Was bedeutet ein Stromausfall für die Arbeitgeber?
Ein "Blackout" ist in der aktuellen Energiekrise nicht mehr ausgeschlossen. Was es für Arbeitgeber bedeutet, wenn im Betrieb der Strom ausfällt, erklärt eine Rechtsexpertin.
In der derzeitigen Energiekrise wird überall das Risiko von Stromausfällen diskutiert. Großflächige Blackouts sind zwar laut Expertenaussagen unwahrscheinlich. Jedenfalls kürzere und regional begrenzte Stromausfälle können aber auch laut Bundesregierung durchaus auftreten. Zumindest theoretisch dürfte auch eine Drosselung oder ein Stopp von Energielieferungen an Betriebe denkbar sein.
Auch wenn im Betrieb für Notstrom gesorgt ist, kann digitales Arbeiten durch einen Internetausfall eingeschränkt sein. Denn bei Stromausfällen hängt es von Ausmaß und Dauer ab, inwieweit auch die Kommunikationsnetzwerke und die Internetversorgung betroffen sind. Aus arbeitsrechtlicher Sicht wirft dies einige Fragen auf. Dr. Carolin Kraus, Fachanwältin für Arbeitsrecht, beantwortet die wichtigsten Fragen dazu.
Was kann von Mitarbeitenden bei Stromausfall verlangt werden?
Fällt in einem Betrieb der Strom aus, kann ein Bedürfnis entstehen, dass Mitarbeitende andere Aufgaben als sonst übernehmen. Man denke etwa an einen Supermarkt oder ein Lager, in dem die Sicherungssysteme nicht mehr funktionieren und Waren daher bewacht werden müssen. Diese Aufgabe gibt es im normalen Ablauf gar nicht. Hier gilt: Das normalerweise auf die arbeitsvertraglich vereinbarte Tätigkeit beschränkte Weisungsrecht des Arbeitgebers ist in Notsituationen erweitert. Bei außergewöhnlichen und nicht planbaren Ereignissen können Mitarbeitende daher vorübergehend auch zur Ausübung von anderen Tätigkeiten verpflichtet sein. Dies gilt insbesondere, wenn Rohstoffe oder Lebensmittel zu verderben oder Arbeitsergebnisse zu misslingen drohen. Grundlage hierfür ist die vertragliche Nebenpflicht, Schäden vom Betrieb in den Grenzen des Möglichen und Zumutbaren abzuwenden.
Dies gilt aber nur in besonderen und vorübergehenden Situationen. Außerhalb von Notfällen können Arbeitgeber die geschuldete Arbeit nicht einfach neu definieren. Insofern ist klar, dass etwa Mitarbeitende im Büro, die ihre Tätigkeit eigentlich am Computer verrichten, nicht allein deshalb zum Aufräumen des Lagers verpflichtet werden können, weil sie ihrer eigentlichen Tätigkeit ohne Strom und Internet nicht nachkommen können.
Was gilt, wenn die Arbeit im Betrieb infolge des Stromausfalls nicht mehr möglich ist?
Im Fall eines Stromausfalls müssen also erst einmal beide Seiten prüfen, welche Arbeitsleistung ohne Strom und Internet möglich ist und ob diese sich im Rahmen des vertraglich Geschuldeten hält. So können Bürokräfte vielleicht nach dem obigen Beispiel nicht verpflichtet sein, das Lager aufzuräumen. Aber sie könnten wohl dazu aufgefordert werden, die im Alltaggeschäft lang ignorierten Aktenberge in ihrer Abteilung zu sortieren – jedenfalls solange Tageslicht dies möglich macht. Ein Stromausfall bedeutet also etwa nicht, dass die Mitarbeitenden einfach nach Hause gehen können, ohne dies vorab zu klären. Trotzdem wird es Situationen geben, in denen eine Arbeitsleistung gerade in den dunklen Wintermonaten ohne Stromversorgung faktisch nicht möglich ist. Dann stellt sich die Frage, ob weiterhin Anspruch auf Lohn besteht.
Ist das Gehalt fortzuzahlen, wenn die Arbeit infolge eines Stromausfalls unmöglich ist?
Allgemein gilt: Das Risiko von Betriebsstörungen trifft den Arbeitgeber. Liegt also eine Betriebsstörung vor, besteht die Lohnzahlungspflicht fort, auch wenn Mitarbeitende nicht weiterbeschäftigt werden können. Dies gilt grundsätzlich auch unabhängig davon, ob den Arbeitgeber ein Verschulden trifft. Infolge dieser Grundsätze wurden Stromausfälle bislang klassisch zum Betriebsrisiko gezählt (so z.B. bei einem Stromausfall in der Schuhindustrie BAG, Urteil vom 30.01.1991 -1 AZR 338/90).
Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht 2021 die während der Pandemie angeordneten Schließungen im Einzelhandel nicht als Betriebsrisiko des Arbeitgebers angesehen (Urteil vom 13. Oktober 2021, Az. 5 AZR 211/21). Begründet wurde dies damit, dass sich nicht ein im Betrieb angelegtes Risiko verwirklicht habe. Seitdem ist nicht abschließend geklärt, ob ein flächendeckender Stromausfall tatsächlich als Betriebsrisiko gelten würde. Arbeitgeber sollten aber jedenfalls bei kurzfristigen Stromausfällen eher vom Weiterbestehen der Lohnzahlungspflicht ausgehen.
Kann man Mitarbeitende zwingen, im Homeoffice zu arbeiten?
Scheidet die Arbeit vor Ort infolge Stromausfalls oder –knappheit aus, ist zu erwägen, die Mitarbeitenden ins Homeoffice zu schicken, vorausgesetzt, dass dort Strom verfügbar ist. Eine einseitige Anweisung zur Arbeit im Homeoffice ist zwar nach allgemeinen rechtlichen Vorgaben nicht möglich. In unerwarteten Notfällen oder wenn Homeoffice ohnehin schon praktiziert wird, kann dies aber möglicherweise denkbar sein. Allerdings wird sich oft praktisch die Frage stellen, ob die Arbeit im Homeoffice überhaupt möglich ist, wenn auf die Systeme des Betriebs nicht zugegriffen werden kann und damit auch die E-Mail-Programme oft ausfallen dürften.
Die Anweisung, die Arbeit im Homeoffice zu erbringen, dürfte außerdem dann denkbar sein, wenn die Energiezufuhr in Betrieben durch staatliche Maßnahmen eingeschränkt wird. Entgegen einer weit verbreiteten Praxis dürfte es dann aber verpflichtend sein, dass Arbeitgeber sich auch an den Energiekosten im Homeoffice beteiligen.
Und wenn nur im Homeoffice der Strom ausfällt?
Fällt zu Hause der Strom aus, wird man von Mitarbeitenden verlangen können, dass sie in den Betrieb kommen, wenn dort Strom verfügbar ist. Zeitverluste, die auf dem Stromausfall im Homeoffice beruhen, also etwa die Anreisezeit, dürften dann von der Arbeitszeit wohl auch abgezogen werden können. Auch hier wird man aber gerichtliche Entscheidungen abwarten müssen.
Kann bei Stromausfall Urlaub oder Überstundenabbau angeordnet werden?
Ist die Arbeit nicht möglich, stellt sich bei fortbestehender Lohnzahlungspflicht die Frage, ob die ausgefallenen Zeiten auf Urlaubsansprüche oder Überstundenkonten angerechnet werden dürfen. Ein solcher "Zwangsurlaub" ist aber nicht ohne weiteres möglich. Allgemein gilt, dass das Betriebsrisiko nicht auf diese Weise auf die Arbeitnehmerseite verlagert werden kann. Dies gilt insbesondere bei kurzfristigen Ausfällen.
Ist jedoch absehbar, dass der Strom länger ausfällt oder die Energiezufuhr beschränkt wird, kann über die Anordnung von Betriebsferien nachgedacht werden. Betriebsferien dürfen allerdings grundsätzlich nur unter Einhaltung einer angemessenen Ankündigungsfrist angeordnet werden. Üblicherweise sollten sie sogar vor Beginn des Urlaubsjahres mitgeteilt werden, damit sich die Arbeitnehmer darauf einrichten können. Auch wenn Gerichte in der aktuellen Krisensituation möglicherweise kürzere Fristen als "angemessen" ansehen, sollten Arbeitgeber sinnvollerweise auf einvernehmliche Lösungen setzen. Diese können auch schon vorbereitet werden.
Quelle: Meyer-Köring Rechtsanwälte / Steuerberater
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Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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