Schmuckstück der Fahrradmetropole
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) zeichnet die knapp 60 Jahre alte Radrennbahn in Bielefeld als Denkmal des Monats November aus.
"Die Bahn ist für die Geschichte des Profisports und die Entwicklung der Architektur von Radsportbahnen bedeutend und zugleich ein herausragendes Beispiel der Ingenieursbauleistung im Bereich der Spannbetontechnik", lautet die Begründung.
Nachdem es schon in den 1920er Jahren erste Radrennen in Bielefeld gegeben hatte und 1931 eine Radrennbahn als Aschenparcour eröffnet wurde, gab es bald nach dem Zweiten Weltkrieg Überlegungen eine große Radrennbahn in Bielefeld zu bauen. 1950 beschloss der Bielefelder Stadtrat eine Radrennbahn auf einem städtischen Grundstück östlich vor der Stadt zu errichten und stellte dafür 350.000 DM bereit. Mit Beteiligung des 1924 gegründeten Radclubs Zugvogel (RCZ) wurde eine Betriebsgesellschaft gegründet, in deren Nachfolge seit 1965 die Stadt Bielefeld als Eigentümerin die Radrennbahn betreibt.
Kriegsschutt, Müll und Mutterboden verfestigt
Die Pläne der Bahn fertigte der Architekt Clemens Schürmann aus Münster, der selbst 1908 einen Fahrer-Vertrag unterzeichnet hatte und bis 1922 an allen großen Rennen erfolgreich teilgenommen hatte. In Konzeption und Konstruktion kamen so die Erkenntnisse der Ingenieursbaukunst und des erfahrenen Profi-Radsportlers zusammen. Für das Radoval wurde Kriegsschutt, Müll und abgeschobener Mutterboden verfestigt. Auf der Innenseite dieses Dammes wurde über vorgespannten Stahlseilen eine 333,3 Meter lange fugenlose Betonbahn gegossen. Wegen der Steilkurven mit einer Neigung von 46 Grad, die den Fahrern extreme Kurvenneigungen ermöglichen und einem allmählich angelegten Übergang der Bahnneigung nach innen auf die Geraden, können die Fahrer Geschwindigkeiten von bis zu 85 Stundenkilometern erreichen.
Schnellste Piste Europas
Foto: © LWL/Herden-Hubertus. Das gilt bei den Ausdauerrennen mit Schrittmacher-Motorrädern - sogenannten "Steherrennen", bei denen die Radsportler im Windschatten der stehend vorausfahrenden Motorrad-Partner fahren - ebenso wie auch bei Sprints, den "Fliegerrennen". "Das Verhältnis von Überhöhung der Kurven und Neigungen der Fahrbahngeraden war für spätere Projekte beispielhaft. So handelt es sich bei der Bielefelder Bahn um den besonderen Typ einer sonst nur noch in Chemnitz ausgeführten kombinierten Flieger- und Steherbahn", LWL-Denkmalpflegerin Anne Herden-Hubertus. Eine Experten-Kommission des Verbandes Deutscher Radrennbahnen und des Bundes Deutscher Radfahrer bezeichnete die Bielefelder Bahn nach der Fertigstellung als "Schmuckstück, das der Fahrradmetropole würdig sei". Sie verspreche neue Rekorde und zähle zu den schnellsten Pisten Europas.
Zum Eröffnungsrennen am 14. Juni 1953 kamen 15.000 Zuschauer und feierten die Renn-fahrer. Noch heute üben die Radrennen auf dieser fast 60-jährigen Sportanlage, auf der regelmäßig Rennen - zum Beispiel Qualifikationsläufe für die Europameisterschaft - stattfinden, eine besondere Faszination aus. Für diese erste fugenlose Spannbetonbahn in Deutschland besteht heute allerdings Sanierungsbedarf, nachdem vor einigen Jahren ein Stahlseil im Bereich unterhalb der Zielgeraden durch Blitzeinschlag beschädigt worden war.
Hintergrund
Wie in ganz Europa hatten sich seit dem dritten Viertel des 19. Jahrhunderts auch in Bielefeld, der Hochburg der deutschen Fahrradindustrie, Sportler und Zuschauer für Radrennen begeistert. Nach "wilden" Straßenrennen des 1924 gegründeten Radclubs Zugvogel (RCZ) und dem populären Rennen "3mal rund um Bielefeld" mit 350 Fahrern aus ganz Deutschland, entstand als Aschenparcours die erste Bielefelder Radrennbahn, die mit einem Rennen am 15. Oktober 1931 in Anwesenheit von 6000 Zuschauern eröffnet wurde. Die Bielefelder Fahrradhersteller unterhielten eigene "Rennställe", der RCZ brachte national sehr erfolgreiche Fahrer hervor. Schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Radsport in Bielefeld wieder aufgenommen und kam erneut zu großen Erfolgen.
Text:
Brigitte Klefisch /
handwerksblatt.de
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