Gemeinsam selbstständig: Leipziger Kulturwarenfabrik
Die Kulturwarenfabrik versteht sich als "kreativer Treffpunkt zum Arbeiten und Wohnen". Hier teilen sich selbstständige Tischlermeister eine Werkstatt. Sie arbeiten für sich, aber auch zusammen.
Viele Handwerker träumen davon, ihr eigener Herr zu sein, sich zu spezialisieren und individuelle Produkte anzubieten, die im Familien- und Freundeskreis bereits auf begeisterte Zustimmung stoßen. Und viele Handwerker scheuen dann doch den entscheidenden Schritt in die Selbstständigkeit. Denn eine eigene Werkstatt mit einem speziellen Maschinenpark ist teuer und das Risiko damit entsprechend groß. Die Lösung: sich einzumieten!
Richard Wintermann (Foto links) ist Tischler in Leipzig. Seine Möbel und Küchen sind Einzelstücke, die er nach den Wünschen und Ideen seiner Kunden fertigt. Wintermann begleitet sie dabei von der Idee bis zur Montage. Um sich diesen Berufswunsch zu erfüllen, mietete er sich im November 2015 in die Kulturwarenfabrik ein – eine Tischlerei, die er sich mit fünf weiteren selbstständigen Tischlern teilt.
Das Besondere: Jeder ist selbstständig, jeder hat seine eigene Website und seine eigene Marke, und jeder bedient seine eigene Klientel. Zusammen sorgen sie für eine optimale Auslastung des Maschinenparks.
Mit Leidenschaft Tischler
"Ich bin mit Leidenschaft Tischler und kann aufgrund der Einmietung in die Gemeinschaftstischlerei meine individuellen Möbel und Einrichtungsgegenstände produzieren", sagt Wintermann. "Allein ginge das nicht. Das wäre aufgrund des hohen Investitionsbedarfs für Maschinen viel zu teuer." Die sechs Tischler arbeiten allerdings nicht nur jeder für sich, sondern auch zusammen und sind damit wie jeder große Handwerksbetrieb in der Lage, Großprojekte zu übernehmen.
Bei Gemeinschaftsprojekten steht einer der sechs Selbstständigen mit dem Kunden in Verbindung, leitet das Projekt und trägt das Risiko. Die anderen arbeiten je nach freien Kapazitäten mit. Während der eine bei der Fertigung behilflich ist, unterstützt der andere bei der Oberflächenbearbeitung. Und auch die Montage wird gemeinsam bewältigt. Eine Reihe von Helfern, die sich bei der Kulturwarenfabrik registriert haben, stehen bei Bedarf zusätzlich zur Verfügung.
"Wir lernen viel voneinander"
Ebenfalls selbstständiger Tischlermeister ist Christoph Loos (Foto links). Er baut Möbel für Privatkunden und bietet Möbel und Accessoires nach eigenen Entwürfen an, insbesondere mit dampfgebogenem Massivholz.
Loos kam 2016 in die Kulturwarenfabrik und schätzt das Konzept: "Ich gehe morgens nicht allein in meine eigene kleine Werkstatt und arbeite dann bis zum Feierabend vor mich hin. Dadurch, dass ich mit anderen Selbstständigen unter einem Dach arbeite, ist auch der soziale Aspekt abgedeckt."
Mal ist es ein Gespräch bei einem gemeinsamen Kaffee, mal eine zusammen verbrachte Mittagspause. "Außerdem lernen wir viel voneinander. Wir tauschen uns aus, experimentieren mit neuen Materialien und versuchen uns an neuen oder auch alten, fast vergessenen Techniken", fügt Wintermann hinzu.
Eine gute Absprache ist ganz wichtig
Es sei gut, wenn dann das Zwischenmenschliche stimmt. Da die Werkstatt relativ klein ist, werde oft gestapelt oder geräumt. Eine gute Absprache sei daher ganz wichtig. In Städten wie Leipzig werden die Gewerbeflächen immer knapper, Grund und Boden immer teurer. Wer keinen Handwerksbetrieb übernehmen kann, sieht sich nicht nur mit hohen Investitionskosten für Maschinen und andere Bedarfe konfrontiert, sondern auch mit fehlenden Gewerbeflächen.
Viele Handwerker, die sich selbstständig machen wollen, wenden sich deshalb an ihre Handwerkskammer. "Meistens kommen nur die Suchenden zu uns. Wir freuen uns deshalb über jeden, der eine Werkstatt teilen und untervermieten möchte und sich bei uns meldet", berichtet Stefan Lorenz, Betriebsberater für Standort- und Ressourcenplanung der Handwerkskammer (HWK) zu Leipzig.
Die Handwerkskammer bietet Unterstützung und umfangreiche Beratung zum gesamten Themenkomplex "Standort" an, unter anderem zu Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit. Das innovative Konzept der Kulturwarenfabrik biete Selbstständigkeit, Kostenteilung, soziale Aspekte und die Möglichkeit, Erfahrungen auszutauschen und voneinander zu lernen. Ein vielversprechendes Modell für die Zukunft.
Text:
Ute Christoph /
handwerksblatt.de
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