"Ich bin froh über die  Qualität des Deutschen Handwerks und  würde mit anderen Ländern nicht  tauschen wollen", sagt der  Philosoph und Publizist Prof. Dr. Richard  David Precht.

"Ich bin froh über die Qualität des Deutschen Handwerks und würde mit anderen Ländern nicht tauschen wollen", sagt der Philosoph und Publizist Prof. Dr. Richard David Precht. (Foto: © Peter Leßmann)

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Handwerk ist Imagesieger der Digitalisierung

Betriebsführung

Der Philosoph Richard David Precht sieht das Handwerk als klaren Gewinner der Arbeitswelt der Zukunft. Er fordert mehr praktisches Werken im Unterricht und ruft Handwerker auf, sich an Schulen einzubringen.

In Zukunft werden Millionen Arbeitsplätze durch die Digitalisierung wegfallen, ist der Philosoph Richard David Precht überzeugt. Aber nicht alle Branchen sind betroffen. Das Handwerk sieht Precht als klaren Imagesieger der Digitalisierung. Berufe, wo Menschen es noch mit Menschen zu tun haben wollen, würden gestärkt aus der Entwicklung hervorgehen. Der renommierte Philosoph und Publizist sprach bei der Handwerkskammer Münster

Arbeitswelt

Die Digitalisierung schreitet in nahezu allen Lebensbereichen rasant voran. Wie werden die Arbeitswelt und das gesellschaftliche Zusammenleben der Zukunft aussehen? Der Philosoph und Autor Prof. Dr. Richard David Precht rechnet damit, dass schon in wenigen Jahren extrem viele Menschen ihre Jobs verlieren.

"Wir befinden uns im größten Umbruch seit der industriellen Revolution vor 250 Jahren. Heute gehen wir in das zweite Maschinenzeitalter", so Precht. "Wir reden jetzt nicht mehr über die Ersetzung der menschlichen Hand, sondern des menschlichen Gehirns."

"Nahezu alle Lebensbereiche der Menschen werden umgewälzt"

Auf der Veranstaltung Zukunftsräume begrüßten HWK-Präsident Hans Hund (r.) und -Hauptgeschäftsführer Thomas Banasiewicz (l.) den Philosophen Prof. Dr. Richard David Precht (2.v.r.) und Moderator Ulrich Reitz (2.v.l.) Foto: © Peter LeßmannAuf der Veranstaltung Zukunftsräume begrüßten HWK-Präsident Hans Hund (r.) und -Hauptgeschäftsführer Thomas Banasiewicz (l.) den Philosophen Prof. Dr. Richard David Precht (2.v.r.) und Moderator Ulrich Reitz (2.v.l.) Foto: © Peter Leßmann

Während konservative Ökonomen optimistischer auf die Arbeitsmärkte der Zukunft blicken, ist der Philosoph überzeugt davon, dass die Digitalisierung Berufe wie Finanzbeamte, Versicherungskaufleute, Bankangestellte, Call-Center-Mitarbeiter oder auch Taxifahrer über kurz oder lang überflüssig machen wird. "Nahezu alle Lebensbereiche der Menschen werden umgewälzt." Maschinen, Computer und Roboter erledigen dann die Arbeit.

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Aber möchte man wirklich die Erzieherin im Kindergarten durch einen R2-D2 mit Fell und Kulleraugen ersetzen lassen? Soll im Restaurant der Thermomix die Aufgabe des Koches übernehmen, und soll ein Roboter zu Hause die Heizungsanlage reparieren?

Das sei alles machbar, aber nicht wahrscheinlich. "Überall dort, wo Menschen keinen Wert darauf legen, es mit Menschen zu tun zu haben, wird ein Teil der Berufe wegfallen." Berufe, die man algorithmisieren kann, sind gefährdet. Nachgefragt werden Projektmanager, Empathieberufe wie Krankenschwestern oder Animateure, hochqualifizierte IT-Spezialisten und die hochwertig arbeitenden Handwerker sein. "Handwerkliche Arbeit wird ein Luxus", sagt Precht.

Und Handwerker würden in Zukunft noch deutlich besser bezahlt als jetzt. Überhaupt sei es der "hochqualifizierte Mittelstand", der Deutschland besser durch die Digitalisierung bringen wird als andere Länder. "Ich bin froh über die Qualität des Deutschen Handwerks und würde mit Ländern wie Amerika nicht tauschen wollen", sagte er unter dem Beifall des Publikums.

Bildung

Früher legte man Wert darauf, dass die Kinder etwas "Vernünftiges" lernen. Selbst viele Handwerker wünschten sich, dass ihre Kinder eine Banklehre machen oder zur Versicherung gehen. Heute versuchen fast alle Eltern, ihr Kind "krampfhaft" zum Abitur und Studium zu bringen.

Dieses Denken passe nicht mehr zu der Arbeitswelt im digitalen Zeitalter, so Richard David Precht. Die Trennung zwischen akademischen und praktischen Berufen werde sich auflösen: "Das akademische Fußvolk wird wegfallen." Ziel solle daher ein gleichwertiger Schulabschluss mit verschiedenen Schwerpunkten, auch einem praktischen, sein.

"Wie wollen wir leben?"

Bestellen Sie das aktuelle Buch "Jäger, Hirten, Kritiker" von Richard David Precht im vh-buchshopEine entscheidende Frage für die Zukunft sei nicht "Wie werden wir leben?", sondern "Wie wollen wir leben?" Das digitale Zeitalter biete die Chance, in Zukunft erfüllter und selbstbestimmter zu leben. Precht fordert ein Bildungssystem, das die jungen Leute dazu befähigt, sich selbst zu verwirklichen, kreativ zu sein und etwas zu gestalten.

Foto: © Goldmann VerlagFoto: © Goldmann Verlag

"Es braucht nicht nur Menschen, die in der digitalen Ökonomie erfolgreich sind. Es braucht auch solche, die unsere Werte und unsere Handwerkskunst bewahren, sich für andere Menschen einsetzen, Traditionen pflegen, sich kümmern und über alternative Gesellschaftsmodelle nachdenken", heißt es in Prechts aktuellem Buch "Jäger, Hirten, Kritiker. Eine Utopie für eine digitale Gesellschaft".

Bei der HWK Münster rief er dazu auf, mehr Praktiker aus dem Handwerk in den Schulen einzubinden, die dort Projekte anbieten. Schulen sollten früher auf die unterschiedlichen Interessen der Kinder eingehen und mehr Werkunterricht anbieten. "Und das Handwerk muss lautstark auf sich aufmerksam machen."

Bedingungsloses Grundeinkommen

Richard David Precht plädiert für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Die Kaufkraft vieler Menschen werde durch den massenweisen Arbeitsplatzverlust in Folge der digitalisierten Ökonomie einbrechen. Auch wegen der demografischen Entwicklung werde der Sozialstaat in seiner jetzigen Form dann nicht mehr finanzierbar sein.

Er schlägt vor, dass jeder Bundesbürger ab einem bestimmten Alter monatlich 1.500 Euro bekommen sollte. "Nicht jetzt sofort, sondern wenn das Szenario des großen Arbeitsplatzverlustes eintritt." Die Politik sollte schon jetzt einen solchen Notfallplan ausarbeiten.

Wer soll das bezahlen?

Precht schlägt vor, den Geldverkehr zu besteuern. Die Summe des von deutschen Banken und Wertpapierhaltern an der Börse umgesetzten Geldes betrage 240 Billionen Euro. Mit einer Finanztransaktionssteuer von vielleicht einem Prozent könnte man das bedingungslose Grundeinkommen finanzieren.

Er stellt sich vor, dass man zu diesem Grundeinkommen bis zu 1.000 Euro steuerfrei hinzuverdienen darf. Das wäre für viele Menschen ein Anreiz, auch einen weniger gut bezahlten Beruf zu ergreifen und trotzdem mehr zu verdienen als heute. Etwa als Krankenschwester oder nachts in der Backstube einer Großbäckerei.

Wenn die Existenzangst der Menschen durch das Grundeinkommen verloren geht, dann hätten sie mehr persönliche Spielräume, sich mit dem zu beschäftigen, was sie wirklich interessiert. Und viele Menschen würden eben lieber Brot backen oder etwas anderes mit ihren Händen tun als einer Bürotätigkeit nachzugehen. Das sei eine große Chance, die die digitale Gesellschaft bietet.

Die Veranstaltung war der Auftakt der Reihe "Zukunftsräume", in der die Handwerkskammer Münster den Diskurs mit Visionären und Denkern sucht. Sie will Gespräche über wegweisende Lösungen von aktuellen Herausforderungen führen.

Text: / handwerksblatt.de

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