Bäcker verbringen gefühlt mehr Zeit im Büro als in der Backstube.

Bäcker verbringen gefühlt mehr Zeit im Büro als in der Backstube. (Foto: © Jens Brüggemann/123RF.com)

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Die Backstube ist keine Schreibstube

Die Hygiene-Ampel von NRW und die neue Lebensmittel-Kontrollverordnung der EU sind nur zwei aktuelle Beispiele, wie sich das Lebensmittelrecht auf das deutsche Handwerk auswirkt. Ein Ausblick.

Allen Rufen nach Bürokratie-Abbau zum Trotz: Die Flut von Vorschriften, die Handwerker beachten müssen, nimmt immer weiter zu – auch und gerade für die lebensmittelverarbeitenden Betriebe. Bäcker verbringen gefühlt inzwischen fast mehr Zeit im Büro als in ihrer Backstube. In NRW ist beispielsweise kürzlich das Gesetz über die Hygiene-Ampel beschlossen worden. Bäckereien und Metzgereien müssen also demnächst mit einer Plakette in Ampelfarben die Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelkontrolle öffentlich machen.

Ein anderes Beispiel ist die Lebensmittel-Informationsverordnung: Seit Dezember 2016 müssen in der gesamten EU verpackte Lebensmittel mit einer Nährstofftabelle gekennzeichnet werden. Das Handwerk setzt sich dafür ein, dass zugunsten seiner Betriebe, also etwa für Bäckerplätzchen, Ausnahmen gelten. "Über den Umfang einer Ausnahmeregelung für Handwerker nach dem Anhang V Ziffer 19 der Lebensmittel-Informationsverordnung wird noch gestritten", weiß Rechtsanwalt Dr. Matthias Wiemers, Experte für Lebensmittelrecht und Geschäftsführer der Handwerkskammer Frankfurt- Rhein-Main.

Wer sich korrekt verhält, soll nicht für Kontrollen zahlen

Und es geht weiter: Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments haben Mitte März 2017 über eine neue EU-Lebensmittel-Kontrollverordnung abgestimmt. Dr. Wiemers erklärt die Auswirkungen der EU-Regelungen auf die deutschen Handwerksunternehmen. Eine der wichtigsten Fragen in diesem Zusammenhang ist, ob die präventiven Lebensmittelkontrollen über Gebühren oder über Steuern finanziert werden. Anders gesagt: Müssen Betriebe dafür Geld zahlen, dass sie kontrolliert werden? "Bisher gilt in Deutschland der Grundsatz der Steuerfinanzierung für präventive Überwachung – wie etwa auch bei Straßenverkehrskontrollen. Der Gedanke dahinter ist: Wer sich korrekt verhält, soll nicht zahlen", betont Wiemers.

Zur Abgrenzung: Bei Nachkontrollen, also wenn die Behörde etwas zu beanstanden hatte, muss der Betrieb grundsätzlich Gebühren zahlen. "Die EU-Verordnung lässt bei der präventiven Kontrolle den Mitgliedsstaaten jedoch beide Finanzierungs-Wege offen", berichtet er. Inzwischen haben zwei Bundesländer, NRW und Niedersachsen, das Gebührenmodell eingeführt. Dort müssen also die Betriebe auch für die präventiven Lebensmittelkontrollen Gebühren zahlen. "Die neue EU-Verordnung gibt ebenfalls diese Möglichkeit, und es steht zu befürchten, dass weitere Bundesländer davon Gebrauch machen werden", weiß der Jurist. "Die gesetzlichen Anforderungen an die Betriebe und die Überwacher steigen ständig. Wenn die Länder eine Einladung vom Gesetzgeber bekommen, sich zusätzliche Einnahmen – für weiteres Personal etwa – über Gebühren zu verschaffen, dann lassen die sich das nicht zweimal sagen."

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Verordnungen sind nach Wiemers Ansicht nur der zweitbeste Weg für die EU, eine Regelung zu setzen. Denn hier kann der Mitgliedsstaat keine weiteren, eigenen Anordnungen treffen. Als Folge müssen die Betriebe dann immer in zwei Gesetze, nämlich EU- und deutsches Recht schauen. "Das ist ärgerlich und sehr kompliziert, da kommt der Betriebsinhaber ohne fachlichen Rat kaum weiter!"

Besser wäre nach seiner Meinung eine EU-Richtlinie. Diese lässt den einzelnen Mitgliedsstaaten mehr Raum, eigene Regelungen zu treffen und dabei nationale Besonderheiten zu berücksichtigen. "Das grundsätzliche Problem ist: Das Handwerk kommt schon als Begriff in der EU-Gesetzgebung so gut wie nicht vor, Lebensmittelbetriebe werden oft unter Einzelhandel zusammengefasst. Das berücksichtigt nicht die Besonderheiten des Handwerks." Und es mangele an der kompetenten Umsetzung. "In Brüssel sollte man bei der Rechtssetzung mehr über die Konsequenzen nachdenken, was die jeweilige Regelung für die Mitgliedsstaaten bedeutet. Und dann nur das regeln, was gemeinschaftlich geregelt werden muss", ist Wiemers Wunsch. "Die Verordnungen werden zwar regelmäßig auf ihre Auswirkungen hin kontrolliert. Aber die Evaluierungs-Ergebnisse werden nicht abgewartet. Und es wird nicht sauber gearbeitet bei den Folgeabschätzungen."

Nicht im stillen Kämmerlein ärgern

Bei aller Kritik hält er die Europäische Union aber grundsätzlich für eine gute Idee. "Wir alle, auch die Betriebe des Handwerks, profitieren von der EU. Sie steigert unseren Wohlstand in Europa. Aber man muss das richtige Maß finden bei der Regulierung."

Sein Appell an alle Betriebsinhaber: "Nicht zu Hause im stillen Kämmerlein ärgern! Holen Sie sich Rat bei den Verbänden und Kammern! Nur, wenn die Interessenvertreter wissen, wo den Betrieben der Schuh drückt, können sie die Interessen auch vertreten." Dann kann das Handwerk auch Erfolge erkämpfen, wie etwa bei der Diskussion um das Salz im deutschen Brot: Damals hat man verhindert, dass die EU Nährwertprofile einführt.

Salz im deutschen Brot: Deutsches Brot enthält traditionell mehr Salz als der europäische Durchschnitt. Das Bäckerhandwerk verhinderte 2010, dass sogenannte Nährwertprofile zur europäischen Health Claims Verordnung erlassen wurden. Die Nährwertprofile sollten Grenzwerte enthalten und hätten gesundheitsbezogene Werbung für deutsches Brot deutlich erschwert. "Dies hätte einen starken verbraucherpolitischen Druck im Hinblick auf eine Änderung von Rezepturen bewirkt", erklärt Lebensmittelrechtsexperte Wiemers.

EU-Rechtssetzung: Eine EU-Verordnung ist ein Rechtsakt der Europäischen Union, der allgemein gültig ist und in den Mitgliedstaaten unmittelbar wirkt. Sie muss also nicht erst in nationales Recht umgesetzt werden. Die in der EU-Verordnung getroffenen Regelungen können daher auch nicht vom Mitgliedsstaat verändert werden. Das unterscheidet sie von der EU-Richtlinie. Eine Richtlinie hat keine unmittelbare Geltung in einem Mitgliedstaat, sie muss erst umgesetzt werden und der Staat hat dabei einen gewissen Spielraum. Deutschland setzt eine EU-Richtlinie in der Regel in einem förmlichen Gesetz oder einer Rechtsverordnung um. In der EU-Rechtsetzung gibt es seit Jahren den Trend, weniger Richtlinien zu erlassen und dafür Verordnungen, dafür aber mit "Öffnungsklauseln" für nationale Regelungen.

Ein Beispiel ist der Datenschutz: 2018 die neue EU-Datenschutz-Grundverordnung in Kraft treten, womit der Datenschutz in der gesamten EU verschärft werden wird. "Allerdings wird man neben der EU-Grundverordnung weiterhin deutsches Recht anwenden müssen", weiß Dr. Matthias Wiemers, Geschäftsführer der Handwerkskammer Frankfurt- Rhein-Main. "Denn das Bundesdatenschutzgesetz wird derzeit nicht aufgehoben, sondern ergänzt, indem es praktisch um die neue EU-Verordnung 'herumgeschrieben´ wird. Das neue Datenschutzrecht wird das Handwerk noch weiter beschäftigen."

Text: / handwerksblatt.de

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