Tarifverhandlungen im Gerüstbauer-Handwerk gescheitert
Die Tarifverhandlungen im Gerüstbauer-Handwerk sind erneut gescheitert. Arbeitgeber und IG BAU beschuldigen sich gegenseitig, Haustarife zu bevorzugen. Die 35.000 Beschäftigten stehen jetzt ohne Tarifvertrag da.
Seit einem halben Jahr streiten die Tarifparteien im Gerüstbauer-Handwerk über einen neuen Tarifvertrag. Auch in der vierten Verhandlungsrunde konnten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht auf den Lohntarif einigen. Die gegenseitigen Beschuldigungen sind nicht ohne. "Es scheint so, als ob den Arbeitgebern mittlerweile jegliche Empathie für das Leben ihrer Beschäftigten abhandengekommen ist. 1,5 Prozent unter dem Inflations-Jahresdurchschnitt anzubieten, ist schon die pure Provokation", erklärte Carsten Burckhardt, im Vorstand der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) für das Bauhauptgewerbe zuständig.
Auf dem Tisch lag eine Forderung der IG BAU von 7,4 Prozent Lohnerhöhung im ersten und 4,5 Prozent im zweiten Jahr. Die Bundesinnung und der Bundesverband Gerüstbau hat fünf Prozent im ersten und drei Prozent im zweiten Jahr geboten. Mehr sei angesichts der angespannten Lage am Bau derzeit nicht zu verantworten, sagte der Verhandlungsführer der Arbeitgeberseite, Marcus Nachbauer.
Die Arbeitgeberseite habe ihr Angebot in der jüngsten Verhandlung um "eine beitragsneutrale Anhebung des zusätzlichen Urlaubsgelds von 30 auf 35 Prozent ergänzt", was etwa 0,77 Prozent der Bruttolohnsumme an Beitrag gekostet hätte, sowie – die Zustimmung der BaFin vorausgesetzt – eine Erhöhung der Rentenbezüge um elf Prozent, heißt es in einer Pressemitteilung. Die Gewerkschaft habe dies abgelehnt und stattdessen eine Laufzeitverkürzung des Lohntarifvertrags vorgeschlagen.
"Wir bedauern sehr, dass die Tarifverhandlungen ohne Ergebnis geblieben sind"
"Wir bedauern sehr, dass die Tarifverhandlungen ohne Ergebnis geblieben sind", betonte Marcus Nachbauer. "Natürlich nehmen wir Inflationsbelastung der Arbeitnehmer wahr. Aber als Bundesinnung und Bundesverband Gerüstbau tragen wir Verantwortung für unsere Mitgliedsbetriebe, auch und gerade in schwierigen Zeiten. Ein weiteres Entgegenkommen in Sachen Lohnerhöhung hätte viele unsere Mitglieder bei sich abzeichnendem Auftragsrückgang aufgrund der teils erheblichen Einbrüche im Baugewerbe zu überfordern gedroht. Und das kann letztlich keiner wollen."
Die Gewerkschaft entgegnete, man rede nicht von Manager-Gehältern oder höheren Einkommen, "wir reden hier von Menschen, die die enorm gestiegenen Mieten nicht mehr bezahlen können, die beim Einkaufen genau schauen müssen, wieviel am Ende auf dem Kassenband liegt und die auch gerne im Warmen zu Hause entspannen möchten. Wir müssen dem Reallohnverlust ein Ende setzen", so IG BAU-Verhandlungsführer Burckhardt. Zudem dürften die Arbeitgeber den Fachkräftemangel nicht außer Acht lassen.
Haustarifverträge oder Flächentarifverträge? Gegenseitige Vorwürfe
Die Gewerkschaft wirft der Arbeitgeberseite vor, dass Flächentarifverträge zunehmend an Bedeutung verlieren würden und dass die Unternehmen das mit Haustarifverträgen regeln sollten. "Da wird mit dem Feuer gespielt, auch hier muss endlich Schluss sein. Man will einfach die Solidarität der Beschäftigten auseinanderdividieren", sagt Burckhardt.
Die Arbeitgeber wiederum erklären, dass Haustarifverträge seit der dritten Verhandlungsrunde das Ziel der Gewerkschaft gewesen seien, "die in ihrer Verhandlungskommission insbesondere Mitglieder größerer Betriebe hat". Anders als die IG BAU behaupte, hätten Bundesinnung und Bundesverband "in ihren Verhandlungen die gesamte Mitgliederstruktur in der Fläche des Bundesgebiets im Auge". Dazu würden große Betriebe genauso gehören wie kleine. "Mit den angestrebten Haustarifen setzt die Gewerkschaft offensichtlich auf eine Spaltung der Branche. Bundesinnung und Bundesverband Gerüstbau stehen weiterhin für den Flächentarifvertrag."
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Text:
Kirsten Freund /
handwerksblatt.de
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