Ausschreibung: Welche Leistungen muss der Handwerker erbringen?
Auftragnehmer müssen selbst bei einem Globalpauschalpreisvertrag keine unüberschaubaren Risiken übernehmen.
Ausschreibungen enthalten in der Regel funktionale Leistungsbeschreibungen. Das gilt sowohl bei öffentlichen als auch bei Ausschreibungen aus privater Hand. Wird durch den Handwerksbetrieb hieraufhin ein detailliertes Angebot erstellt, das jedoch von der funktionalen Leistungsbeschreibung abweicht, stellt sich die Frage: Welche Leistungen hat der Handwerksbetrieb zum angebotenen Preis tatsächlich zu erbringen?
Hierüber hatte das Oberlandesgericht Brandenburg (Az. 4 U 19/18) zu entscheiden. Der Handwerksbetrieb hat als Auftragnehmer den Zuschlag für die Errichtung einer vollständigen und funktionierenden Aufzugsanlage erhalten. Der Auftrag wurde im Rahmen eines Globalpauschalpreisvertrages erteilt. Dem Vertrag wiederum lag auf der einen Seite eine funktionale Leistungsbeschreibung und auf der anderen Seite ein konkretes und detailliertes Angebot des Auftragnehmers zugrunde.
Einbau eines gesonderten Lüftungssystems erforderlich
Der Fall: Der Auftragnehmer hatte in dem Detailangebot die Entlüftung des Aufzugsschachtes durch einfache Öffnungen angeboten, wobei das Angebot in diesem Zusammenhang unter dem Vorbehalt stand, dass diese Art der Ausführung auch genehmigt wird. Der zuständige Brandschutzgutachter hat den angebotenen einfachen Öffnungen im Ergebnis jedoch nicht zugestimmt und die Genehmigung verweigert.
Aufgrund der versagten Genehmigung wurde der Einbau eines gesonderten Lüftungssystems erforderlich. Hierfür verlangte der Betrieb allerdings eine gesonderte Vergütung, da dies nicht vom Pauschalpreisangebot umfasst gewesen sei.
Der Auftraggeber weist die zusätzliche Vergütung zurück und verweigert die Zahlung, da die Leistungen vom Globalpauschalpreisvertrag umfasst seien und der Auftragnehmer die Pflicht habe, eine mangelfreie und vor allem vollständige Leistung zu erbringen. Hierzu zähle eben auch die Errichtung eines gesonderten Lüftungssystems. Hinzu komme, dass Nachträge im Vertrag ausdrücklich ausgeschlossen worden seien.
OLG hat der Klage des Handwerksbetriebs stattgegeben
Die Entscheidung: Das Oberlandesgericht Brandenburg (Az. 4 U 19/18) hat der Klage des Handwerksbetriebes stattgegeben. Dem Auftragnehmer stehe die zusätzliche Vergütung für das gesonderte Entlüftungssystem zu, trotz des Globalpauschalpreisvertrages. Das Gericht führt hierzu aus, dass der Betrieb zwar zur vollständigen Lieferung und Montage der Aufzugsanlage verpflichtet sei. Das heißt aber nicht automatisch, dass keine Nachträge für Änderungen der Leistungen verlangt werden können.
Für die Bestimmung der Vergütung müssen nach zutreffender Ansicht des Gerichts vielmehr die Vereinbarungen zum Bausoll (= Leistungsbeschreibung) im konkreten Einzelfall ausgelegt werden. Durch die Auslegung könne dann ermittelt werden, was der Auftragnehmer tatsächlich zum angebotenen Pauschalpreis zu leisten habe. Vorliegend sei dem Angebot des Auftragnehmers eindeutig zu entnehmen, dass er lediglich eine Entlüftung durch einfache Öffnungen leisten wolle.
Des Weiteren folge aus dem Vorbehalt der Genehmigung, dass der Betrieb keinerlei Risiken dahingehend übernehmen wolle, dass Änderungen in der Ausführung genehmigt werden oder nicht. Hieran ändere auch der vertragliche Ausschluss von Nachträgen nichts. Es sei zwar grundsätzlich möglich, dass Auftragnehmer auch Risiken für Änderungen in der Planung übernehmen.
An derartige Regelungen seien jedoch strenge Anforderungen zu stellen, da dies eben nicht die Regel, sondern die Ausnahme ist. Im vorliegenden Fall hieß das, dass Nachträge nur für solche Leistungen ausgeschlossen sind, die der Handwerksbetrieb von Beginn an in seiner Kalkulation hätte aufnehmen können und müssen.
Der Auftragnehmer kann eine Nachvergütung verlagen
Rechtsanwältin Anna Rehfeldt, LL.M. Foto: © privatFazit: Das Urteil ist zu begrüßen, da der Auftragnehmer eindeutig zum Ausdruck gebracht hat, dass seine angebotene Ausführung nur für den Fall der Genehmigung gelten solle. Dies musste der Auftraggeber dahingehend verstehen, dass der konkret angebotene Preis auch nur die konkret angebotene Leistung umfasse.
Zwar war der Auftragnehmer aufgrund des Vertrages zur vollständigen, funktionsfähigen und mangelfreien Ausführung verpflichtet, was insbesondere auch die Errichtung des Aufzugsschachtes mit einem gesonderten Lüftungssystem bedeutet. Hierfür stand ihm aber eine zusätzliche Vergütung zu.
Das Urteil macht einmal mehr deutlich, dass Auftragnehmer selbst bei einem Globalpauschalpreisvertrag keine unüberschaubaren Risiken übernehmen müssen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte in seiner Entscheidung "Bistro" bereits höchstrichterlich entschieden, dass die vom Auftraggeber im Rahmen eines Globalpauschalpreisvertrages vorgelegte detaillierte Planung den allgemeinen/globalen Bestimmungen der funktionalen Leistungsbeschreibung vorgeht.
Zusammengefasst kann man sich als Leitformel merken, dass konkrete/detaillierte Bestimmungen einer allgemeinen/globalen, funktionalen Leistungsbeschreibung vorgehen. Diese definieren das zu erfüllende Bausoll.
Wird das Bausoll nachträglich durch den Auftraggeber geändert, kann der Auftragnehmer hierfür grundsätzlich auch eine Nachtragsvergütung verlangen.
Die Autorin Anna Rehfeldt ist Rechtsanwältin und LL.M. mit Sitz in Berlin
Text:
Anna Rehfeldt /
handwerksblatt.de
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