Heißer Sommer 1987: Moto Guzzi 750 S3 in der Nähe von Bari in Apulien.

Heißer Sommer 1987: Moto Guzzi 750 S3 in der Nähe von Bari in Apulien. (Foto: © Jürgen Ulbrich)

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Motorradreisen: Zwei liebenswerte Italienerinnen

Jürgen Ulbrich aus Köln über seine Passion für eine mehr als 40 Jahre alte Moto Guzzi. Sie veränderte sein Leben.

"Mensch oder Motorrad?", frage ich mich an der Ampel. Die hübsche Blondine im Mini Cooper auf der rechten Spur zeigt mir ihren empor gestreckten Daumen. Die Ampel springt von gelb auf grün, ich beschleunige, aus dem Blubbern wird ein Fauchen, dann ein Bollern. Aus den Augenwinkeln sehe ich die Passanten hinter mir herschauen.

Die typischen Tankstreifen der 750 S3. Sie gab es in den Farben Orange, Rot und Grün, Foto: © Jürgen UlbrichDie typischen Tankstreifen der 750 S3. Sie gab es in den Farben Orange, Rot und Grün, Foto: © Jürgen Ulbrich

Aber nicht ich errege Aufmerksamkeit, sondern meine V7 Moto Guzzi 750 S3. Weniger als 1000 Stück wurden 1975 gebaut, dann löste sie ihr Nachfolger ab, die 850 Le Mans. Die S3 verdankt ihren Namen dem sogenannten Integral-Bremssystem. Die Fußbremse aktiviert die hintere Einzelscheibe links und die Scheibe vorn links, die Handbremse die Scheibe vorn rechts.

Heute ist die S3 ein italienischer Klassiker, die Preise bewegen sich im fünfstelligen Euro-Bereich, nur sehr selten wird sie angeboten. Niemand weiß, wie viele Exemplare noch existieren.

"Stummellenker, lang gestreckt, schwarze Lackierung mit roten Streifen, der tiefe Schwerpunkt, der querstehende V2-Motor, viel Chrom, Speichenräder und zwei schwarze Auspufftöpfe. Seit jenem Tag war klar: dieses Bike muss ich haben."

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Auf Anhieb der Ausstrahlung der 750 S3 erlegen

1982: Endlich stolzer Besitzer einer Moto Guzzi 750 S3. Foto: © Jürgen Ulbrich1982: Endlich stolzer Besitzer einer Moto Guzzi 750 S3. Foto: © Jürgen Ulbrich

1976 sah ich sie als 15-Jähriger zum ersten Mal und erlag auf Anhieb ihrer Ausstrahlung: Stummellenker, lang gestreckt, schwarze Lackierung mit roten Streifen, der tiefe Schwerpunkt, der querstehende V2–Motor, viel Chrom, Speichenreicher und zwei schwarze Auspuff-Töpfe. Seit jenem Tag war klar: dieses Bike muss ich haben.

Es vergingen sechs Jahre, bis ich 1982 an meine unerfüllte S3-Liebe erinnert wurde. Zurück von einem Italien- und Korsika-Trip mit einer Yamaha XS 650 berichtete ein Kneipen-Freund von einer Guzzi, deren Besitzer verstorben war. Dessen Mutter wollte das Motorrad, das Modell kannte mein Kumpel nicht, nach zwei Jahren Stillstand verkaufen.

Mit klopfendem Herzen zur Werkstatt

Foto: © Jürgen UlbrichFoto: © Jürgen Ulbrich

Noch am gleichen Tag fuhr ich mit klopfenden Herzen zu einer kleinen Motorrad-Werkstatt in Köln Ehrenfeld, in der die mit einer Plane abgedeckte Maschine stand. Ein kurzer Blick genügte – und schon erlebte ich heftige Glücksgefühle. Vor mir stand eine stark in Mitleidenschaft gezogene 750 S3, schwarz mit roten Streifen auf Tank und Seitendeckeln. Schon am nächsten Morgen holte ich sie ab. Sehr zum Verdruss des in Schrauber-Kreisen bekannten Werkstatt-Besitzers, der ebenfalls ein Auge auf die Maschine geworfen hatte.

Viele Monate der Restaurierung folgten, ich scheute keine Kosten. Keine Mutter blieb auf ihrer Schraube, das Bike wurde komplett zerlegt, der Motor überholt und optimiert, der legendäre Tonti-Rahmen, Tank und Seitenbleche neu lackiert, bis sie 1983 fast wie neu vor mir stand.

Ärgerlich war der Fehler des Lackierers, der die Streifen auf dem Tank nicht nach hinten angewinkelt aufgetragen hatte, sondern senkrecht nach unten. Heute ist diese Lackierung einmalig, denn S3-Puristen lackieren ihre Lieblinge immer originalgetreu.

Motorradfahren wie auf Schienen

Foto: © Jürgen UlbrichFoto: © Jürgen Ulbrich

In den folgenden Jahren lernte ich die S3 auf langen Ausflügen ins Bergische Land bis ins kleinste Detail kennen. In der hügeligen Landschaft mit ihren kurvenreichen wie verwinkelten Strecken fahre ich noch heute dank des durch kaum etwas zu erschütternden Fahrwerks wie auf Schienen. Lediglich in enge Kurven will die rund 230 Kilo schwere Maschine gedrückt werden, was sich positiv auf meine Oberkörper-Muskulatur auswirkt.

1987 brach ich zu einem sechswöchigen Giro d’Italia auf. Ich ahnte nicht, dass diese Tour mein Leben für immer verändern sollte. Stolz wie Oskar fuhr ich über München und die alte Brennerpass-Straße immer weiter in südliche Gefilde. Doch im Land der Guzzi-Väter, Mandello de Lario am Comer See ist der Wallfahrtsort aller Guzzi-Enthusiasten, erlebte ich eine herbe Enttäuschung. Die Italiener interessierte mein Zweizylinder nicht, es war die Zeit, in der die Tifosi große Vierzylinder-Importe aus dem Land der aufgehenden Sonne der eigenen Traditionsmarke vorzogen.

Nur die Carabinieri staunten

Foto: © Jürgen UlbrichFoto: © Jürgen Ulbrich

Nur zwei Carabinieri, die mich mit zu hoher Geschwindigkeit auf der Landstraße zwischen Ravenna und Rimini stoppten, bestaunten meine Guzzi. Sehr angetan – immer wieder sagten sie "bellissima, unica" – sprachen sie großzügig nur eine mündliche Ermahnung aus.

Kraft für die über 1800 Kilometer lange Rückreise tankte ich nach wunderbar sonnigen Wochen quer durch Italien in Metaponto/Basilikata am Golf von Taranto. Eine Entscheidung mit Folgen, denn in dem zumindest im September verschlafenen Küstenflecken lernte ich eine junge Italienerin kennen.

Fortan verbrachten wir viele Stunden auf Touren an der Küste entlang – welch glückliche Zeit mit meinen beiden liebenswerten Italienerinnen. Bis ich zurück in den hohen Norden nach Deutschland musste.

Ein Entschluss für's Leben

Doch ebenso wie Jahre zuvor mein Traumbike konnte ich meine Beifahrerin nicht vergessen. So beschlossen wir ein Jahr später, gemeinsam in der Domstadt am Rhein zu leben.

Foto: © Jürgen UlbrichFoto: © Jürgen Ulbrich

Seitdem sind 34 Jahre vergangen, meine S3 hüte ich weiterhin wie einen Schatz, in 39 Jahren wurden lediglich Verschleißteile ausgetauscht, nur einmal brach das Kreuzgelenk des Kardanantriebes.

Und mit meiner italienischen Beifahrerin bin ich mittlerweile 31 Jahre verheiratet. Ohne mein Motorrad hätte ich diesen wunderbaren Menschen nie kennengelernt!

Im Sommer 2017 reiste ich mit meiner S3 wieder in das Land, in dem die Zitronen blühen  – 30 Jahre nach dem ersten Giro d’Italia. Die Italiener empfingen mich gebührend, das zeigten die Einladungen, die ich von überall aus dem Stiefel erhielt. Meine Frau war zunächst nicht mit dabei, sie traf ich in der Basilikata. Dort erkundete ich mit meinen zwei liebenswerten Italienerinnen erneut das Land. Aber das ist eine andere Geschichte.

Text: / handwerksblatt.de

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