seit 2016 an der Gemeinschaftsgrundschule, an der Sebastian Koelber als Referendar tätig war. Seitdem sind zwei weitere Standorte in Berlin und einer in Taucha (Sachsen) dazugekommen. Neue Interessenten haben sich bereits gemeldet. "Wir erhalten Anfragen von Schulen vom Starnberger See bis Rügen", freut sich der 41-Jährige, der nach dem Umzug seiner Familie nach Leipzig nun Teilzeit an einer Grundschule im Stadtteil Paunsdorf unterrichtet. Als Kunden dürfte er seinen Arbeitgeber wohl erst einmal nicht gewinnen. Die Schule hat eine eigene kleine Boulderwand. "Allerdings weiß keiner, wie alt sie ist. Ich werde sie mir mal mit unserem Hausmeister in aller Ruhe anschauen." 

Fotos: Hannes Kutza

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Text: / handwerksblatt.de