Das Thema Bargeld sorgt für Zündstoff - auch im Handwerk
Das bargeldlose Bezahlen hat in Corona-Zeiten einen kräftigen Schub bekommen. Bäckermeister Michael Gauert, Inhaber der Bulle Bäckerei, hat sogar in einer Filiale die Bargeldkasse ganz abgeschafft. Und bekommt dafür nicht nur Zustimmung.
Die Bulle Bäckerei in Düsseldorf Flingern hat sich seit ihrer Eröffnung vor dreieinhalb Jahren eine große Fangemeinde aufgebaut. Bäckermeister Michael Gauert und sein junges Team backen hier Brote aus Natursauerteigen, Croissants und Zimtschnecken vor den Augen ihrer Kundinnen und Kunden. Jeder, der den kleinen Laden betritt, wird auch aus der Backstube, die nur eine Glasscheibe vom Verkaufsraum trennt, herzlich begrüßt.
Hitzige Diskussion in den Sozialen Medien und Leserbriefspalten
Der Name "Bulle" kommt übrigens aus dem schwedischen und bedeutet Brötchen. Und Schweden, das erste Land, das voraussichtlich 2023 das Bargeld abschafft, spielt in diesem Zusammenhang auch eine Rolle: Im März, mitten in der Corona-Krise, hat Michael Gauert seine erste Filiale eröffnet, mit der er es gleich zu bundesweiter Bekanntheit brachte.
Nachdem die Rheinische Post berichtete, dass die Bulle Bäckerei dort ab September auf Bargeld verzichten will, entbrannte eine hitzige Diskussion. Weitere Zeitungs- und Fernsehberichte folgten. Menschen, die das Geschäft noch nie von innen gesehen haben, posteten wüste Beschimpfungen in den Sozialen Medien. Das Thema Bargeld polarisiert. Auch im Handwerk.
"Bei unseren Kunden ist die Reaktion durchweg positiv"
Bei der Bulle Bäckerei zahlen drei Viertel der Kunden mit Karte. In der neuen Filiale jetzt sogar alle.. Foto: © Kirsten FreundIn den ersten Tagen konnte Michael Gauert es kaum fassen, Opfer eines Shitstorms geworden zu sein. Bis dahin kannte er nur super Kommentare von glücklichen Kunden für seine Backwaren. Inzwischen beobachtet der 34-Jährige die Diskussion im Netz aber gelassen und vertraut auf seine unternehmerische Entscheidung.
"Bei unseren Kunden ist die Resonanz durchweg positiv, ich habe bislang keinen Euro weniger Umsatz gemacht", erzählt er. "Wir wären auch die letzten, die einen Kunden gehen lassen würden, wenn er nicht mit Karte bezahlen kann. Außerdem bieten wir aufladbare Guthabenkarten an. Die kann man zum Beispiel den Kindern mitgeben, wenn sie am Wochenende mal Brötchen holen."
Der Bäckermeister möchte nach reichlicher Überlegung in der Filiale einfach nur die klassische Wechselgeldkasse abschaffen. In seinem Stammgeschäft in Flingern können die Kunden weiter wählen, ob sie bar oder bargeldlos bezahlen.
"Nach den Medienberichten entscheiden sich auch hier drei Viertel der Kunden für die bargeldlose Variante, vorher war es vielleicht die Hälfte", erzählt Gauert, der sich auch bei den Düsseldorfer Innungsbäckern engagiert.
"Ich muss nicht jeden Tag das Kupfergeld zählen und zur Bank bringen"
Er selbst sieht für sein Geschäft nur Vorteile. "Ich kann nicht bestohlen werden, ich muss nicht jeden Abend Kasse machen und Kupfergeld zur Bank bringen. Jede Transaktionsgebühr ist ein Segen dagegen." Michael Gauert hat ausgerechnet, dass bei seinem Anbieter etwa 20 Cent pro Bezahlvorgang anfallen. Da bei ihm der Durchschnittsbon bei rund sieben Euro liege, sei das verkraftbar. Auch dann, wenn mal eine Kunde nur ein Brötchen mit Karte bezahlt (siehe unten).
Dass traditionell bargeldintensive Branchen im Handwerk wie Bäcker, Konditoren, Fleischer oder Friseure ganz auf die Wechselgeldkasse verzichten, wird wohl eine Ausnahme bleiben. Aber in der Corona-Krise ist die Nachfrage der Kunden nach bargeld- und kontaktlosem Bezahlen rasant gestiegen. Und die Betriebe ziehen mit. Nach einer Umfrage des Bäckerhandwerks von Mai 2020 gaben bereits 87 Prozent der Bäcker an, dass sie bargeldloses Bezahlen anbieten oder dies in Kürze tun werden.
Ähnlich sieht es im Fleischerhandwerk aus. "Fleisch- und Wurst bargeldlos an der Theke zu bezahlen ist in vielen Fleischereien möglich", berichtet Hans Christian Blumenau, betriebswirtschaftlicher Berater beim Deutschen Fleischerverband. Das sei aus Kundensicht erfreulich und verringere den Bargeldbestand in den Betrieben, die inzwischen bei den Hausbanken sogar Gebühren für Rollengeld zahlen müssen.
Bezahlen in Corona-Zeiten Nach einer Umfrage der Deutschen Bundesbank sind im Corona-Jahr 2020 30 Prozent der Käufe an der Ladenkasse, in der Freizeit und im Onlinehandel mit einer Karte bezahlt worden. 2017 lag der Wert noch bei 21 Prozent. Gleichzeitig zahlen weniger Verbraucherinnen und Verbraucher ihren Einkauf in bar. Nur noch 60 Prozent aller Einkäufe sind 2020 bar bezahlt worden, vor drei Jahren waren es noch 74 Prozent. Kontaktlose Kartenzahlungen machen inzwischen etwas mehr als die Hälfte aller Transaktionen mit der girocard oder Kreditkarte aus.
Zentralverband des Bäckerhandwerks engagiert sich für die Bargeldversorgung
Foto: © Kirsten FreundDer Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks unterstützt die Betriebe bei der Umsetzung des bargeldlosen Bezahlens. Er hat das Thema "Bargeld" aber auch in seine Forderungen zur Bundestagswahl aufgenommen. Der Verband kritisiert, das Banken zunehmend ihr Filialnetz ausdünnen, Bankautomaten abbauen und die Bargeld-Einzahlung teilweise erheblich verteuern. Denn ein großer Teil der Kundschaft zahle nach wie vor mit Bargeld.
Dr. Friedemann Berg, Geschäftsführer vom Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks, ist sogar Mitbegründer der Initiative "Bargeld zählt!", die sich für den Erhalt des Bargelds einsetzt. Entsprechend kritisch sieht er es, wenn Geschäfte ganz auf Bargeld verzichten.
"Die Probleme nehmen nicht ab, sondern werden noch größer, wenn sich Unternehmen aus dem Bargeldkreislauf 'verabschieden' und kein Bargeld mehr annehmen. Denn die Kosten für den Bargeldkreislauf müssen dann umverteilt und von den verbleibenden Unternehmen getragen werden, die noch Bargeld akzeptieren."
Am Ende entscheidet der Kunde, wo er einkauft und wie er bezahlt. Datenschutzgründe, wie sie viele der Kommentarschreiber als Argument für die Barzahlung anbringen, will Bäckermeister Michael Gauert jedenfalls nicht gelten lassen. "Jeder hat doch heute ein Smartphone in der Tasche und im Hintergrund läuft der Ortungsdienst."
Tipp: Kosten der Anbieter vergleichen
Die Verbände aus bargeldintensiven Branchen wie Bäcker, Fleischer oder Friseure unterstützen ihre Mitgliedsbetriebe beim Thema "bargeldloses Bezahlen". So rät Hans Christian Blumenau vom Deutschen Fleischer-Verband dazu, die Gebühren im Blick zu halten.
Die Gebühren- und Abrechnungspositionen bei den Anbietern seien oft unübersichtlich "Eine Vergleichbarkeit der Kosten ist nur schwer möglich, denn die Kosten pro Transaktion stellen nur einen von mehreren Anhaltspunkten dar", sagt Blumenau.
Abhängig von der Bank, dem Kartenemittent und dem Anbieter des Terminals kommen noch weitere Kosten hinzu, beispielsweise Terminalentgelte, Autorisierungsentgelte, Interbankentgelte, Serviceentgelte und so weiter.
"Das Vergleichen lohnt sich. Um einen Überblick über die eigenen Kosten zu erhalten, empfiehlt es sich die Kosten auf eine Transaktion herunterzurechnen", rät der Experte. "Abhängig von den jährlichen Transaktionen können die Einsparungen erheblich sein."
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Text:
Kirsten Freund /
handwerksblatt.de
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