Kein Kettenbrief zulasten künftiger Generationen
Die Bundesregierung muss sich um die Tragfähigkeit der Sozialversicherungssysteme kümmern, finden Andreas Ehlert und Bernd Münzenhofer, Präsident und Vizepräsident der HWK Düsseldorf. Ihr gemeinsamer Vorschlag: Ein Deckel für Sozialabgaben im Grundgesetz.
Dass Friedrich Merz erst im zweiten Wahlgang zum Kanzler gewählt wurde, hat gezeigt, dass es in der politischen Mitte trotz aller sicherheits- und wirtschaftspolitischen Gefahren an Ernsthaftigkeit und Verantwortungskultur mangelt. Auch in der Sache gibt es im Koalitionsvertrag einige blinde Flecken. Dazu zählt insbesondere die Tragfähigkeit unserer Sozialversicherungssysteme. Wir haben da überhaupt kein Erkenntnisproblem: Jeder weiß, dass die demografische Entwicklung zu einem dramatischen Anstieg der Kosten für Pflege, Gesundheit und Altersvorsorge führen wird. Die neue Bundesregierung verschiebt das Problem aber wieder einmal in die Zukunft.
Wir müssen damit rechnen, dass die Belastungen durch Abgaben für die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme ohne strukturelle Reformen von derzeit etwa 42 Prozent auf mittelfristig über 50 Prozent steigen wird. Das macht den Faktor Arbeit immer teurer und belastet insbesondere das Handwerk, wo die Personalkosten einen Großteil der Gesamtkosten ausmachen. So werden Handwerksleistungen schrittweise zum Luxusgut und Schwarzarbeit immer attraktiver.
Sozialpolitik nicht zu zulasten künftiger Generationen
Andreas Ehlert Foto: © HWK DüsseldorfDie eigentlichen Packesel der Sozialpolitik sind aber die ganz normalen Beschäftigten – die Gesellin im Handwerksbetrieb, die eine Familie gründen will, oder der Krankenpfleger, der durch harte Schichtdienste ohnehin an die Grenzen seiner Belastungen kommt. Denn sie haben am Ende des Monats immer weniger Netto vom Brutto in der Tasche. Wir bürden gerade denen, die ehrlich arbeiten und für sich selber Verantwortung übernehmen wollen, immer mehr Belastungen auf und können die damit verbundenen Leistungszusagen immer weniger einhalten. Sozialpolitik darf aber nicht zu einem betrügerischen Kettenbrief zulasten künftiger Generationen werden. Damit würden wir das ohnehin brüchige Vertrauen in die Demokratie aufs Spiel setzen und die politische Stabilität unseres Landes gefährden.
Deshalb pochen wir im Handwerk auf Lösungen, die für Arbeitgeber wie für Arbeitnehmer annehmbar sind. Wir im Handwerk wissen beispielsweise, dass die "Rente mit 70" in vielen Berufen unrealistisch und nicht durchsetzbar ist. Aber viel wäre für die Stabilität des Rentensystems schon gewonnen, wenn wir anstelle der widersprüchlichen Anreize, die der Staat mal für längeres Arbeiten, mal für eine frühere Verrentung setzt, einfach 45 Beitragsjahre als Anspruchsgrundlage für eine reguläre Rente definieren würden. Das wäre fair denen gegenüber, die schon mit 15 oder 16 Jahren malochen. Und wer in jungen Jahren eine längere, steuerfinanzierte Qualifikationsphase hatte, bliebe dann auch länger produktiv und würde der Gemeinschaft mehr zurückgeben.
"Es braucht Mut zu echten Reformen"
Bernd Münzenhofer Foto: © Wilfried Meyer / HWK DüsseldorfEs gibt nicht die eine Patentlösung, mit der wir die Strukturprobleme der Sozialversicherungssysteme auf einen Schlag lösen. Klar ist aber: Es braucht endlich Mut zu echten Reformen. Deshalb sollten wir den Druck auf die Politik erhöhen, dass sie die Tragfähigkeit immer im Auge behält und beständig auf der Suche nach den besten Lösungen ist. Eine einfache Spielregel würde dafür schon sorgen: Wir brauchen einen verfassungsrechtlichen Deckel für die Sozialversicherungsbeiträge von 40 Prozent im Grundgesetz. Das würde die Politik dazu verpflichten, die Finanzierungsrisiken ehrlich und frühzeitig zu kalkulieren und sich um faire und rechtzeitige Reformen zu bemühen. Das wäre übrigens nur die Konsequenz aus dem wegweisenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz. Denn Nachhaltigkeit hat auch eine finanzielle und soziale Dimension, und wir müssen unseren Kindern und Enkeln funktionierende und tragfähige Sozialversicherungssysteme hinterlassen.
Andreas Ehlert ist Präsident der Handwerkskammer Düsseldorf, Bernd Münzenhofer ist ihr Vizepräsident für die Arbeitnehmerseite
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Text:
Andreas Ehlert und Bernd Münzenhofer /
handwerksblatt.de
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