"Deutschland steckt in einer tiefen Vertrauenskrise"
Der nordrhein-westfälische Handwerkspräsident, Andreas Ehlert, kommentiert die Ergebnisse der Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen. Er fordert Reformen in Berlin und NRW, um Wachstum zu schaffen und Vertrauen zurückzugewinnen.
Das starke Abschneiden der politischen Ränder in Sachsen und Thüringen führe Deutschland erneut eine bittere Wahrheit vor Augen: "Unser Land steckt in einer tiefen Vertrauenskrise. Die Menschen trauen den politischen Institutionen und den Parteien nicht zu, dass sie ihre Probleme ernst nehmen und lösen können." Das sagt Andreas Ehlert, Präsident von Handwerk.NRW, zu den Wahlergebnissen in den beiden Ländern.
Er rät den etablierten Parteien davon ab, den Populismus der Ränder nun mit einem Populismus der Mitte zu beantworten. Parolen, Beschwichtigungen oder Thementabus seien nicht hilfreich. "Neues Vertrauen gewinnen unsere Institutionen nur, wenn sie die Probleme, die die Menschen spüren, anerkennen und dafür Lösungen finden."
Probleme nicht kleinreden
Statt großer Verheißungen und Erlösungsversprechen müsse die Politik der Mitte kleine Schritten gehen, mit viel Demut, Realismus und Ehrlichkeit. Ehlert fordert: "Wir dürfen Probleme nicht kleinreden, sondern müssen sie anpacken. Wir brauchen eine kritische und selbstkritische Diskussion. Wir brauchen einen Konsens über notwendige Reformen, die neue Sicherheit und neues Selbstvertrauen geben."
Das sei der Weg zurück zu Wachstum und mehr Wettbewerbsfähigkeit und damit zu neuen Chancen für jeden Einzelnen, diese Entwicklung mitzugestalten und am Wohlstand teilzuhaben. "Unsere Botschaft richtet sich an die, die in Berlin, aber auch in Nordrhein-Westfalen Verantwortung tragen oder tragen wollen. Denn auch in unserem Bundesland können wir mit gutem Beispiel vorangehen." Ansatzpunkte gebe es genug.
Ehlert macht dafür zehn Vorschläge:
- Unternehmen und Bürger sind auf eine sichere und bezahlbare Energieversorgung angewiesen. Deshalb braucht Nordrhein-Westfalen eine realistische und umsetzbare Strategie zur Sicherung der Energieversorgung, die den Einstieg in bezahlbare und klimafreundliche Alternativen konsequent weiterverfolgt.
- Nordrhein-Westfalen braucht dringend einen Modernisierungsschub für die Energieversorgung und sonstige Infrastruktur. Deshalb müssen jetzt Planungs- und Genehmigungsverfahren aller Art beschleunigt und vereinfacht werden.
- Bauen darf nicht noch teurer werden. Deshalb sollte Nordrhein-Westfalen auf die Einführung einer Rohstoffabgabe verzichten, die Grunderwerbsteuer absenken und einfaches Bauen nach dem Gebäudetyp E ermöglichen.
- Wir brauchen nicht immer mehr, sondern weniger Abgaben aller Art. Deshalb sollte Nordrhein-Westfalen ein einfaches Grundsteuermodell einführen, das ohne automatische Mehrbelastungen für Eigentümer und Mieter auskommt.
- Bürokratie lähmt unser Land und behindert Innovation. Nordrhein-Westfalen braucht nach dem Motto: "Lieber Entlasten statt Fördern". Initiativen, Anreize und klare Zuständigkeiten für den Bürokratieabbau.
- Unternehmen und Bürger brauchen vor Ort eine Verwaltung, die sich durch Kundenfreundlichkeit und Leistungsfähigkeit auszeichnet. Deshalb brauchen wir mehr Digitalisierung und mehr Agilität der öffentlichen Verwaltung.
- Kommunale Selbstverwaltung braucht Gestaltungsspielräume. Deshalb muss das Land für eine solide Finanzausstattung sorgen, mit der die Kommunen ihre Aufgaben selbständig erfüllen können.
- Zu viele Jugendliche verlassen unsere Schulen mit großen Kompetenzdefiziten. Deshalb muss Nordrhein-Westfalen die Bildungschancen junger Menschen sichern, indem die bundesweit vereinbarten Bildungsstandards in den zentralen Kompetenzbereichen Deutsch, Mathematik, Naturwissenschaften und erste Fremdsprache in den allgemeinbildenden Schulen tatsächlich vermittelt werden.
- Die Übergänge von Schule in Ausbildung und Studium sind zu ineffizient. Deshalb muss Nordrhein-Westfalen für die Stärkung des Landes als Produktionsstandort das Interesse an MINT-Themen deutlich erhöhen und den Zugang junger Menschen zu gewerblich-technischen Berufsfeldern befördern.
- Und der letzte Punkt ist nach der schrecklichen Tat von Solingen besonders wichtig: Wir müssen mehr tun, damit Zuwanderung gelingt. Die, die sich nicht integrieren wollen und unsere freie Gesellschaft verachten, müssen schnellstens wieder gehen. Denen, die anpacken und sich integrieren wollen, müssen wir den Weg frei machen und sie willkommen heißen.
Das seien zwar kleine Schritte, aber auch ein Signal an die Menschen, dass die Politik ihre Probleme erkennt und Lösungen finden will. Ehlert: "Mit dieser Haltung müssen sich die Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung jetzt ihren verantwortungsvollen Aufgaben widmen. Sie setzen die Rahmenbedingungen, unter denen wir die Zukunft unseres Landes gestalten. Diese Zukunft kann nur in einem demokratischen, vielfältigen und wettbewerbsfähigen Deutschland liegen."
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Text:
Lars Otten /
handwerksblatt.de
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