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HWK des Saarlandes | November 2024
Wirtschaftspolitik neu ausrichten
Die Handwerkskammer des Saarlandes wünscht sich von der Landespolitik konkrete Maßnahmen, die den Mittelstand und das Handwerk entlasten.
Geförderter Wohnungsbau in Holzhybrid-Bauweise: Drei Immprinzip-Stadthäuser stehen im Trierer Stadtteil Castelnau Mattheis. (Foto: © Immprinzip Gmbh & Co. KG)
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September 2024
Mit dem "Gebäudetyp-E" will das Bauministerium das Bauen vereinfachen, um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Der Projektentwickler Immprinzip aus Mainz baut so schon seit vielen Jahren - Hand in Hand mit dem Handwerk. DIN-Normen werden hinterfragt.
Für fast alle Bereiche im Wohnungsbau gibt es DIN-Normen - Experten schätzen sie auf mehrere hundert. Sie regeln die Anzahl der Steckdosen, wie das Dach beschaffen sein muss und wie die Dämmung. Viele dieser Normen sind nicht mehr zeitgemäß und verteuern unnötig Bauprojekte, meint Bauunternehmer Dr. Martin Koch. Der Geschäftsführer der "Immprinzip GmbH & Co. KG" aus Mainz hinterfragt das Regelwerk.
Gemeinsam mit Handwerksbetrieben wie Zimmerern, Dachdeckern, Elektrikern und Metallbauern entwickelt das Unternehmen Lösungen für kostengünstigeres, modernes und nachhaltiges Bauen. Der Projektentwickler und die Handwerksbetriebe wagen dabei immer wieder Abweichungen von den DIN-Normen. Mit großem Erfolg baut "Immprinzip" auf diese Weise sozial geförderte Mehrfamilienhäuser in Holzhybrid-Bauweise, mit ökologischer Dämmung und Photovoltaik.
Von Beginn an setzte der Bauträger auf die Expertise von Handwerkern. "Wir besprechen unsere Ideen direkt mit Handwerkern statt, wie sonst üblich, mit Architekten und Ingenieuren. Das ist erhellend und macht Spaß, da man es mit wahren Profis zu tun hat." Die ersten Gebäude, die so gebaut wurden, stehen jetzt fünf Jahre. "Bei der Gewährleistungsbegehung haben wir so gut wie keine Schäden festgestellt – deutlich weniger als bei den klassisch hergestellten Gebäuden mit Mauerwerk, Attika und Gefälledämmung", erzählt Koch.
Ende August besuchte Bundesbauministerin Klara Geywitz im Rahmen ihrer Sommerreise drei Stadthäuser des Unternehmens in Trier. Mit dem "Gebäudetyp E" will das Ministerium Leitlinien festlegen, die das Bauen vereinfachen sollen. Also genau das, was "Immprinzip" seit acht Jahren gemeinsam mit dem Handwerk realisiert.
Das war nicht immer so. Vor der Gründung von "Immprinzip" im Jahr 2016 bauten Dr. Martin Koch und seine Geschäftspartner noch ganz klassisch als Bauträger Eigentumswohnungen im Luxussegment. "Irgendwann hat uns diese Art des Bauens aber nicht mehr gefallen, außerdem sind die Mietpreise explodiert. Deshalb haben wir uns in Frage gestellt, haben ein neues Unternehmen für sozial geförderten Wohnungsbau gegründet und sind auf Holz umgestiegen."
Dafür entwickelten sie die Holzhybridbauweise. Die Häuser haben eine Holzständerfassade, die Decken aus Ortbeton wiederum werden vor Ort gegossen. "Dadurch sind wir bei den Grundrissen flexibel, da jedes Bundesland andere Vorgaben an den sozial geförderten Wohnungsbau macht."
Der Holzbau war vor acht Jahren in der Region Trier noch nicht so weit entwickelt wie heute, berichtet Koch. "Deshalb haben wir damals zusammen mit der Zimmerei KSH Dach- und Fassadenbau GmbH, ein Familienbetrieb in Dirmingen im Saarland, überlegt, wie man eine Außenwand bauen kann, ohne dass die Kosten explodieren." Zusammen mit dem Handwerksbetrieb wurden kostengünstige Lösungen für Verschraubungen entwickelt, die teure Verbindungen ersetzen. "Das Verfahren hat sich bewährt und das Unternehmen baut immer noch für uns."
Bei den Dächern hat das Unternehmen gemeinsam mit Dachdeckern überlegt, ob wirklich alle DIN-Normen eingehalten werden müssen. Flachdächer sind laut Norm mit Attika und speziellen Wasserabläufen ausgestattet, was häufig zu Feuchteschäden führt.
"Daher haben wir das Konzept überdacht und ein neues Flachdach, ein Null-Grad-Dach ohne Attika, entwickelt. Am Dachrand haben wir eine normale Dachrinne, um das Wasser über Fallrohre abzuleiten." Das Ergebnis überzeuge bis heute. Auf dem Dach könne man zudem viel einfacher eine Photovoltaikanlage aufbringen.
Im Bereich der Haustechnik wiederum definiert die DIN 18015 unter anderem wie viele Steckdosen, Zuleitungen und EDV-Dosen jedes einzelne Zimmer haben sollte. Und das sind eine ganze Menge. Im Kinderzimmer sind beispielsweise über zehn Steckdosen und zwei Datendosen vorgesehen, was die Baukosten nach oben treibt.
"Mit Elektrikern wie zum Beispiel Uli Kaiser aus Wirges im Westerwald haben wir überlegt, was wirklich notwendig ist und die Zahl der Steckdosen sowie die Leitungsführung deutlich reduziert. In den Abstellräumen zum Beispiel verzichten wir auf Schalter und integrieren stattdessen Bewegungsmelder in die Lampe. Das spart Kabellängen und den Schalter."
Koch erzählt, dass er sich auf den Baustellen vor Ort gerne mit den Gesellen, Meistern und Polieren austauscht. Zu vielen habe er ein persönliches Verhältnis und bekomme eine ehrliche Einschätzung zu den DIN-Vorschriften. "Viele davon dienen nur den Herstellern und Lieferanten und nicht unbedingt dem Verbraucher und schon gar nicht dem Handwerker", so sein Fazit.
Ein weiterer Handwerker, der bereit sei, traditionelle Methoden zu hinterfragen, sei der Metallbauunternehmer Arnold Kliewer aus Bonefeld im Westerwald. Mit ihm wurde gerade ein neues Balkonsystem mit Holzboden und großen Tragweiten entwickelt.
Die DIN-Normen zählen zu den "Allgemein anerkannten Regeln der Technik". Sie sind nicht bindend, vor Gericht aber maßgebend, beispielsweise wenn es um Haftungsfragen geht.
Mit dem "Gebäudetyp E", den Bundesbauministerin Klara Geywitz gerade plant (das "E" steht für "einfaches" oder "experimentelles" Bauen), können Vertragspartner künftig beim Bauen von kostenintensiven Standards rechtssicher abweichen und zugleich die hohen Sicherheitsstandards beim Bauen einhalten. Das soll auch im Bürgerlichen Gesetzbuch festgeschrieben werden. (Mehr zum Gebäudetyp E lesen Sie hier)
Es wird also bald eine Regelung für die Bauweise geben, die die "Immprinzip GmbH & Co. KG" und ihre Partnerhandwerker bereits seit acht Jahren erfolgreich im sozial geförderten Wohnungsbau praktizieren. "Die Käufer - meist Unternehmerfamilien - unterstützen dieses Baukonzept." Dr. Martin Koch ist sich bewusst, dass nicht alle Handwerker bereit sind, von anerkannten Regeln der Technik abzuweichen und dass es auch gar nicht in allen Bereichen möglich ist.
Sein Unternehmen ist aber überzeugt, dass das einfache und kostengünstige – gleichzeitig hochwertige und nachhaltige – Bauen ein Weg ist, um dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Deutschland effektiv zu begegnen.
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