Bewertungsreserven

Am Ende der Laufzeit bleibt oft nur Kleingeld als Rendite übrig. (Foto: © ginasanders/123RF.com)

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Versicherer dürfen Auszahlungen kürzen

Lebensversicherungen dürfen ausscheidenden Kunden weniger Geld aus sogenannten Bewertungsreserven auszahlen, urteilt der Bundesgerichtshof. Sie müssen das aber nachvollziehbar begründen.

Eine Regelung des Lebensversicherungsreformgesetzes (LVRG) aus dem Jahr 2014, die Versicherern erlaubt, die Rendite von Lebensversicherungen zu reduzieren, ist im Grundsatz verfassungsgemäß. Der Versicherer muss aber gegenüber dem ausscheidenden Kunden genau begründen, wieso seine Auszahlung gekürzt wird.

Hintergrund: Versicherer legen die Beiträge ihrer Kunden am Kapitalmarkt an. Grundsätzlich werden die Kunden am Ende der Laufzeit an den Gewinnen beteiligt. Ein Gewinn entsteht dabei erst im Moment des Verkaufs, vorher spricht man von Bewertungsreserven. Die Unternehmen dürfen diese Auszahlung seit 2014 kürzen, um die Auszahlung der Zinsen für andere Kunden nicht zu gefährden. Grund für das Gesetz war das anhaltende Niedrigzinsniveau. 

Der Fall: Ein Kunden der Victoria Lebensversicherung erhielt wegen des LVRG statt 2.821 Euro nur noch 148 Euro als Beteiligung an den Bewertungsreserven.

Der klagende Bund der Versicherten (BdV) sah in der Regelung eine verfassungswidrige Enteignung, da nur noch denjenigen Versicherten eine bestimmte Summe garantiert wird, deren Verträge noch länger laufen. Versicherte hätten nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus 2005 "einen Anspruch auf angemessene Beteiligung an diesen Geldern", so BdV-Vorstandssprecher Axel Kleinlein. Für den BdV sei der Fall "exemplarisch für grob geschätzt mehr als 70 Millionen Verträge". Betroffen seien Kapitallebensversicherungen, Private Renten, Riester-Rentenversicherungen, Direktversicherungen zur betrieblichen Altersvorsorge, Rürup-Rentenversicherungen und etliche weitere Vertragsarten.

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Landgericht muss erneut prüfen

Das Urteil: Der Bundesgerichtshof  (BGH) hat keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des LVRG. Das Gesetz sei ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen der ausscheidenden und der verbleibenden Kunden, erklärten die Bundesrichter.

Den konkreten Fall verwiesen sie jedoch zurück an das Landgericht Düsseldorf, da dieses nicht genügend geprüft habe, ob die Begründung der Victoria für ihre Kürzung ausreichte. Dem betroffenen Kunden müssten die Versicherer nämlich nachprüfbar begründen, warum er weniger Geld bekommt, forderte der BGH – und zwar so, dass zu erkennen ist, dass die Kürzungen tatsächlich durch die wirtschaftliche Situation der Versicherung gerechtfertigt sind. Das sei im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Der Versicherer muss nun seine Berechnungen offenlegen. 

Der BdV kündigte an, nun das Bundesverfassungsgericht anzurufen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 27. Juni 2018, Az. IV ZR 201/17

Am Tag des BGH-Urteils veröffentlichte das Bundesfinanzministerium auch einen Bericht zum LVRG. Darin sieht es mögliche finanzielle Probleme bei 34 Lebensversicherern. Mehr als ein Drittel steht unter verschärfter Beobachtung durch die deutsche Finanzaufsicht Bafin. Die anhaltende Niedrigzinsphase gefährde das Geschäftsmodell der Lebensversicherer. 

 

Text: / handwerksblatt.de

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